In der letzten Dekade sind die Raiffeisenbanken schneller gewachsen als jeder andere grosse Akteur im Hypothekargeschäft. Doch nun zeichnet sich eine Wende ab – mit Folgen.
Das sind neue Töne von den Raiffeisenbanken: «Wir wollen mit dem Markt wachsen», sagt der Heinz Huber (Bild unten), der CEO von Raiffeisen Schweiz, im Gespräch mit finews.ch.
Die 219 Genossenschafts-Institute, die gemeinsam den Schweizer Hypothekar-Markt dominieren, setzen demnach verstärkt auf qualitatives Wachstum.
Nur einige Basispunkte
Die Semesterzahlen 2021, welche die Bankengruppe am Mittwoch veröffentlichte, illustrieren den neuen Kurs. Die Hypothekar-Forderungen stiegen im ersten Semester um 2,6 Milliarden Franken, respektive um 1,4 Prozent, auf 192,9 Milliarden Franken. Das Wachstum lag damit im Rahmen der Vorjahresentwicklung, schreibt die Bank.
Der Marktanteil in diesem Geschäft sank damit jedoch ganz leicht auf 17,5 Prozent. Ende 2020 hatte dieser noch 17,6 Prozent betragen.
Das sind nur 10 Basispunkte, doch sie sind als Signal nicht zu unterschätzen – der langjährige Wachstums-Champion gibt Terrain Preis. Denn seit 2003 dehnten die Raiffeisenbanken ihr Volumen im Schnitt um 5,9 Prozent aus und stellten damit sämtliche anderen grossen Akteure in den Schatten. Die 24 Schweizer Kantonalbank kommen zwar gemeinsam auf mehr Masse, ebenso die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse (CS), zusammengenommen.
Run aufs Eigenheim
Doch den «Raiffeiselern» konnten sie alle nur hinterher schauen, was zuweilen sogar die Marktwächter bei der Schweizerischen Nationalbank nervös machte.
Im vergangenen Jahr ist der gesamte Hypothekarmarkt um 37 Milliarden Franken gewachsen, was einem Plus von 3,4 Prozent entspricht. Für das gesamte 2021 wird erneut eine Wachstum in dieser Grössenordung erwartet. Die Coronakrise hat den Run aufs Eigenheim nochmals befeuert und die Preise zünftig in die Höhe klettern lassen.
Vornehme Zurückhaltung
Dies ist mit ein Grund, weshalb die zuweilen als «Volumen-Bolzer» verschrienen Raiffeisenbanken sich nun in Zurückhaltung üben: Mit dem erneuten Preisanstieg und den zahlreichen Handänderungen sehen sie die Risiken am Immobilienmarkt zunehmen. Die dritte Kraft im Schweizer Hypothekarmarkt folgt damit den Grossbanken UBS und CS, die angesichts harter Kapitalisierungs-Vorschriften bei der Kreditvergabe schon seit Jahren auf die Bremse treten.
Sind die Risiken im Hypogeschäft tatsächlich so hoch wie von den Banken angenommen, dann müsste es auch der berufstätigen Schweizer Bevölkerung mulmig werden: Hier haben sich inzwischen die Pensionskassen, welche die Gelder in der 2. Säule verwalten, zu neuen Wachstums-Champions (allerdings von viel tieferer Basis aus) gemausert.
Neugeschäft schrumpft für Banken
Laut einer aktuellen Erhebung konnten die hiesigen Pensionskassen ihre Vergabe um 27 Prozent auf insgesamt 19 Prozent am Neugeschäft steigern. Das Neugeschäft der Banken insgesamt schrumpfte hingegen um 1 Prozent. Damit gewinnt der Trend weiter an Fahrt, dass die Banken zumindest im Neugeschäft zunehmend an Boden verlieren.
Dies, weil die branchenfremde Konkurrenz aus regulatorischen Gründen anders kalkulieren und die Geldhäuser bei den Zinsen regelmässig unterbieten kann.
Kommissionen statt Zinsen
Vorerst ist der Wandel noch überschaubar. Knapp 70 Prozent aller Hypothekar-Abschlüsse wurden im ersten Halbjahr 2021 an eine Bank vermittelt, und die Institute halten weiter mehr als 90 Prozent des Volumens. Doch die Semesterzahlen von Raiffeisen zeigen, dass selbst die grössten Akteure im Hypogeschäft die Zeichen der Zeit erkannt haben. Mit dem Preiswettbewerb im Neugeschäft ist auch ein Margenschwund verbunden, welche die Retailbanken in ihrem Kerngeschäft hart trifft.
Auch bei Raiffeisen schaut man deshalb im Business mit Hypotheken über die blosse Kreditvergabe hinaus. Vor wenigen Tagen lancierten die Genossenschaftsbanken gemeinsam mit der Allversicherer Mobiliar offiziell die gemeinsame Plattform Liiva, die eine breite Palette von Bedürfnissen rund ums Wohnen abdecken will.
Solche so genannten Ökosysteme liegen im Schweizer Finanzwesen schwer im Trend und bieten die Aussicht, am Immobilienmarkt nicht nur Zinsen, sondern dank Beratungsdienesten auf Kommissionen zu generieren.
Wetteifern zwischen Ökosystemen
Im Zusammenhang mit Liiva hofft Raiffeisen Schweiz, den Ertragsanteil aus dem Zinsengeschäft dank höherer Kommissionen um 3 Prozentpunkte auf 70 Prozent zu drücken. Kommissionen aus dem Anlage- und Vorsorgegeschäft steuern derzeit 27 Prozent zum Gesamtertrag bei.
Mit dem Umdenken beim Wachstum kommt nun nochmals mehr Bewegung in den Hypothekar-Markt. Visionäre des Geschäfts sehen dort schon ein neues Wetteifern zwischen führenden Ökosystemen heraufziehen – während die Banken zu blossen Kredit-Lieferanten degradiert würden.