Tue Gutes und sprich darüber: Diese Maxime gilt in den Nachhaltigkeit-Bemühungen von Unternehmen nur noch bedingt, besagt eine neue Studie aus der Schweiz. Auch im Finanzwesen rollt inzwischen die Gegenbewegung.
Bei der von Abgängern der Zürcher ETH gegründeten Firma South Pole ist man schockiert. In der jährlichen Umfrage, welche die auf die Reduktionen vom CO2-Emissionen spezialisierte Zürcher Jungfirma durchführt, hat sich ein neuer Trend bei den Vorkämpfern fürs Klima herauskristallisiert: das «Greenhushing». Hush heisst auf English verstummen oder totschweigen – und das machen Unternehmen nun vermehrt, wenn es um ihre Klimaziele geht.
So haben laut dem aktuellen «Net Zero Report 2022» von South Pole 23 Prozent der Umfrageteilnehmenden entschieden, ihre wissenschaftlich basierten Ziele (SBT) auf dem Weg zur «Nettonull» an Emissionen nicht breit zu publizieren. Befragt wurden weltweit 1’220 Unternehmen, die bereits stark auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind und zumeist über ein Nettonull-Ziel verfügen. Wenn aber die genauen Wegmarken dorthin nicht bekannt seien, befürchtet South Pole, lasse sich die Einlösung der Versprechen nicht mehr verfolgen.
Laute Vorwürfe
Was die Klima-Vorkämpfer der Wirtschaft – 15 Prozent der befragten Unternehmen stammen dabei aus dem Finanzsektor – zur Verschwiegenheit getrieben hat, darüber können die Autoren des Reports nur mutmassen. South Pole stellt jedoch in den Raum, dass die Kritik von Medien, Klimaaktivisten und NGO die Firmen habe vorsichtig werden lasten. Jüngstes Beispiel ist die britisch-chinesische Grossbank HSBC, die in Grossbritannien gezwungen wurde, eine Werbekampagne zur Nachhaltigkeit zu stoppen. Zum Rückzug kam es, weil das Institut seine Geschäfte mit Öl- und Gasfirmen verschwiegen hatte.
Der «Greenwashing»-Vorwurf insbesondere gegen Finanzfirmen war in den vergangenen Monaten laut zu hören und hat auch in der Schweiz die Branche dazu veranlasst, vermittels Selbstregulation dem Einschreiten der Behörden zuvorzukommen. Sinnigerweise verfügt South Pole über enge Verbindungen zum Schweizer Finanz-Establishment: Der Rückversicherer Swiss Re und die Grossbank UBS sind Kunden des Startups. Die Liechtensteiner Fürstenbank LGT ist über ihr Impact-Vehikel Lightrock gar investiert.
In Texas wird gegen die UBS geschossen
Inzwischen bekommen die Vorkämpfer der Nachhaltigkeit auch eine Art «Backlash» zu spüren, wie finews.ch bereits analysierte. So darf die UBS im US-Bundesstaat Texas keine Finanzierungen an Gemeinden mehr anbieten, weil das nachhaltige Geschäftsgebaren der Bank als Boykott der heimischen Ölförderung aufgefasst wird. Das sind extreme und zudem politisch motivierte Entwicklungen. Doch angesichts der Energiekrise und den Befürchtungen vor einer Rezession treten Nachhaltigkeit-Bemühungen tendenziell in den Hintergrund.
In Grossbritannien hat derweil der weltgrösste Fondsanbieter Blackrock erklärt, weiter in Öl und Gas zu investieren. Bis anhin hatte sich der US-Riese in der Rolle des Nachhaltigkeit-Champions gefallen.
Schwindet jedoch die Leuchtturm-Funktion der Vorkämpfer gegen den Klimawandel, dürfte auch der grosse Rest der Unternehmen nicht so schnell einschneidende Massnahmen zu weniger CO2-Emissionen beschliessen. Denn das zeigt der Report von South Pole auch: Von 68’000 Firmen, deren Daten das Unternehmen auswertet, haben sich aktuell gerade mal 7 Prozent ein Nettonull-Ziel gesetzt.