Die oberste Sustainability-Verantwortliche im Management der Credit Suisse geht. Ihr ist kaum Zeit geblieben, bei der Bank eine nachhaltige Wirkung zu entfachen.
Im vergangenen Monat stand Lydie Hudson noch auf der Bühne neben Prinz Charles, der ihr einen «Siegel» überreichte – als Dankeschön für das Engagement der Credit Suisse (CS) im Sinne der Nachhaltigkeit-Charta Terra Carta, die der britische Thronfolger unterstützt.
Hochrangige Banker wie Brian Moynihan, der Präsident der Bank of America, und Santander-Präsidentin Ana Botín lächelten bei dem Anlass (Bild unten) um die Wette.
(Bild: LinkedIn)
Anders als die Konkurrenten
Ein nächstes solches Gruppenbild wird ohne die CS-Managerin auskommen müssen. Letzte Woche ging Hudson bei der Schweizer Bank ab. Formell wird sie nun noch bis Ende des ersten Quartals 2022 bei der Bank beschäftigt bleiben. Der von ihr angeführte Nachhaltigkeit-Vorstoss wird nach etwas weniger als anderthalb Jahren bereits in eine neue Richtung gelenkt.
Das Engagement der zweitgrössten Schweizer Bank hob sich insofern von den Bestrebungen der meisten Konkurrenten ab, als dass die CS mit Hudson tatsächlich eine «Sustainability»-Verantwortliche in die oberste Geschäftsleitung holte. Mit der Ernennung kündigte die Bank an, das Volumen an nachhaltiger Finanzierung bis zum Jahr 2030 auf rund 300 Milliarden Schweizer Franken zu steigern. «Die grüne Credit Suisse meint es ernst», titelte finews.ch damals.
Die im Sommer 2020 neu geschaffene Sparte für Nachhaltigkeit, Research und Anlagelösungen (SRI), an deren Spitze die Amerikanerin wirkt, wird es nun aber in dieser Form ab nächstem Jahr nicht mehr geben.
Hundertschaften suchen neue Heimat
260 Analysten im Wertpapier-Research, mehr als 800 Ökonomen, Produktspezialisten und andere Mitarbeitende im Bereich Anlagelösungen und Produkte, ausserdem ein Team für Nachhaltigkeit-Strategie, -beratung und -finanzierung unter der Leitung der ehemaligen Investmentbankerin Marisa Drew: Sie alle werden nun innerhalb der Bank eine neue Heimat finden müssen.
Seitens der CS heisst es zwar, dass die Nachhaltigkeit weiterhin eine Schlüsselrolle spiele, insbesondere im Private Banking. Doch auch dieses wird nun kräftig umgebaut: Mit dem neuen Wealth Management entsteht eine Superdivision unter dem eben frisch angekündigten Chef Francesco De Ferrari (Bild oben).
Eine ruhigere Agenda
«Die Nachhaltigkeit-Agenda wird wichtig bleiben, aber es wird viel ruhiger um sie herum werden», sagt eine mit der Reorganisation vertraute Person. Das Ende des SRI-Jobs, den Hudson im vergangenen Juli erhalten hat, trägt die Handschrift des Verwaltungsrats der Credit Suisse, so diese Person.
Dies könnte darauf hindeuten, dass Iris Bohnet, eine Harvard-Professorin, die den Vorsitz des Nachhaltigkeits-Ausschusses innehatte, im neu vergrösserten Verwaltungsrat der Bank und unter dem Vorsitz von Präsident António Horta-Osório an Einfluss verloren hat.
Die Sparte SRI jedenfalls verschwindet von der Bildfläche, noch bevor sie nachhaltig eine Wirkung erzeugen konnte. Sie wird damit vorab als eine schöne Geste in Erinnerung bleiben. Die Anlagelösungen und -Produkte der Vermögensverwaltungs-Sparte werden künftig unter De Ferrari angesiedelt sein, während das Research hinüber in die Investmentbank wechselt.
Wohin die Späne fallen
Dieser Schritt – der bedeutet, dass der langjährige Investmentchef Michael Strobaek nun direkten Zugang zu SRI-Ressourcen hat – ist sinnvoll und vermeidet Doppelspurigkeiten, wie Kenner der Bank bemerken. Hingegen ist nicht klar, wo die Nachhaltigkeit-Chefin Drew landen wird. Die Bank gibt dazu nicht weiter Auskunft und wollte sich auch nicht näher zur Reorganisation der SRI-Sparte äussern. Hudson reagierte nicht auf eine Anfrage zur Stellungnahme.
De Ferrari, der aufs neue Jahr hin seinen Dienst Antritt, wird entscheiden, wohin einige der Späne fallen. Der italienisch-schweizerische Bankmanager gilt ebenfalls als ein Verfechter der Nachhaltigen Finanz.
Wie bei der UBS?
Die CS hat noch nicht entschieden, ob sie einen Gruppenleiter für Nachhaltigkeit als Aushängeschild braucht, um all ihre unterschiedlichen Aktivitäten unter einen Hut zu bringen. Die UBS hat dies im vergangenen Jahr getan, indem sie Michael Baldinger mit jener anspruchsvollem Matrix-Aufgabe betraut hat. Huw van Steenis, einst ein bekannter Analyst und ehemaliger Berater der Bank of England, wirkt als direkter Berater von UBS-Chef Ralph Hamers.
Es zeichnet sich jedoch ab: Was vor 17 Monaten bei der Grossbank als laute Fanfare erklang, um das Thema Nachhaltigkeit auf die Tagesordnung der Finanzwelt zu setzen, droht mit Hudson Abgang deutlich leiser zu werden.