Keine Schweizer Bank und kein Vermögensverwalter, der sich die Kundenorientierung nicht auf die Fahne geschrieben hat. Entsprechend hoch ist der Dienstleistungswille in den Finanzinstituten. Doch kommt dieser bei den Kunden überhaupt an?
«Eine kundenzentrierte Organisation bedeutet nicht, alles zu tun, was der Kunde will», schreibt Peter Keule, beim US-Finanzberater Aon für Kundenstrategien zuständig, im Magazin «Private Wealth Management».
Die Aussage dürfte in der Schweiz einige Vermögensverwalter ins Grübeln bringen. Was ist mit allen um die Kunden aufgebauten Dienstleistungen? Mit dem 24-Stunden-rundum-Service? Dem Engagement für Kunst, Kultur und eine bessere Welt?
Kunde als Stakeholder
Keule, der sich seit 20 Jahren mit Kundenstrategien im Wealth Management beschäftigt, ist deutlich: Ein Vermögensverwalter, der nur tut, was der Kunde will, kann gar nicht gut sein. Dienstleistungen von sogenannt hoher Qualität könnten Ausdruck einer schwachen Kundenorientierung sein, nämlich dann, wenn nicht berücksichtigt werde, was Kunden tatsächlich schätzen.
Kundenorientierung bedeute, genau zu verstehen, was für Kunden am wichtigsten ist, alle Anstrengungen darauf zu konzentrieren und unerhebliche Dienstleistungen schlicht einzustellen, findet Keule. Vermögensverwalter müssten ihre Kunden als Stakeholder betrachten, was bedeute, dass die Kunden in die strategischen Initiativen zur Weiterentwicklung des Geschäftes involviert seien.
Was ist Kundenorientierung? Eine Checkliste
Wo Privatbanken und Vermögensverwalter weiterhin grosse Mängel aufwiesen, sei in der Strukturierung und Verarbeitung des Kunden-Feedbacks. Keule hat in seiner Beratungstätigkeit festgestellt, dass beispielsweise die Personalabteilungen in Banken und Vermögensverwaltungen kaum Informationen aus dem Kunden-Feedback erhalten. Dies wiederum erschwert die Rekrutierung von Kundenberatern, die Personalentwicklung wie auch die Incentivierung der Angestellten.
Keule hat eine Art Checkliste zusammengestellt, mit der sich feststellen lässt, wie ernst es einem Finanzinstitut mit seiner Kundenzentriertheit oder -orientierung ist.
1. Regelmässiges Sammeln von Kunden-Feedback
Dies sollte einen zentralen Prozess in einer Organisation darstellen, um ein echtes Abbild des Zufriedenheitsgrades zu erhalten. Innerhalb von Finanzinstituten herrscht laut Keule eine Tendenz, sich auf die positiven Kunden-Feedbacks zu konzentrieren. Die Kadenz und Tiefe der Kundenbefragungen sollte hoch sein und vor allem auf Erkenntnisse zu den wichtigsten Initiativen zielen. Gleichzeitig sollte in den Auswertungen auf Hinweise der Kunden geachtet werden, wo Dienstleistungen ergänzt werden können, die Ertragswachstum versprechen.
2. Benchmark-Vergleiche mit Konkurrenten
Kunden-Feedback zu strukturieren ist anspruchsvoll: Eine Bank könnte jeweils Hunderte von neuen Ideen oder Dienstleistungen lancieren. Doch das wäre nicht sinnvoll. Eine Benchmark, welche einen Vergleich mit Konkurrenten zulässt, kann sich hier als sehr wirksames und zielführendes Instrument erweisen. Eine Benchmark kann aufzeigen, wo Prioritäten liegen müssen, wo Konkurrenten einen Vorteil haben und wo die Chancen liegen, sich von anderen Wealth Managern zu differenzieren.
3. Das Kunden-Feedback muss für Mitarbeiter einsehbar sein
Ein Kunden-Feedback, das nur an Marketing- oder Strategie-Teams geht, ist eine Verschwendung. Kunden-Feedback muss an die Kundenfront – und dies ohne Verzögerung. Wesentlich ist auch, dass Ergebnisse von Kundenumfragen dem HR zukommen. Denn dieses kann die Personalpolitik und Rekrutierungsstrategie entsprechend anpassen.
4. Kunden-Feedback soll eine Komponente bei Kompensation und Beförderungen sein
Entscheidungen zur Kompensation der Angestellten wie auch zu Beförderungen müssen Ergebnisse aus Umfragen zur Kundenzufriedenheit miteinbeziehen. Nur so kann ein Vermögensverwalter eine Unternehmenskultur bilden, die sich kundenorientiert nennen darf. Werden solche Indikatoren nicht berücksichtigt, sendet das Management eine falsche Botschaft: Nämlich, dass finanzielle Ergebnisse auf Kosten der Kundenzufriedenheit erzielt werden können. Dies wiederum führt vermehrt zu unzufriedenen Kunden und Compliance-Problemen.
5. Die Kundenausrichtung muss Teil von Zielvorgaben sein
Kundenorientierung ist Teil einer Unternehmenskultur: Damit dies nicht ein Lippenbekenntnis bleibt, muss das Management Elemente und Meilensteine der Kundenausrichtung als Zielvorgaben benennen. Resultate müssen für die Angestellten im ganzen Unternehmen einsehbar sein, um eine grössere Wirkung zu erzielen.