Dass Unicredit-CEO Andrea Orcel Appetit auf eine Expansion in Europa hat, ist kein Geheimnis. Nur einen passenden Partner zu finden, fällt dem ehemaligen UBS-Manager schwer. Zu einem allfälligen Wechsel zur Credit Suisse hat er eine feste Meinung.
«Unicredit wurde mit einer Vision gegründet, und die Vision war, die Bank für Europa zu sein», sagte deren CEO Andea Orcel in einem Interview mit «Bloomberg TV». «Wenn es einen Silberstreif am Horizont gibt in der Tragödie, die wir mit Russland und der Ukraine erleben, dann ist es die Tatsache, dass Europa enger zusammenrückt.»
Die italienische Grossbank Unicredit ist nach den Worten ihres Chefs mit einer Präsenz in 13 Ländern einzigartig positioniert, um von den engeren Finanzbeziehungen in der EU zu profitieren. «Wir wollen unsere Position in unserem Einzugsgebiet stärken», erklärte der gebürtige Italiener Orcel, der bis ins Jahr 2018 das Investmentbanking der UBS lenkte.
«Wenn wir Akquisitionen finden, die strategisch sinnvoll sind, unsere Position stärken, unsere Pläne in den einzelnen Ländern oder Kundensegmenten beschleunigen und die zu attraktiven Bedingungen getätigt werden können, werden wir sie tätigen», so Orcel.
Fusionsgerüchte Richtung Commerzbank
Unicredit war mit der Übernahme der in Schwierigkeiten geratenen italienischen Banca Monte dei Paschi di Siena gescheitert. Zudem hatte es Spekulationen um die konkurrierenden Banco BPM gegeben.
Zudem sollen Unicredit und die deutsche Commerzbank zu Beginn des Jahres kurz vor Fusionsgesprächen gestanden haben. Die Pläne seien dann aber durch den Beginn des Ukraine-Krieges aus der Bahn geworfen worden, wie die britische Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) an Dienstag unter Berufung auf Kreise berichtete.
Demnach seien Gespräche über eine Fusion der deutschen Unicredit-Tochter Hypovereinsbank mit Commerzbank-Chef Manfred Knof geplant gewesen. Bei einer Fusion hätte so das zweitgrösste deutsche Finanzinstitut mit einer Bilanzsumme von 785 Milliarden Euro, 1’000 Filialen und 48’000 Mitarbeitenden entstehen können.
Spekulationen um die Credit Suisse
Und die Credit Suisse (CS)? Die nach Kursverlusten von 26 Prozent allein in diesem Jahr sehr günstig bewertete Grossbank wäre eigentlich ein Schnäppchen für Konkurrenten. Enstprechend ranken sich Übernahme-Spekulationen um das Institut, bei denen zuweilen auch der Name Unicredit fiel. finews.ch hat eine mögliche Fusion zwischen den beiden Instituten sogar durchgerechnet.
Gegenüber «Bloomberg» zeigte Orcel nun aber kein grosses Interesse an den Schweizern, nicht einmal am Top-Posten bei der zweitgrössten Schweizer Bank. Auf die Frage, ob ihn eine Zukunft als CEO der CS reizen würde, antwortete Orcel knapp: «Ich liebe Unicredit zu sehr».
«Ich mag stressig»
Sein erstes Jahr bei dem italienischen Finanzkonzern nannte Orcel in dem Interview «hervorragend» und «stressig, aber ich mag stressig».
Wie die Agentur zuvor berichtet hatte, stehe Unicredit in Vorgesprächen über den Verkauf ihrer russischen Einheit. «Diese Optionen werden sehr stark von der nächsten Welle von Sanktionen beeinflusst, davon, wer die Gegenparteien sind, was wir tun können und was nicht», sagte Orcel. «Und gleichzeitig sollten wir nicht vergessen, dass wir 4’000 Mitarbeitende in Russland haben.»
Der CEO schloss jedoch aus, dass ein Ausstieg aus dem Russlandgeschäft im schlimmsten Fall zu einer zusätzlichen Kapitalbelastung führen könnte. Unicredit hatte im ersten Quartal bereits Rückstellungen und Wertberichtigungen in Höhe von fast 2 Milliarden Euro vorgenommen. «Wir dürfen nicht vergessen, dass sich 95 Prozent der Bank nicht in Russland befinden. Und wir dürfen nicht den Fehler machen, uns die ganze Zeit auf Russland zu konzentrieren.»
Mental mit Santander abgeschlossen
Zu seinem Millionen-teuren Rechtsstreit mit der spanischen Grossbank Santander kommentierte Orcel: «Ich werde es immer bereuen, wie das gelaufen ist», sagte er. «Für mich ging es mehr darum, die Wahrheit zu belegen». Mental habe er das bereits abgeschlossen – auch wenn die Auseinandersetzung noch nicht abgeschlossen ist.