Ein Jahr nach dem Vollzug des Brexit haben sich die Befürchtungen für den Londoner Finanzplatz nicht bestätigt. Überraschenderweise hat das die «City» auch dem Coronavirus zu verdanken.
Über die düsteren Szenarien hatte auch finews.ch berichtet. Doch wie sich nun zeigt, ist die Zahl der Finanz-Jobs, die wegen des Brexit von Grossbritannien in die EU verlagert worden sind, deutlich geringer als erwartet. Das ist jedenfalls das Ergebnis des jüngsten «Brexit-Trackers» des Beratungsunternehmens EY.
Dies, obwohl Börsenvolumen in Milliardenhöhe abflossen und London einen grossen Teil seines Zugangs zu den Kapitalmärkten des Kontinents verliert. Mit dem Vollzug des Austritts im vergangenen Dezember endete auch der ungehinderte Zugang der Londoner City zu ihrem bis dahin grössten Exportmarkt für Finanzprodukte.
Achse in Sicht
Dies haben die Briten mit der Schweiz gemein, wo die Finanzdienstleister seit Jahren für einen besseren Marktzugang zum EU-Ausland kämpfen und 2019 auch noch die Börsenäquivalenz verloren ging.
Das hat die rivalisierenden Finanzplätze sinnigerweise näher zusammengeführt. Vergangenen Februar öffneten sie ihren jeweiligen Aktienhandel, wie auch finews.ch berichtete. Bereits nächstes Jahr soll die Achse Schweiz-London in Kraft gesetzt werden.
Aufbau in der EU statt Verlagerung
«Im Laufe des Jahres haben jedoch einige der grössten in Grossbritannien ansässigen Investmentbanken die Zahl der Mitarbeiter, die in die EU verlagert werden sollen, nach unten korrigiert», stellte die Beratungsfirma fest. Dadurch sei die aktuelle Zahl der Brexit-bedingten Arbeitsplatzverlagerungen von 7’600 im Dezember 2020 auf knapp 7’400 gesunken.
Das entspricht nur einem Bruchteil der 1,1 Millionen Menschen, die im britischen Finanzsektor arbeiten.
Demgegenüber wurden in der EU im Zuge des Brexit rund 2’800 neue Mitarbeiter eingestellt. Dadurch sei es nicht nötig geworden, Mitarbeiter aus London zu verlagern. Im Vereinigten Königreich wurden rund 2’200 Arbeitsplätze im Finanzbereich geschaffen, so EY.
1,3 Billionen Pfund verlagert
Die EU-Aufsichtsbehörden würden jedoch weiterhin Druck auf die Finanzunternehmen ausüben, um die durch die Pandemie verzögerten Verlagerungen von Personal und Betriebsabläufen in die EU abzuschliessen, so die Studie weiter.
Demnach sind Dublin und Luxemburg nach dem Brexit die beliebtesten Ziele für neue EU-Drehkreuze, obwohl die meisten Mitarbeiter nach Paris zügeln mussten. Die verlagerten Vermögenswerte werden auf 1,3 Billionen Pfund (1,57 Millionen Franken) beziffert. Viele Finanzdienstleister seien weit davon entfernt, vollständig «post-Brexit» zu sein, heisst es weiter.
Nach dem Brexit-Referendum im Jahr 2016 hatten Beratungsfirmen wie etwa Oliver Wyman geschätzt, das bis zu 35’000 oder mehr Arbeitsplätze im Finanzdienstleistungssektor aus Grossbritannien verlagert werden könnten.