Trotz Turbulenzen und nicht abreissenden Bussen: Für Schweizer Finanzinstitute ist Italien ein höchst attraktiver und entsprechend gefragter Markt – jetzt erst recht.
Im Ferragosto machen auch die Privatbanken ihre Pforten dicht: Wer jetzt noch jemanden in den italienischen Filialen von Schweizer Häusern erreichen will, läutet ins Leere. Bankberater, Kunden – sie alle sind ans Meer verreist, so scheint es.
Die Ferienstimmung trügt indes. Im südlichen Nachbarland sind hiesige Finanzdienstleister so aktiv wie schon lange nicht mehr. Ein Coup landete zuletzt der grösste Schweizer Versicherer. Wie auch finews.ch berichtete, hat die Zurich Anfang August ein Netzwerk von mehr als 1’000 unabhängigen Finanzberatern von der Deutschen Bank mit Vermögen von 16,5 Milliarden Euro übernommen. Ein cleverer Schachzug, wie Kenner des italienischen Marktes anerkennen.
Testmarkt für die UBS
Auf dem Vormarsch sind sowieso die Banken. Die Schweizer Privatbank EFG, die mit der Übernahme der Tessiner Konkurrentin BSI ein ebenso bedeutendes wie schwieriges Italiengeschäft erbte, hat den Standort in Mailand 2019 neu eröffnet und forciert seitdem ihre Aktivitäten dort. Die Credit Suisse (CS) hat ihr Private-Banking-Team in der norditalienischen Metropole erst vergangenen Mai aufgestockt und unter die Leitung von Ex-UBS-Mann Gabriele D’Agosta gestellt.
Wie die CS damals verlauten liess, stehen die Zeichen in Italien auf Ausbau. Neue Pläne für Italien wälzt auch die UBS.
Im Herbst will die Grossbank dort das hybride Vermögensverwaltung-Mandat My Way lancieren und damit explizit auch Affluent- und Millionärskunden ansprechen. Italien ist neben Deutschland der zweite europäische Markt, wo das neue Digital-Tool zum Einsatz kommt, was als klares Bekenntnis zu deuten ist.
Amnestien und AIA
Während sich die UBS etwa aus Österreich zurückzieht und andere europäische Ländermärkte einer Rentabilitätsprüfung unterzieht, wird an der italienischen Plattform nicht gerüttelt. Im Jahr 2020 trug diese gut 19 Millionen Euro zum Ergebnis der UBS-Europabank bei.
Der jüngste Vormarsch der Schweizer Finanzdienstleister in Italien kommt angesichts der vertrackten Vorgeschichte einigermassen überraschend. Im Jahr 2017 hatten die italienischen Steuerbehörden im Rahmen einer Amnestie 20 Milliarden Euro von Steuerflüchtlingen eingenommen; 2015 schloss das Belpaese zudem ein Steuerabkommen mit der Schweiz. Seit Anfang 2018 liefern Schweizer Banken im Rahmen des automatischen Austauschs von Kundendaten (AIA) Informationen nach Italien.
Guardia di Finanza lässt nicht locker
Doch damit ist zumindest aus Sicht der italienischen Finanzpolizei längst kein Strich unter den Steuerstreit mit dem Schweizer Finanzplatz gezogen. Aus vorangegangenen Amnestien mit reichlich Daten über das Italien-Geschäft des Swiss Banking ausgestattet, klopften die italienischen Behörden 2019 erneut bei hiesigen Instituten an – damals hiess es, mehr als zehn Banken würden mit den Italienern kooperieren.
Im selben Jahr zahlte die UBS rund 111 Millionen Franken in eine Einigung mit den Behörden; 2020 kostete ein Geldwäscherei-Verfahren die grösste Schweizer Bank nochmal gegen anderthalb Millionen Euro. In einem weiteren Fallkomplex laufen Strafermittlungen.
Im März 2020 wurde die Guardia di Finanza auch bei der CS wieder vorstellig. Dies, obwohl die Grossbank Ende 2016 insgesamt 109,5 Millionen Euro in einen Vergleich mit dem südlichen Nachbarland gezahlt hatte.
Volk von Traumkunden
Nach diesen Erfahrungen müsste Italien für die Schweizer Banken eigentlich verbrannte Erde sein. Dass sie sich dennoch erst recht um den Markt bemühen, hat laut einem Kenner des italienischen Banking handfeste Gründe: Dem Bankmanager zufolge, der nicht namentlich genannt werden will, sind die Italiener nachgerade Traumkunden.
So ist die Sparquote im Nachbarland im europäischen Durchschnitt sehr hoch, und die Klientel hat eine Vorliebe für Finanzprodukte und Mandate, die für die Banken mit regelmässigen Einkünften verbunden sind. Weiter sind die Italienerinnen und Italiener in Finanzfragen wenig preissensitiv: Für sie zählen andere Werte, insbesondere die enge Beziehung zum Berater. «Die italienische Kundschaft ist sehr loyal», weiss der Marktkenner zu berichten.
Zuflüsse, wenn die Angst umgeht
Die aktuellen Reichen-Reports unterstreichen das Potenzial fürs Private Banking. Der CS zufolge rangiert Italien bezüglich durchschnittlichen pro-Kopf-Vermögen mit 239’420 Dollar weltweit auf Platz 19 (Platz 1 hält die Schweiz). Im vergangenen Jahr zählte das Land 187 neue Millionäre.
Auch die wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen, denen Italien seit der Finanzkrise verstärkt unterworfen ist, sind aus Sicht der Schweizer Anbieter nicht unbedingt problematisch. Wie schon in den 1960er- und 1970er-Jahren, als Italiener aus Angst vor Instabilität, Inflation und einer möglichen kommunistischen Regierung Fluchtgelder in die Schweiz schafften, registrieren hiesige Institute immer wieder Zuflüsse, sobald sich die Lage in Italien eintrübt.
Für Schlagzeilen sorgten etwa die Absetzbewegungen von 2018, als in Italien die Furcht vor einem EU-Austritt umging.
Auf und Ab im Tessin
Nutzniesser ist in diesen Fällen zumeist der Tessiner Finanzplatz, der allerdings mit dem Abkommen von 2015 einen schweren Aderlass an italienischen Vermögen erlebt hat. Wie aus der Südschweiz zu hören ist, hat sich dieses Geschäft seither stabilisiert.
Die Attraktivität der italienischen Kundschaft hat fürs Swiss Banking natürlich auch Schattenseiten: Die italienischen Banken verteidigen ihr Revier verbissen und erfolgreich gegen die «Svizzeri», wie der Marktkenner berichtet. Die Loyalität der Italiener macht den ausländischen Konkurrenten dabei das Leben zusätzlich schwer.
Wachstum aus gewachsenen Beziehungen
Glücklich ist, wer wie die Zurich jüngst ein Netz aus gewachsenen Beziehung zukaufen kann. Die so genannten consulenti finanziari, unabhängige Vermögensverwalter mit einer exklusiven Bank- oder Versicherungsverbindung, erfreuen sich im Nachbarland regen Zulaufs und konnten ihr Geschäft in den veergangenen Jahren ausbauen. «Das grösste Wachstum kommt aus diesem Bereich» erklärt der Italien-Kenner.
Loyalität, Gebühren, Millionenvermögen: Für Schweizer Banker hat Italien beste Chancen, das «Belpaese» zu bleiben.