Die Luft ist dünner geworden für die Schweizer Fintechs im Vorsorge-Bereich. Das St. Galler Startup PSS hat jedoch eine Nische gefunden, die nur auf den ersten Blick langweilig erscheint.
Die Aufbruchsstimmung ist verflogen. Vergangenen November musste die Säule-3a-App Freya aufgeben, wie finews.ch berichtete; Anfang 2022 stellte dann das im gleichen Feld tätige Startup Sparbatze.ch den Betrieb ein. Wie das Fintech gegenüber finews.ch durchblicken liess, erwiesen sich für das Jungunternehmen das Wachstum bei den Kunden und die Finanzierung als Stolperstein. Nun steht die Plattform zum Verkauf.
Das Aus der beiden Mitbewerber hat auch Alain Beyeler wahrgenommen. Er steht dem Wealth-Tech PSS vor, das 2018 als Spinoff an der Universität St. Gallen (HSG) lanciert wurde und mittlerweile auch ein Büro in Zürich unterhält. Damit fällt auch die Gründung PSS in die Boom-Phase, welche verschiedene Vorsorge-Fintechs just vor der Corona-Krise hierzulande erlebten.
Grössere Tickets für die St. Galler
Neben Banken-Apps wie Frankly der Zürcher Kantonalbank halten sich diverse Mitbewerber im Rennen, so Descartes Finance, True Wealth, Selma Finance oder die 3a-Pionier-App Viac.
Beyeler durchlebt derzeit keine schlaflosen Nächte, denn PSS unterscheidet sich gleich in mehreren Belangen wesentlich von der Konkurrenz. So konzentriert sich das Unternehmen, das erst seit 2021 voll am Markt ist, ganz auf die Thematik des Kapitalbezugs in der 2. Säule. Kundinnen und Kunden sind also über 55-Jährige, die ihre gesamten Pensionskassen-Guthaben auf einmal beziehen wollen. Ein Kunde bringt so schnell einmal 200’000 bis 300’000 Franken zu PSS, wenn er sich für die Dienste des St. Galler Wealth-Techs entscheidet.
Was beim Publikum verfängt
Zu Anzahl Kunden und verwalteten Vermögen will Beyeler – einst als Fondsmanager bei GAM sowie für die Grossbanken Credit Suisse und UBS tätig – keine Angaben. Hinsichtlich der Volumen ist der CEO aber recht entspannt. «Weil PSS mit relativ substanziellen Vermögen arbeitet, ist das Unternehmen nicht auf eine rasante Ausweitung der Kundenbasis angewiesen», sagt er zu finews.ch. Schnelles Wachstum und ein lukrativer Exit sind denn auch nicht das Ziel dieser Fintech-Entrepreneure. «Wir wollen ein Geschäft aufbauen und dieses langfristig betreiben», erklärt Beyeler.
Dies, indem das Startup weitere Pensionskassen-Gelder aus Kapitalbezug entgegennimmt und diese wiederum in Fonds angelegt, die auch Pensionskassen nutzen. «Clever anlegen wie eine Schweizer Pensionskasse», heisst der Slogan von PSS. Das ist nicht gerade ein Werbe-Knüller, verfängt aber beim Publikum, das die St. Galler ansprechen wollen. «Diese Kunden sind dem Schweizer Affluent-Segment zuzurechnen und zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich mit ihrem Rentenvermögen keine Abenteuer leisten wollen», erklärt der CEO.
Jedes Jahr weitere 8 Milliarden Franken
Die Kapitalbezüge in der Beruflichen Vorsorge sind in der Schweiz ein Trend, dem noch immer etwas von einem Geheimtipp anhaftet. Die Bezüge haben in den veergangenen Jahren rasant zugenommen; dies vor allem in Zusammenhang mit den sinkenden Umwandlungssätzen. Mit Blick auf die Zukunft würden auch die Inflation und die Begrenzung des maximalen Altersguthabens als Treiber an Bedeutung gewinnen, gibt Beyeler zu bedenken. «Unseren Schätzungen zufolge gelangen so jedes Jahr rund 8 Milliarden Franken Vermögen neu in den Markt.»
PSS präsentiert sich diesen Vermögen gegenüber als dritte Kraft – neben den Pensionskassen und Banken. Ziel sei es, so der CEO, die disziplinierte und kosteneffiziente Weise des institutionellen Investierens für Privatpersonen zugänglich zu machen. Das Wealth-Tech bietet keine eigenen Produkte an und verspricht bei den verwendeten Anlagen eine tägliche Liquidität. Auf der Gebührenseite wird eine Pauschale verrechnet.
Dies alles geschieht via einer webbasierten Lösung digital, hybrid oder mit hohem Beratungsanteil: In letzterem Fall arbeitet das Startup mit Vermögensberatern und Finanzplanern zusammen. Das digitale Know-how der Kunden sei aber überraschend hoch, weiss Beyeler zu berichten.
Pipelin an Pensionskassen
Mit Private Banking und Modethemen habe man beim Startup nichts am Hut, versichert der Finanzprofi. «Das Investieren nach BVG-Richtlinien mag wenig sexy sein.» Es verspreche aber, die wesentlichen Renditen am Markt nicht zu verpassen und in Abwärts-Phasen einigermassen geschützt zu sein.
Entsprechend arbeite das Jungunternehmen eng mit Pensionskassen, die Versicherte mit Wunsch zum Kapitalbezug zuweilen gleich an das Startup verweisen. Partnerschaften bestehen laut Beyeler bereits mit der Spida Personalvorsorgestiftung, der PAT-BVG Personalvorsorgestiftung und der ASGA Pensionskasse. «Dieses Jahr haben wir gegen zehn weitere Vorsorgewerke in der Pipeline, mit denen wir in Verhandlungen stehen», sagt der PSS-Chef. Gut möglich, dass der Nischenplayer in den nächsten Monaten deutlich mehr ins Rampenlicht rückt.