Der Asset Manager GAM erlitt mit Greensill-Fonds Schiffbruch – dann die Credit Suisse. Das erstaunt, hatte doch die Grossbank tiefe Einsicht in die Aktivitäten von Greensill und dessen Hauptkunden Sanjeev Gupta.

Ende Juli 2018 schockte der Schweizer Asset Manager GAM Investoren und Kunden mit der Suspendierung seines Star-Fondsmanagers Tim Haywood und der Schliessung seiner Absolute-Return-Bond-Fonds (ARBF). Eine unmittelbare Konsequenz war, dass die Credit Suisse (CS) ihre damalige Vertriebskooperation mit GAM sofort stoppte.

Drei Jahre später findet sich die Grossbank in einer tiefen Krise wieder, nachdem die Finanzierungsgesellschaft Greensill Capital und ihr Hauptkunde, der britisch-indische Stahl- und Rohstoffunternehmer Sanjeev Gupta kollabiert sind.

CS: Zuerst umsichtig, dann nicht mehr

Gupta war schon Grosskunde von Greensill gewesen, als GAMs Tim Haywood noch die Supply-Chain-Fonds managte – und über ganz ähnliche Probleme stolperte. Guptas Stahlwerke in Australien sind mit 1,2 Milliarden Dollar der grösste Schuldner der CS-Greensill-Fonds.

Eine ungeklärte Frage ist, wie die CS vom umsichtigen und risikoaversen GAM-Vertriebspartner mit den eigenen Fonds zum Turbolader für die Geschäftsaktivitäten von Greensill und Gupta werden konnte. Wie finews.ch bereits im vergangenen März berichtete, hatte die CS sogar einige der «toxischen» GAM-Assets übernommen.

Solo ebnete den Weg

Eine Antwort liefert David Solo. Der frühere GAM-CEO führte den Investmentbanker Lex Greensill und seine Firma bei der CS ein, wie finews.ch bereits berichtet hat.

GAM hatte erst nach Solos Austritt die Supply-Chain-Finance-Fonds mit Greensill im Jahr 2015 lanciert. Solo, der gemäss «Financial Times» Geldgeber von Greensill gewesen ist, ebnete auch hier den Weg.

Eher ein Ladenhüter

Die Ironie dabei: Die GAM-Fonds waren eher ein Ladenhüter gewesen, wie zwei mit den Produkten vertraute Personen gegenüber finews.ch sagen. Die Anlagevolumen blieben beschränkt, die Vertriebsmannschaft war von den Produkten nicht begeistert.

Die Gebühren waren schmal, die Fondskonstruktion komplex und die mögliche Kundschaft, vor allem Unternehmen mit einem Cash-Überschuss, gehörte nicht zu GAMs Zielgruppe.

Eric Varvel witterte die Chance

Was für ein Kontrast zur CS: Wie die «Financial Times» in einem (bezahlpflichtigen) Artikel vom Dienstag beschreibt, witterte insbesondere Eric Varvel, der inzwischen abgesetzte CEO des CS Asset Managements, eine grosse Chance, die Fonds an eine vermögende Privatkundschaft zu verkaufen.

Mehr als 1'000 Kunden im CS Wealth Management halten die Greensill-Fonds in ihren Portfolios und hoffen nun auf Rückzahlungen. Die Fonds gehörten mit über 10 Milliarden Dollar Volumen zu den grössten der CS überhaupt.

Auch GAM haben diese Produkte in eine tiefe Krise gestürzt. Haywood war einer der Hauptkäufer der Gupta-Bonds gewesen. Der Asset Manager erlitt nach dessen Suspendierung massive Geldabflüsse. Die Geschäftsbeziehung zu Gupta kappte GAM erst vor rund sechs Monaten endgültig.

Penible Prüfung

Der Asset Manager war 2018 daran, neue Vertriebskanäle zu schaffen, nachdem die Trennung von Julius Bär und zuvor von der UBS grosse Lücken gerissen hatte. Die CS wurde in der Folge einer der wichtigsten Vertriebspartner von GAM.

Nach dem Haywood-Skandal hatte die Grossbank sämtliche GAM-Produkte einer peniblen Prüfung unterzogen. GAM hatte es sehr daran gelegen, nach der Abwicklung der Haywood-Fonds die guten Beziehungen zur CS wieder aufzunehmen.

Besuche bei den CS-Managern

Gemäss Beobachtern stand GAM von August 2018 bis Mitte 2019 in einem engen Austausch mit der CS. Diese habe dadurch einen sehr detaillierten und transparenten Einblick in die Firma GAM und in deren Fonds erhalten.

Wenn beispielsweise GAM-Finanzchef Richard McNamara in Zürich weilte, stattete er den Managern der CS jeweils einen Besuch ab, um die Beziehungen zu festigen. Weder die CS noch GAM wollten dies gegenüber finews.ch kommentieren.

Finanzierungskonstrukte unter Betrugsverdacht

Guptas Akquisitionstour mit teils maroden Stahlwerken und Rohstoffunternehmen bildet einen roten Faden in der ganzen Affäre: So stammten die Mittel für den 2017 erfolgten Kauf des Liberty Primary Metals Stahlwerks in Australien aus den GAM-Fonds, wie eine mit der Transaktion vertraute Person gegenüber finews.ch sagte.

Der Deal in der Höhe von rund 850 Millionen Dollar war komplex und enthielt ein Verbriefungselement, welches die «Financial Times» vor gut zwei Jahren beschrieben hat. Die britische Betrugsbekämpfungs-Behörde durchleuchtet derzeit die Finanzierung der Liberty-Akquisition.

Dass der CS die hohe Konzentration von Gupta-Bonds in den GAM-Fonds und die Schlüsselrolle, welche Greensill dabei spielte, entgangen ist, scheint angesichts ihrer monatelangen Due Diligence unwahrscheinlich. Allerdings ist nicht klar, ob die CS auch die Haywood-Fonds prüfte, seit diese von GAM ja abgewickelt wurden.

Management und Versicherung delegiert

Fakt ist aber auch, dass die CS einige Fixed-Income-Manager von GAM übernommen hatte, als dort ein Stellenabbau einsetzte; darunter war auch mindestens ein Produktespezialist. Auffällig ist zudem, dass sowohl GAM als später die CS sich beim Verwalten der Supply-Chain-Finanzierungen ganz auf Greensill verliessen.

In den CS-Produktbeschrieben wird die Tatsache hervorgehoben, dass die Fonds nicht von der Bank verwaltet werden. Fatal hat sich im Nachhinein erwiesen, dass die CS auch die Versicherung der Kredite und Finanzierungen an Greensill delegiert hatte.

Blendung, Naivität oder Ignoranz

So macht es denn Anschein, dass die penible Due Diligence der GAM-Produkte das eigentliche Ziel ausgelassen hat: Die CS hätte ihre künftigen Geschäftspartner Greensill und Gupta besser durchleuchten müssen.

Ob sich die CS von Greensill und dessen Geschäftsmodell hat blenden lassen, nur naiv war oder vorhandene und auch intern gemeldete Risiken schlicht ignorierte, klären nun Heerscharen von Regulatoren und Anwälten.