Die Börsianer zittern wegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit des chinesischen Immobilien-Riesen Evergrande. Mindestens so verstörend ist der Mangel an Informationen vom Unternehmen, findet finews.ch.
Da haben wir es also: Ein grosser Teil der Anlegerwelt wartet die nächsten rund dreissig Tage ab, um zu sehen, ob einer der grössten Immobilienentwickler Chinas, Evergrande, zahlungsunfähig wird. Das Unternehmen hat – anscheinend – nicht genug «Liquidität» aufgetrieben, um am vergangenen Donnerstag einen Kupon für eine Dollar-Anleihe zu bedienen.
Oder vielleicht doch, um angeblich die inländischen Anleihegläubiger auszuzahlen, während alle anderen auf dem Trockenen sitzen. Dies und das Gespenst eines Domino-Effekts in China haben in den vergangenen Tagen ein Beben an den weltweiten Börsen verursacht. Unter Druck gerieten nicht nur Firmen mit wichtigem Geschäft in China, sondern auch international tätige Grossbanken wie die Schweizer UBS und Credit Suisse (CS).
Zu lesen ist davon nichts
Bei der UBS kam es wegen der Kursbeben zu Margin Calls, während sich bei der CS herausstellte, dass Evergrande-Präsident Hui Ka Yuan dort Privatkunde ist.
Anscheinend ist diese Woche nun eine noch grössere Zahlung für eine andere Anleihe fällig. Aber auf der Website des Unternehmens ist davon nichts zu lesen, obwohl diese spezielle Zahlung im Brennpunkt der Finanzmärkte liegt.
Anstatt zum x-ten Mal die Auswirkungen eines Zahlungsausfalls und die Möglichkeit einer Ansteckung zu erörtern, hält finews.ch deshalb die Zeit für gekommen, die Offenlegungs-Praxis der chinesischen Immobilien-Entwicklerin zu betrachten – oder das völlige Fehlen einer solchen. Abgesehen von allem anderen, was noch im Fall Evergrande passieren könnte, ist es das, womit sich die Anleger mit Blick auf die ganze Region in Zukunft anfreunden müssen.
Verkauf misslungen
Schauen wir uns die öffentliche Website von Evergrande an und klicken auf die Rubrik «Investor Relations». Es besteht wenig Hoffnung, dass es dort einen speziellen Bereich für Anleihengläubiger geben wird, so wie es etwa bei UBS oder CS der Fall ist.
Das kann man dem Unternehmen nicht wirklich übel nehmen, denn die meisten der weltweiten Vorschriften zur selektiven Offenlegung beziehen sich auf Aktien und wurden für die Bekämpfung des Insider-Handels geschaffen. Selektive Zahlungen, wie wir sie hier sehen, fallen in der Regel ohnehin in die Zuständigkeit der Konkursverwalter.
Klicken wir weiter auf die Registerkarte Ankündigung. Sie sieht vielversprechend aus, denn die letzte Mitteilung wurde am 14. September diesen Jahres verschickt. Darin heisst es jedoch nur, dass man mit einem Rückgang der Verkäufe rechnet und dass es nicht gelungen ist, Teile des Unternehmens oder das Bürogebäude in Hongkong zu verkaufen.
Hinweis auf Formulare
Weiter ist zu lesen, dass Evergrande nicht in der Lage sein werde, ihre Verpflichtungen für Vermögensverwaltungs-Produkte Dritter rechtzeitig zu erfüllen.
Nichts wird direkt im Zusammenhang mit Anleihen erwähnt, welche spezifischen Zahlungen anstehen oder wie das allgemeine Fälligkeits-Profil der Schulden aussieht.
Vergessen wir also all das und blättern wir zu den Rundschreiben. Die letzte Mitteilung stammt vom 11. Mai diesen Jahres. Sie enthält Informationen zu den Vollmachts-Formularen, die bei der Generalversammlung im Juni zu verwenden sind, sowie eine Mitteilung über die Zahlung einer Schlussdividende, die Verlängerung eines Aktienrückkauf-Mandats und die Wahl und Wiederwahl von Verwaltungsratsmitgliedern. Hier steht nichts über Anleihen.
Verwirrendes Durcheinander
Dann gibt es ein Online-Register «Medien» mit zahlreichen Pressemitteilungen. Die letzte Meldung wurde am 3. September verschickt und dies nur in Chinesisch, obwohl die Überschrift auf Englisch ist. Die Übersetzung bringt wenig Erhellendes: Es handelt sich lediglich um eine Aktualisierung der vertraglich vereinbarten Verkaufsergebnisse für August.
finews.ch hat auch eine Anfrage an das Investor-Relations-Team geschickt, um grundlegende Informationen zu erhalten. Die Antwort lässt auf sich warten.
Die Summe aller Meldungen scheint ein verwirrendes Durcheinander zu sein. Das Unternehmen zahlte eine Dividende, kaufte möglicherweise weiterhin Aktien zurück, versuchte jedoch, grosse Teile seines Geschäfts abzustossen, während es einen Konkursberater ernannte – und das alles im selben Jahr, wenn nicht sogar in denselben wenigen Monaten.
Extrem wenig Substanz
Dabei spielt offenbar auch das Bestreben eine Rolle, die komplizierten Offenlegungs-Vorschriften der Hongkonger Börse einzuhalten, die eindeutig der Form den Vorzug vor extrem wenig Substanz geben.
Wenn die Zeiten gut sind, bekennt sich jedes Unternehmen zu den Offenlegungs-Vorschriften. Aber in schlechten Zeiten neigen die Firmen dazu, zu schweigen und nur das offenzulegen, was sie offenlegen müssen, selbst wenn es keinen Sinn ergibt. Daran werden sich die Anleger in Asien, ob inländisch oder international, gewöhnen müssen.