Bei Berufseinsteigern im Asset Management weicht das Wettbewerbsdenken vermehrt der Frage nach dem Sinn, sagt Björn Jesch zu finews.ch. Der Chef der Schweizer Niederlassung des deutschen Fondhauses DWS hat dabei klare Führungsprinzipien und Ansprüche an die Schweizer Branche.


Herr Jesch, Sie sind praktisch Ihr ganzes Berufsleben im Anlagegeschäft tätig. Was fasziniert Sie immer wieder von Neuem an den Finanzmärkten?

Kein Tag gleicht dem anderen, das macht einen Grossteil der Faszination des Kapitalmarkts aus. Es gibt keine festen Regeln, nach denen Kapitalmärkte funktionieren. Jeder Tag muss neu bewertet werden, und vor allem müssen immer wieder weitreichende Entscheidungen getroffen werden. Künstliche Intelligenz kann mittels Deep Learning zwar Spiele wie Schach oder Go gewinnen. Die Kapitalmärkte und damit auch das Asset Management bleiben letztlich aber eine menschliche Domäne.

Allerdings wird die Künstliche Intelligenz zu einem vielfältig nutzbaren Instrument des Menschen im Asset Management werden. Genauso spannend ist es, die von Technologie getriebenen Entwicklungen in den Bereichen Krypto und Tokenisierung zu verfolgen und mit zu gestalten.

Was bereitet Ihnen im Berufsalltag die grösste Befriedigung?

Ich glaube, dass die beiden hinter uns liegenden Jahre der Pandemie die Einstellung der jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unserer Branche verändert haben. War bislang vor allem der Reiz des Wettbewerbs ein Grund für viele junge Menschen, in der Finanzindustrie zu arbeiten, steht jetzt zunehmend die Frage nach dem Sinn des eigenen Tuns im Vordergrund.

«Der Misserfolg ist bekanntermassen ein Waisenkind»

Das stellt auch ganz neue Anforderungen an uns als Führungskräfte. Daher freut es mich sehr, wenn ich mit meinem Erfahrungsschatz dazu beitragen kann, diesen Sinn zu vermitteln. Und noch zufriedener macht es mich, wenn ich später sehe, wie diese Kolleginnen und Kollegen Karriere machen.

Haben Sie Führungsprinzipien, die Sie hier mitteilen können?

Stärken stärken. Ich habe in meiner Karriere gelernt, dass es viele Dinge gibt, die man an sich selbst verbessern kann. Noch wichtiger ist es aber, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu befähigen. Sie sollen auf ihre Stärken vertrauen. Nur an der Beseitigung von Schwächen zu arbeiten oder darüber zu sprechen, bringt wenig.

Was sind im Asset Management jeweils die schwierigsten Entscheidungen, die Sie treffen müssen?

Es gibt eine Vielzahl von Entscheidungen, die schwierig zu fällen sind. In die Zukunft zu schauen und zu antizipieren, wie sich gewisse Vermögenswerte absolut und relativ entwickeln werden, das zählt zu den komplexeren Entscheidungsprozessen. Und die Komplexität ist dabei nur ein Faktor, der mit der eigenen Stärke einhergehen muss, das Ergebnis der Analyse auch umzusetzen. Denn der Erfolg hat immer viele Väter, und der Misserfolg ist bekanntermassen ein Waisenkind.

Was würden Sie heute Berufseinsteigern im Asset Management oder Ihrem jüngeren Selbst empfehlen?

Sich nicht zu früh zu spezialisieren und offen für Neues zu bleiben. Denn wie gesagt: die Kapitalmärkte kennen keine festen Regeln.

«Mein Berufsalltag ist anstrengend, aber nicht ermüdend»

Wer hätte etwa gedacht, dass in Multi-Asset-Portfolios die Diversifikation zwischen Aktien und Anleihen plötzlich nicht mehr wie gewohnt funktioniert und welch grosse Bedeutung Alternatives und thematischen Investments zukommen würde. Es gilt, am Ball zu bleiben, über den Tellerrand hinauszublicken und einmal Gelerntes immer wieder zu hinterfragen.

Was möchten Sie in Ihrer professionellen Karriere noch erreichen?

Ich bin sehr zufrieden mit meiner Karriere. Junge Menschen auf dem Weg zum beruflichen Erfolg zu unterstützen, das erfüllt mich. Ausserdem möchte ich weiter dazu beitragen, die Aktienkultur zu stärken. Auch wenn diese in der Schweiz schon wesentlich ausgeprägter als in Deutschland ist, lässt sich auch hierzulande das Bewusstsein für die Bedeutung einer Beteiligung am Produktivkapital noch erhöhen.

Wo finden Sie einen Ausgleich zum anstrengenden Berufsalltag?

Mein Berufsalltag ist zwar anstrengend, aber nicht ermüdend, da meine drei Funktionen als CEO von DWS Schweiz, Global Head of Multi Asset & Solutions und CIO für die EMEA-Region für immer neue Herausforderungen und Abwechslung sorgen.

Es ist unabdingbar, dass man die Asset-Management-Kompetenz auch vor Ort umsetzt»

Wenn ich aber einmal abschalten und Kraft tanken möchte, dann bin ich in der Natur unterwegs, entweder zu Fuss oder auf dem Fahrrad. Ich habe schon als kleiner Junge die Berge geliebt. Manchmal fliegt mir auf solchen Ausflügen sogar noch die eine oder andere gute Idee zu. Und selbstverständlich fängt mich meine grossartige Familie nach einem hektischen Arbeitstag auf und gibt mir den schönsten Ausgleich.

Sie haben es gesagt: eine Ihrer Funktionen ist die des CEO der DWS CH AG. Wie wichtig ist Ihnen diese Rechtseinheit in der Schweiz?

Sehr wichtig, denn langfristigen Erfolg kann man in der Schweiz nur haben, wenn man keine halben Sachen macht. Dazu zählt in erster Linie natürlich eine eigene Rechtseinheit wie die Aktiengesellschaft. Darüber hinaus braucht es aber auch ein starkes Team aus kompetenten und erfahrenen Profis, die Bedürfnisse und Präferenzen der lokalen Kunden verstehen und erfüllen können. Und schliesslich halte ich es für unabdingbar, dass man die eigene Asset-Management-Kompetenz auch vor Ort umsetzt, wie wir es mit unserem lokalen Fondsmanagement in Zürich etwa bei massgeschneiderten Mandatslösungen für institutionelle Kunden tun.

Nennen Sie drei Massnahmen, um den Schweizer Standort für Asset Management noch wettbewerbsfähiger zu machen?

Erstens gilt es, die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts durch einen international wettbewerbsfähigen Rechtsrahmen zu garantieren. Zweitens sollte der Schweizer Finanzplatz eine führende Rolle bei nachhaltigen Anlagen einnehmen, und drittens den Zugang zu den internationalen Märkten sichern und die Innovationskraft fördern.


Björn Jesch ist CEO von DWS Schweiz, Global Head Multi Asset & Solutions, CIO EMEA mit Sitz in Zürich. Er kehrte 2020 mit 26 Jahren Branchenerfahrung zum Unternehmen zurück. Zuvor war Bjoern als Global Head of Investment Management bei der Credit Suisse tätig. Zuvor wirkte er als CIO & Head of Portfolio Management bei Union Investment.

Dieser Beitrag erscheint in Zusammenarbeit mit der Asset Management Association Switzerland.