Die Kultur in Unternehmen spielt eine wichtige Rolle bei der Sensibilisierung für LGBTQ+-Themen. Paul Donovan, Chefökonom der globalen Vermögensverwaltung von UBS, spricht in einem Interview über seine Erfahrungen in der Finanzbranche.
In den vergangenen Jahren hat eine Reihe von Ländern gleichgeschlechtliche Ehen ermöglicht, so etwa auch die Schweiz. Dadurch habe auch der sozialen Status der LGBTQ+-Gemeinschaft einen Schub bekommen, sagt Paul Donovan (Bild unten), Chefökonom der globalen Vermögensverwaltung der UBS, in einem Interview mit dem britischen Branchenportal «Citywire».
Das sei zwar eine gute Sache, bedeute aber auch, dass die Gruppe der Schwulen, Lesben und Transmenschen Gefahr laufe, im gegenwärtigen unsicheren Wirtschaftsklima als Sündenbock herhalten zu müssen.
(Bild: Linkedin)
Dafür gebe es auch eine sozio-ökonomische Erklärung. Eine Gruppe, deren sozialer Status aufgrund struktureller oder wirtschaftlicher Veränderungen gesunken ist, mache leicht andere Gruppen, deren Status gestiegen ist, für ihren Niedergang verantwortlich, sagte er. Auch Unternehmen würden eine Verantwortung dafür tragen, dass dies nicht geschieht.
Eine Frage der Kultur
Die meisten Menschen seien in Unternehmen beschäftigt und so werde die am Arbeitsplatz gelebte Kultur oft in das private gesellschaftliche Leben hinausgetragen und die Denkweise der Gesellschaft prägen, so Donovan. Das sei der Grund, warum Unternehmen bei solchen Themen nicht neutral sein können. Im Gegenteil, ihre LGBTQ+ Integrationsbemühungen müssen über das «Regenbogenglitzern im Juni» hinausgehen, sagte er weiter.
Donovan verwies auf die Teilnahme von UBS-CEO Ralph Hamers an der Zurich Pride Parade in Zürich Mitte Juni als ein Paradebeispiel für Unternehmensführung, als er seine Mitarbeitenden an dem Anlass begleitete, ihnen zuhörte und von ihren Erfahrungen innerhalb und ausserhalb der Arbeit lernte.
Das «S» aus ESG
Darüber hinaus werden sich die Anleger stärker auf Inklusion und Diversität konzentrieren, da das «S», die soziale Komponente, bei ESG stärker in den Mittelpunkt rückt. Laut Donovan ist das derzeitige Bewusstsein für die sozialen Belange in der Finanzbranche derzeit vergleichbar mit dem Stand der ökologischen Nachhaltigkeit vor 15 Jahren.
Dennoch sieht er Vielfalt und Integration als wichtige Faktoren bei der Verbesserung der Effizienz. Das könne dabei helfen die richtigen Leute mit den passenden Fähigkeiten an die richtigen Stellen zu bringen.
Der völlige Ausschluss von Unternehmen, die in queer-feindlichen Ländern und Gerichtsbarkeiten tätig sind, sei aber nicht unbedingt der geeignete Weg, um das Leben der Betroffenen zu verbessern. Investoren können jedoch prüfen, ob Unternehmen über interne Unterstützungs- oder Netzwerke für die LGBTQ+-Gemeinschaft verfügen, sagte er.
Seltene Coming-Outs
Die Sichtbarkeit könne jedoch ein Problem sein, wenn es um die Daten geht. Sexualität sei zutiefst persönlich, und die Einzelperson würde eher dazu neigen, eine abweichende Sexualität gegenüber der Familie zu verbergen. Das sei bei der Sexualität stärker als bei Merkmalen wie etwa Religion, ethnische Zugehörigkeit oder Geschlecht, sagte er.
Dieser Mangel an Sichtbarkeit spiegele sich in dem Anteil der Top-Führungskräfte wider, die offen «queer» sind. Er liege bei etwa 0,5 Prozent und nicht bei 10 Prozent, was dem Anteil in der breiteren Gesellschaft entsprechen würde.
Trotz dieser Diskrepanz hätten die Unternehmen in der Finanzbranche im Grossen und Ganzen grosse Fortschritte bei der Förderung von LGBTQ+-Themen gemacht, so Donovan. Eine Entwicklung, die durch die überwiegend gut ausgebildeten, kosmopolitischen und urbanen Mitarbeiter begünstigt werde, fügte er hinzu.