Die Türkei ist für den Schweizer Finanzplatz ein Milliarden-Geschäft. Nicht nur wegen des jüngsten Währungssturzes ist das Business am Bosporus aber delikat geworden.
Wenn der Wert einer Währung zum Dollar innert Tagesfrist um 15 Prozent fällt, sollten Banker hellhörig werden. Im Fall der türkischen Lira sind die Schlagzeilen sowieso nicht mehr zu übersehen: Die Landeswährung ist zum Dollar wie auch zum Euro aktuell auf ein Rekordtief gefallen und hat damit für ein Beben an den Finanzmärkten gesorgt.
Vom Buckel der Zinsen befreien
Der Wertverfall kommt dem Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht ungelegen. Er führt via Währungsabwertung einen «Unabhängigkeitskampf» für die türkische Wirtschaft: Durch immer noch tiefere Zinsen sollen die Exportgüter des Landes wettbewerbsfähiger und die Konjunktur gestützt werden. Erdogan will das Land «vom Buckel der Zinsen» befreien, wie er ausführte. Er hat dazu die Notenbank wiederholt unter Druck gesetzt, durch Lockerungen der Geldpolitik die Währung von einem Tiefststand zum nächsten zu schicken.
Mittlerweile ist die Lira die schwächste Währung zum Dollar weltweit. Beobachter warnen inzwischen vor den Schattenseiten von Erdogans Plan: Die bereits hohe Inflation werde noch angeheizt, zumal die Preise von Importgütern explodieren. Das wird in der Türkei zunehmend zum Politikum. Die Opposition fordert Neuwahlen. Nach einem Treffen mit Erdogan verlas der amtierende Notenbank-Präsident einen Kommentar, dass der jüngste Ausverkauf völlig losgelöst von wirtschaftlichen Fundamentaldaten stattgefunden habe.
Gefragter Hafen
Am Schweizer Finanzplatz, für den die Türkei ein Milliarden-Geschäft ist, dürfte dies wohl nur wenig überzeugt haben. Hiesige Banken drehen sowohl im Geschäft mit türkischen Firmen wie auch mit reichen Unternehmern ein grosses Rad. Wie etwa aus dem Geschäftsbericht UBS hervorgeht, hatte die Grossbank Ende 2020 rund 1 Milliarde Dollar an Krediten von Unternehmen am Bosporus in den Büchern.
Unabhängige Vermögensverwalter wie die Zürcher Firma VT Wealth Management sprechen von einem bis dato florierenden Geschäft. «Der Schweizer Finanzplatz profitiert in der Regel davon, wenn die Herkunftsländer von Kunden instabil sind», sagt CEO Sacha Fedier im Gespräch mit finews.ch. Die Bedeutung der Schweiz als sicherer Hafen habe in den letzten Monaten noch deutlich zugenommen, beobachtet der Finanzprofi. «Dies hat sich auch bei uns in einem schönen Volumen an Neugeldern niedergeschlagen.»
Graue Liste mit Folgen
Doch aus Sicht des Offshore-Finanzplatzes Schweiz hat sich das Geschäft am Bosporus zuletzt verkompliziert. Vergangenen Oktober hat die internationale Institution zur Bekämpfung von Geldwäscherei, die Financial Action Task Force (FATF), die Türkei neu auf ihre «graue Liste» gesetzt. Dies zusammen mit Ländern wie Mali und Jordanien. Die FATF rügte insbesondere die mangelnde Aufsicht über Banken, den Immobiliensektor sowie über den Handel mit Juwelen; ebenfalls tue das Land zu wenig, um die Finanzierung von terroristischen Gruppen zu unterbinden.
Laut Beobachtern dürfte die Massnahme auch mit den Druckversuchen Erdogans auf die Geldpolitik zusammenhängen. Wie die Agentur «Reuters» berichtete, hat das «grey listing» zur Folge, dass sich Finanzdienstleister und ausländische Investoren von Ländern abwenden. Einer Studie des Weltwährunsgfonds zufolge wird das BIP eines so sanktionierten Staates um 7,6 Prozent geschmälert.
Unicredit zieht sich zurück
Tatsächlich hat in der Schweiz die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) die Branche auf die Massnahme aufmerksam gemacht. «Die Finma fordert alle Finanzintermediäre auf, die FATF-Informationen in ihren Risikomanagement-Strategien zu berücksichtigen», mahnte die Behörde. Auf Anfrage erklärte ein Finma-Sprecher, dass die Herkunft von Kunden bei den Geldwäscherei-Abklärungen stets zu berücksichtigen sei. «Geschäftsbeziehungen und Transaktionen mit erhöhten Risiken müssen erfasst und dazu genauere Abklärungen erfolgen. Dies können beispielsweise Geschäftsbeziehungen zu Kunden aus risikobehafteten Ländern oder zu politisch exponierten Personen sein.»
Bei der ausländischen Konkurrenz sind die Dinge bereits in Bewegung geraten. Für einiges Aufsehen sorgte der Entscheid der italienischen Bank Unicredit, ihren Anteil an Yapi Kredi, der Nummer drei im türkischen Banking, ganz zu verkaufen. Allerdings haben die Italiener den Rückzug aus der Türkei schon vor zwei Jahren eingeleitet.
Trotz allem der Heimat verbunden
Die beiden Schweizer Grossbanken halten sich auf Anfrage bedeckt zu ihren Türkei-Engagement. Dem Vernehmen nach fühlt man sich derzeit wohl mit den Compliance- und KYC-Vorkehrungen, die bezüglich dem Schwellenland schon gelten. Auch Vermögensverwalter Fedier lässt sich von den überschlagenden Meldungen vom Bosporus nicht aus der Ruhe bringen. «Wir vertrauen auf unsere umfassende Due Diligence und sehen keinen Anlass, diese nun wegen des Entscheids der FATF wesentlich zu verändern.»
Fedier zufolge zeigt sich auch seine Klientel recht gelassen. «Türkische Kunden erleben und kennen die Situation ihrer Heimat seit Jahren», berichtet er. So gesehen würden sie auch die FATF-Liste zu werten wissen. Von einer Fluchtbewegung könne ebenfalls keine Rede sein. «Viele türkische Unternehmer sind sehr stark mit ihrem Land verbunden und denken nicht daran, diesem den Rücken zu kehren.»
Mitarbeit: Rico Kutscher