Viele Banken, darunter UBS und Credit Suisse, setzen auf Digitalisierung und die Verlagerung in Cloud-Dienste. Finews.com sprach mit einem Senior Managing Director bei Accenture über Entwicklungen und Trends.

Es überrascht nicht, dass die Banken sehr auf die Kosten schauen und zunehmend Dienste in die Cloud verlagern. Wenn es darum geht, sich die Cloud zu eigen zu machen, geht es aber nicht nur darum, die Ausgaben zu senken.

«Der Grund für die Nutzung der Cloud ist nicht eine Infrastruktur zur Kostenreduzierung, sondern Innovation bei Geschäftsmodellen für neue Produkte und Dienstleistungen in einem beschleunigten Tempo», sagte Frédéric Brunier, Senior Managing Director und Europa-Chef für den Bereich «Cloud-Platform-Data», in einem Interview mit finews.com. Zudem ist er auch Mitglied des globalen Leitungsgremiums von Accenture.

Die grössere Transparenz im Schweizer Bankensektor ist einer der Gründe für den Trend zur Cloud, auch wenn der Datenschutz nach wie vor eine wichtige Rolle spielt.

Gelockertes Bankgeheimnis

Die Banken bewegen sich in einem beschleunigten Tempo in Richtung Cloud, so Brunier. Die Arbeitslasten hätten sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. «Die UBS und die Zürcher Kantonalbank sind auf dem Weg in die Cloud und verlagern erhebliche Arbeitsaufwand dorthin».

«Da das Schweizer Bankgeheimnis weggefallen ist, gibt es jetzt mehr Möglichkeiten, diese Technologien zu nutzen, um von ihren Vorteilen zu profitieren», sagte er.

Aber auch ohne das Schweizer Bankgeheimnis bedeutet dies nicht, dass die Banken ihre Daten frei verwenden können, und der Datenschutz bleibt ein wichtiges Thema. Bis zu einem gewissen Grad ist es auch ein Hindernis für die Entwicklung von Technologien rund um Kundendaten.

«Ist es immer noch eine Einschränkung? Auf jeden Fall - und zwar eine notwendige: Der Datenschutz muss respektiert werden», sagte er.

Agile Kultur

Während sich die Banken zunehmend in die digitale Welt begeben, stellt Brunier fest, dass «die Technologiekompetenz in den Geschäftsleitungen von Banken immer noch unzureichend ist. Die Zukunft erfordert mehr technologischen Scharfsinn».

Mit der technischen Innovation kommen auch neue Arbeitsweisen. Sowohl die UBS als auch die Credit Suisse setzen auf agile Arbeitsmethoden, was für traditionell stark hierarchisch geprägte Institute einige kulturelle Herausforderungen mit sich bringt.

Vereinfacht gesagt handelt es sich bei einem agilen Prozess um einen eher iterativen Ansatz für Projekte, der auf Veränderungen reagiert, anstatt einem strikten Pfad zu folgen. Dies steht im Gegensatz zur Wasserfall-Methode, die darauf abzielt, Projekte Schritt für Schritt abzuarbeiten, und der als weniger flexibel gilt als agile Methoden.

UBS-CEO Ralph Hamers ist ein bekennender «Agile-Fan», so sehr, dass die Bank ein neues Arbeitsmodell unter dem Namen «Agile@UBS» lanciert hat.

Brunier sagt, dass bei der Einführung von Agile ein kultureller Wandel notwendig sei, nicht nur auf operativer Ebene, sondern auch auf der Ebene der Führungskräfte. Sie seien es bisher gewohnt, die Kontrolle zu haben, und den Ertrag für ein bestimmtes Budget und einen bestimmten Zeitraum messen zu können. «Eine agile Arbeitsweise erfordert einen Kulturwandel, da man nicht mehr die Nachfrage, sondern die Kapazität steuert», fügte er hinzu.

Er warnte jedoch davor, dass sich die agile Methode als kostspieliger erweisen kann als ein Wasserfall-Ansatz, wenn er nicht richtig durchgeführt und von der Führung unterstützt wird.

In einer sich wandelnden Welt sei es wichtig, einen flexiblen Ansatz zu verfolgen, den Hamers nachdrücklich befürwortet hat. Der Einsatz von Agile würde eher zu einem Abenteuer als zum Folgen eines ausgetretenen Pfades.

Aber nicht immer mache dieser Ansatz Sinn. «Warum sollte man agil vorgehen, wenn man genau weiss, was man will und sich über das Ergebnis im Klaren ist? Es gibt keinen Grund, agil zu arbeiten, wenn man das Ziel kennt und weiss, wie man es erreichen kann», so Brunier.

Digitale Transformation

Es wurde viel über die digitale Transformation der traditionellen Banken und durch die wendigen Start-Ups diskutiert, die auf den Markt drängen und das traditionelle Bankwesen herausfordern. Meistens wird die Ansicht vertreten, dass die Banken zwar etwas schwerfällig sind, aber über einen etablierten und treuen Kundenstamm verfügen, während die wendigeren Fintechs die coolen neuen Trendsetter auf dem Markt sind.

Die traditionellen Banken erkannten das Potenzial und stürzten sich auf die digitale Welt. Jetzt scheinen beide Seiten voneinander zu lernen.

«Einige Banken haben sich in der digitalen Welt zu weit aus dem Fenster gelehnt. Jetzt stellen sie ihre Kunden wieder in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen», so Brunier. «Gleichzeitig beginnen einige der zuvor rein digitalen Fintechs nun damit, Filialen, Büros und Callcenter-Strukturen aufzubauen.»

Für Brunier ist das menschliche Element im Bankwesen nach wie vor sehr wichtig, insbesondere angesichts der turbulenten Zeiten, welche die Finanzmärkte derzeit durchleben. «Solange die Märkte so instabil sind, besteht ein grösserer Bedarf an menschlicher Interaktion, denn ein Roboter ist möglicherweise nicht in der Lage, Sie bei der Szenarienplanung zu beraten», sagte er.

Metaverse als neuer Kundenzugang

Ein weiterer Bereich, in dem sich Banken und Finanzdienstleister engagieren, ist das Metaverse. Im Zusammenhang mit einer kürzlich erfolgten Produkteinführung sagte Brunier, die Resonanz sei «phänomenal, denn endlich haben wir die Technologie, die eine echte, interaktive, multidimensionale Umgebung ermöglicht. Wenn man es richtig anstellt und die richtigen Investitionen tätigt, kann es wirklich attraktiv sein.»

Risiken und Herausforderungen

Sicherlich gibt es Risiken, die mit einer solch grundlegenden Veränderung in der Art und Weise, wie ein Unternehmen die Cloud-Technologie einsetzt, einhergehen, ganz zu schweigen von Cybersicherheitsrisiken. Aber die Cloud selbst ist nicht das Problem.

«Es gibt weiterhin Fragen zu Unternehmens-, Regulierungs- und Reputationsrisiken, aber die Regulierungsbehörden sind offen für Cloud-Architekturen. Das Risiko liegt nicht so sehr in der Technologie selbst. Es ist eher eine Frage der Architektur und der Verwaltung», sagte er.

Nach Angaben des Bundesamts für Statistik wurden im vergangenen Jahr über 30'000 Straftaten mit digitalem Hintergrund registriert, was einem Anstieg von 24 Prozent gegenüber 2020 entspricht. Das Swiss Cyber Institute hat Anfang des Jahres festgestellt, dass sich die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Aufgaben erledigen, stark verändert und sich zunehmend auf die Digitalisierung und die Cloud verlagert.

«Es ist kein Geheimnis, dass sich die Cybersicherheitslandschaft bis 2022 und in den kommenden Jahren weiter entwickeln wird und Cyberangriffe immer unerbittlicher werden. Eines ist also klar: Das Tempo des Wandels im Bereich der Cybersicherheit wird rasant sein», so die Einschätzung der Behörde.

Brunier stimmte dem zu. Was früher vielleicht nur die Domäne der IT-Abteilung war, müsse angesichts der zunehmenden Angriffe breiter gedacht werden. «Cybersecurity ist nicht etwas, das in der Technologieabteilung einer Bank stattfindet. Sie wird zu einem für den gesamte Geschäftsleitung relevanten Thema», sagte er.