Nach dem Eklat um den letzten Präsidenten Guy Lachappelle hat Raiffeisen Schweiz bei der Suche nach dem Nachfolger nichts dem Zufall überlassen. Das Resultat ist nun aber nicht lupenrein, findet finews.ch.
«Dieses Mal muss es klappen» titelte finews.ch, als sich Raiffeisen Schweiz im August auf die Suche nach einen neuen Präsidenten machte. Bei der Banken-Gruppe dürfte man dies ähnlich gesehen haben: Der Ex-Präsident Guy Lachappelle musste vergangenen Juli von seinem Posten zurücktreten, nachdem eine frühere Liebesaffäre völlig aus dem Ruder gelaufen und der Banker von seiner Ex-Geliebten wegen Verletzung von Geschäftsgeheimnissen und «Stalking» angezeigt worden war.
Am (gestrigen) Donnerstag bestätigte die Basler Staatsanwaltschaft, die Untersuchungen gegen Lachapelle bezüglich der Geschäftsgeheimnisse eingestellt zu haben. Bei der Suche nach dem dritten Präsidenten in drei Jahren durfte bei den sich gerne bodenständig gebenden Raiffeisen-Banken tatsächlich nichts mehr schief gehen.
Breit abgestützt?
Am (heutigen) Mittwoch portierte die Bankengruppe nun Thomas Müller (Bild unten) für das hohe Amt. Der Finanz- und Risikospezialist, der auf eine wechselhafte Karriere bei Schweizer Versicherungen und Banken zurückblickt, stiess wie sein Vorgänger Lachappelle 2018 zum Verwaltungsrat von Raiffeisen-Schweiz. Nach dem Akademiker Johannes Rüegg-Stürm, der angesichts der Affäre um den Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz 2018 das Handtuch werfen musste, und dem Ex-Basler-Kantonalbank-Chef Lachappelle fällt die Wahl nun also auf einen Internen.
Dies sei das Resultat eines «eines breit abgestützten Evaluations-Prozesses», betonte Raiffeisen nun.
Doch wie Recherchen von finews.ch im Vorfeld der Nomination zeigten, war der Suchprozess vor allem vertrackt. Der Nominierungs-Ausschuss von Raiffeisen hatte demnach entschieden, keinerlei Geschäftsbeziehungen zu Headhuntern und Beratern mehr zu unterhalten, die in irgendeiner Weise mit Lachappelle zu tun gehabt hatten. Dieser Entscheid führte dazu, dass zahlreiche Headhunter das Mandat nicht erhielten – der Kadervermittler Guido Schilling, der Lachappelle «gefunden» hatte, schied von vorneherein aus.
Kleine Search-Firma gewählt
In der Folge erhielt die kleine Search-Firma Witena den Auftrag, und konnte dabei dem Vernehmen nach nicht aus dem Vollen schöpfen. Wie es heisst, habe Raiffeisen 2018 bei der Suchen nach einem Präsidenten keinen Grossbanker haben wollen. Daran vermochten sich einige Kandidaten nun zu erinnern: sie sagten ab.
Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass letztlich ein Interner zum Zug kam. Dabei könnte gar der Verdacht aufkommen, dass der Suchprozess mit den gesetzten engen Leitplanken nur mit diesem Resultat enden konnte – und die Gruppe schon von Anfang an zu einer internen Lösung tendierte.
Auf Anfrage von finews.ch heisst es bei Raiffeisen Schweiz dazu, die Bankengruppe verfüge über einen professionellen Organbesetzungs-Prozess und habe diesen mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt. Zu Einzehlheiten gibt das Institut keine Auskunft, hält aber fest: «In den Rekrutierungs-Prozess waren neben dem Nominations- und Vergütungs-Ausschuss auch eine Delegation des Raiffeisenbanken-Rats sowie ein Executive-Recruitment-Unternehmen involviert. Der Ausschuss war federführend im Nominationsprozess, die fünf Raiffeisenbanken-Ratsvertreter fungierten als Sounding Board und das Executive-Recruitment-Unternehmen nahm eine beratende Rolle ein.»
Kein Grossbanker, keine Frau
Den 226 Schweizer Raiffeisen-Banken, die in ihrer Gesamtheit systemrelevant für das Land sind, wäre dabei durchaus ein Grossbanker oder vor allem eine Grossbankerin an der Spitze gut angestanden. Aber auch wegen des Suchprozesses, mit dem die Gruppe alles richtig machen wollte, fiel die Wahl nun auf einen Kandidaten, welcher zwar jahrzehntelange Erfahrung in der Branche mitbringt, der aber mit Karrierstationen bei den Privatbanken EFG und J. Safra Sarasin sowie dem Lebensversicherer Swiss Life wenig Retailbanking-Knowhow auf den neuen Posten mitbringt.
Ebenfalls dürfen sich die Raiffeisen-Delegierten, die Müller im Dezember in einer ausserordentlichen Wahl bestätigen sollen, nicht zu sicher sein, dass mit ihm endlich Ruhe bei Raiffeisen Schweiz einzieht. Medien haben bereits auf Finanzaffären und Folgen des Steuerstreits hingewiesen, die sich an den früheren beruflichen Stationen des designierten Präsidenten ereignet haben.
Der vertrackte Suchprozess zielte auf ein lupenreines Resulat; dieses Ziel erweist sich für Raiffeisen nun abermals als flüchtig.