Nur ein Bruchteil der unanbhängigen Vermögensverwalter hat bisher die vorgeschriebene neue Lizenz erlangt. Bei der Finanzaufsicht mahnt nun der zuständige Leiter Philip Hinsen ultimativ zur Eile. Ende Jahr werde die Finma keine andere Wahl haben, als fehlende Bewilligungen zur Anzeige zu bringen, sagt er zu finews.ch.

 


Herr Hinsen, rund 2’500 unabhängige Vermögensverwalter müssen sich bis Ende Jahr von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma lizenzieren lassen. Wie viele haben dies bis heute getan?

Wir haben bisher rund 450 Gesuche überstellt erhalten; auf dieser Basis haben wir bis jetzt rund 280 Bewilligungen erteilt.

Das heisst: sieben Monate vor dem Stichtag ist erst einer von zehn Schweizer Vermögensverwaltern bewilligt?

Wir stellen fest, dass die Bewilligungen relativ rasch erteilt werden können und dass die Aufsichtsorganisationen vorbereitend einen guten Job machen. Das erleichtert unsere Arbeit.

«Wir halten fest: the time to act is now»

Aber auch wir merken: Es sind weniger Gesuche eingegangen, als zum jetzigen Zeitpunkt hätte erwartet werden können.

Das ist möglicherweise ein Understatement. Anfang Mai hat die Finma Alarm geschlagen – schon zum zweiten Mal in der Sache. Wer bis am 30. Juni sein Gesuch nicht eingereicht habe, riskiere, zu spät zu kommen, mahnte die Aufsicht. Wurden Sie damit gehört?

Wir sehen bisher keine nennenswerte Zunahme an Gesuchen. Aber das ist ja erst zwei Wochen her. Wir halten fest: the time to act is now – alle Vermögensverwalter, die nach dem Stichtag ihr Geschäft weiter legal betreiben wollen, müssen sich jetzt mit der Bewilligung auseinandersetzen. Wer das nicht tut, riskiert, selbstverschuldet die Fristen nicht einhalten zu können.

Das klingt wie eine Drohung...

Wir wollen die unterstellten Vermögensverwalter primär unterstützen. Die Frist erstrecken können wir jedoch nur im Einzelfall. Und dies auch nur dann, wenn die jeweiligen Institute ihre Hausaufgaben gemacht haben. Der Gesetzgeber hat die Termine klar gesetzt und mit drei Jahren eine grosszügige Übergangsfrist gewährt. Ende Jahr wird die Finma keine andere Wahl haben, als fehlende Bewilligungen zur Anzeige zu bringen und gegen unerlaubt Tätige vorzugehen.

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Philip Hinsen (Bild: Finma)

Und trotzdem scheinen die Vermögensverwalter das Prozedere scheinbar auf die leichte Schulter zu nehmen.

Das glaube ich nicht. Wir sensibilisieren die Branche nun schon seit längerer Zeit bezüglich der neuen Anforderungen und stehen im intensiven Austausch. Wir wissen von rund 400 Instituten, die sich nicht unterstellen lassen wollen und die Unternehmenstätigkeit einstellen.

«Einen Flaschenhals per se sehe ich nicht»

Wie gesagt, die rechtliche Ausgangslage ist klar und bekannt.

Sie könnten ab 2023 ein Zertifikat ausstellen, dass den einzelnen Vermögensverwalter bescheinigt, dass sie sich noch im Bewilligungsverfahren befinden, oder?

Das ist so vorgesehen: Bis Ende 2022 muss bei der Finma das Gesuch eingereicht sein. Während dem Bewilligungsverfahren, das möglicherweise noch bis ins 2023 läuft, kann die Tätigkeit legal weitergeführt werden. Für den Erhalt des Gesuchs stellt die Finma eine entsprechende Bescheinigung aus, die auch gegenüber den Depotbanken verwendet werden kann.

Dann bricht im Juni also Panik unter den Vermögensverwaltern aus – oder eben doch nicht?

Das hoffe ich nicht. Aber wer die Bewilligung jetzt nicht anpackt, geht das Risiko einer allfällig verspäteten Eingabe ein.

Und danach? Wo ist der Flaschenhals im Prozedere?

Sowohl auf die Marktteilnehmer wie auch die Aufsichtsorganisationen und die Finma kommt eine anspruchsvolle Zeit zu. Einen Flaschenhals per se sehe ich aber nicht. Das Bewilligungsverfahren hat sich bereits gut eingespielt, und wir können zur Not Personal aufstocken.

Angesichts der jetzigen Zahlen sieht es aber danach aus, als würde ein grosser Teil der Vermögensverwalter nach dem Stichtag in unreguliertem Zustand verbleiben. Das kann doch nicht der Wille des Gesetzgebers sein. Muss der Bundesrat bei der Verordnung am Zeug flicken?

Grundsätzlich gilt es zu bedenken: Der Gesetzgeber hat bereits eine grosszügige Übergangsfrist eingeräumt.

«Neben Zusammenschlüssen und Geschäftsaufgaben rechnen wir auch mit Neugründungen.»

Es gibt keine besonderen Umstände oder Gründe, die nun eine Fristerstreckung nötig machen würden, mit einer Verschiebung des Stichtags wäre das von Ihnen angesprochene Problem auch nicht aufgehoben, sondern aufgeschoben.

Der Vorwurf ist wohl nicht weit, dass da eine erfolgreiche Branche von Finanz-KMU zu Tode reguliert wird.

Es gibt in der Branche auch eine ganz andere Sichtweise. Der Verband Schweizerischer Vermögensverwalter etwa unterstützt die Bewilligung, weil diese als Gütesiegel für die einzelnen Institute funktioniert. Ich bin davon bezeugt, dass die Branche von der neuen Beaufsichtigung profitieren wird und dadurch an Wettbewerbsfähigkeit und Ansehen gewinnt.

Indes, 400 Vermögensverwalter haben bereits das Handtuch geworfen, eine Studie geht davon aus, dass mittelfristig jeder dritte Anbieter in der Schweiz verschwindet. Was halten Sie von solchen Projektionen?

Es wird interessant zu beobachten sein, ob und wie sich die Branche konsolidieren wird. Ende Jahr werden wir sehen, wie viele Institute überhaupt ein Gesuch eingereicht haben, und wir werden unsere Erfahrungen aus den Bewilligungsverfahren auswerten können. Neben Zusammenschlüssen und Geschäftsaufgaben rechnen wir auch mit Neugründungen. Allerdings müssen Kundenberaterinnen und Kundenberater, die sich selbstständig machen, künftig das Bewilligungsverfahren durchlaufen.

Das war früher für so manchen Banker der goldene Ausweg. Ist der Wechsel vom Banking in die Vermögensverwaltung in Zukunft überhaupt noch zu schaffen?

Es wird diese neue Markteintritts-Hürde geben, aber wir sehen bereits heute, dass auch kleine Institute das Bewilligungsverfahren erfolgreich durchlaufen können. Wer bereit ist für den Wechsel, der wird das auch schaffen. Insofern bleibt diese Möglichkeit eines Wechsels weiterhin bestehen.


Philip Hinsen leitet seit dem 1. Februar 2022 interimistisch den Geschäftsbereich Asset Management der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma). Seit 2014 leitete er die Abteilung Bewilligungen des Geschäftsbereich Asset Management. In dieser Funktion war der der 36-jährige Jurist unter anderem für die Bewilligungen im Bereich der institutionellen Vermögensverwaltung sowie die Produktgenehmigungen verantwortlich und arbeitete an nationalen und internationalen Regulierungsprojekten mit.