Die Banque Internationale à Luxembourg Suisse steht mit einem neuen Mehrheitsaktionär aus China vor einem Neustart. Um zehn Milliarden Franken an Kundengeldern zu erreichen, schliesst CEO Hans-Peter Borgh Übernahmen nicht aus, wie er im Interview mit finews.ch erklärt.
Herr Borgh, was bleibt Ihnen von 2020 in Erinnerung?
Neben den grossen Ereignissen wie Corona oder die US-Wahlen sicherlich die Tatsache, dass wir im Zuge der letztjährigen Reorganisation von BIL Suisse mehr als 40 neue Mitarbeitende engagiert haben. Das hat eine Aufbruchsstimmung ausgelöst und eröffnet uns nun enorme Chancen, um das Geschäft aus der Schweiz heraus voranzutreiben.
Allerdings haben Sie sich im vergangenen Jahr auch von mindestens ebenso vielen Mitarbeitenden verabschiedet, so dass Sie unter dem Strich nun weniger Leute beschäftigen als vorher.
Ja, das will ich nicht schönreden. Das ist so. Wir haben die Bank neu strukturiert und dabei verschiedene Geschäftsbereiche von Genf nach Zürich verlagert, was dazu führte, dass manche Mitarbeitende das Unternehmen verlassen haben. Alles in allem haben wir rund die Hälfte des Personals ausgewechselt.
…was sicherlich nicht einfach war in einer Zeit mit Covid-19 und Homeoffice. Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Das war natürlich eine aussergewöhnliche Situation. Manche Bewerberinnen und Bewerber haben wir tatsächlich ohne physisches Treffen engagiert. Der gesamte Interview-Prozess verlief online. Vor einem Jahr wäre das noch völlig undenkbar gewesen.
«Mit den neuen Aktionären ist die Dimension der ‹Neuen Welt› hinzugekommen»
Dies zeigt, wie schnell man fähig sein kann, auf andere Kanäle umzustellen, sich den veränderten Gegebenheiten anzupassen und widerstandsfähig wird. Das sollte uns in dieser nach wie vor ungewissen Zeit durchaus optimistisch stimmen.
Seit gut drei Jahren ist die luxemburgische Bankengruppe BIL, zu der auch der wichtige Schweizer Ableger gehört, zu einem grossen Teil im Besitz des chinesischen Investmentkonzerns Legend Holdings. War es einfach, unter diesen Prämissen neue Mitarbeitende hier in Europa zu finden – zumal man dieses Jahr Corona auch stark mit China in Verbindung brachte?
Viele talentierte Leute sind neugierig und an unserer langen Geschichte und Tradition interessiert. Die Bank existiert seit 1856 und ist seit langem in der Schweiz vertreten. Mit den neuen Aktionären ist die Dimension der «Neuen Welt» hinzugekommen – damit verbunden sind zusätzliche Geschäftsperspektiven und Investment-Möglichkeiten.
«Wir verfügen über europäische Wurzeln, Schweizer Traditionen und fernöstliche Expertise»
Für viele Bewerberinnen und Bewerber war es attraktiv, in diesem Kontext eine neue Stelle anzunehmen – in einer kleineren, überschaubaren Organisation hier in der Schweiz und mit einem unternehmerischen Ansatz. Ich sage gerne, wir verfügen über europäische Wurzeln, Schweizer Traditionen und fernöstliche Expertise. Das macht das Ganze spannend.
Suchen Sie auch in diesem Jahr Personal?
Ja, das ist so. Wir suchen noch mindestens 10 bis 15 Kundenberaterinnen und -berater.
Welches Profil sollen diese Leute mitbringen?
Die BIL Suisse hat in der Vergangenheit vor allem europäische Kunden betreut, was wir auch weiterhin tun, insbesondere Unternehmer und deren Familien. Doch seit unserer Neuausrichtung unter dem neuen Hauptaktionär liegt unser Fokus verstärkt auf den sogenannt neuen Märkten wie Osteuropa, Naher Osten, Asien und namentlich China.
«Die Corona-Pandemie hat zweifelsohne nicht zum Ausbau dieses Geschäfts beigetragen»
Insofern suchen wir Mitarbeitende und auch ganze Teams, die in diesen Zielmärkten aktiv sind, respektive über ein entsprechendes Beziehungsnetz verfügen. Bezogen auf die Klientel sind es vermögende Unternehmer mit grenzüberschreitenden Bank- beziehungsweise Geschäftsbeziehungen.
Wie präsentiert sich der Kundenmix ein Jahr nach der Neuausrichtung?
Aktuell stammt etwa die Hälfte unserer Kundschaft aus Europa und die andere Hälfte aus dem Nahen Osten Osteuropa sowie Asien, wobei der Anteil an chinesischen Kunden nach wie vor sehr klein ist. Die Corona-Pandemie hat zweifelsohne nicht zum Ausbau dieses Geschäfts beigetragen. Doch da liegt eine unserer grossen Prioritäten. Wir gehen davon aus, dass der Anteil an nicht-europäischen Kunden in den nächsten Jahren signifikant wachsen wird.
Wieviel Geld verwaltet BIL Suisse aktuell?
Wir sind aktuell bei rund vier Milliarden Franken und wollen in den kommenden Jahren auf 10 Milliarden Franken kommen. Das ist unser erklärtes und gleichzeitig durchaus ambitioniertes Ziel. Es ist nicht sakrosankt, aber zumindest eine gute Zielgrösse.
In der Schweiz nimmt die Zahl der Banken tendenziell ab. Mit welchen Dienstleistungen wollen Sie in diesem Umfeld punkten?
Neben der klassischen Vermögensverwaltung, dem sogenannten Private Banking oder Wealth Management, peilen wir eine unternehmerische Kundschaft an. Vor allem vermögende Unternehmer, die eine Firma besitzen und mit ihren Familien international unterwegs sind.
«Europa und die Schweiz üben eine enorme Anziehungskraft auf viele Chinesinnen und Chinesen aus»
In diesem Kontext bieten wir ein Know-how im Bereich von Kapitalmarkt-Finanzierungen, Firmenkrediten und Beratungen an, wobei wir uns dabei auch auf die Bilanz unseres Mutterhauses in Luxemburg abstützen können. Darüber hinaus verfügen wir im europäischen Immobiliengeschäft und damit verbundenen Hypotheken und Finanzierungen über eine grosse Expertise, die wir in unser Angebot in der Schweiz einfliessen lassen.
Last but not least kommt unsere Beziehung nach Asien, insbesondere nach China hinzu, wo wir dank unserem Grossaktionär über ein einzigartiges Netzwerk verfügen, zumal die Legend Holdings über verschiedene Tochtergesellschaften an vielen anderen Unternehmen und Börsengängen beteiligt ist.
Warum sollte sich umgekehrt ein chinesischer Kunde für die BIL Suisse entscheiden?
Europa und im Besonderen die Schweiz üben eine enorme Anziehungskraft auf viele Chinesinnen und Chinesen aus. Die Schweiz steht für Stabilität, Erfahrung und Tradition besonders im Bankwesen sowie für eine generelle Expertise in vielen Branchen – denken wir nur an die viel beachtete Uhrenindustrie.
«Wir schliessen die Übernahme eines anderen Finanzinstituts nicht aus»
Wenn diese Kundschaft so etwas wie einen «Seelenfrieden» ausserhalb Chinas sucht, dann erscheint schnell einmal die Schweiz auf der Landkarte – und Luxemburg. Das Grossherzogtum bietet Zugang zum EU-Binnenmarkt und verfügt wie die Schweiz über die allerbesten Kreditratings. Insofern sind die Schweiz und Luxemburg eine ideale Kombination für die Kundschaft von morgen.
Sie haben sich die Zielgrösse von rund 10 Milliarden Franken an Kundengeldern bis in einigen Jahren gesetzt. Ist dafür nicht eine Akquisition nötig?
Grundsätzlich wollen wir dieses Ziel organisch erreichen. Wir schliessen allerdings die Übernahme eines anderen Finanzinstituts nicht aus. Wir haben auch schon verschiedene Optionen geprüft, und der Trend verstetigt sich. Wir haben im vergangenen Jahr einige Transaktionen gesehen. Doch das Angebot ist nach wie vor spärlich. Insofern hoffen wir, dass sich in nächster Zeit weitere Opportunitäten ergeben.
Welche Zukunft geben Sie dem Schweizer Finanzplatz?
Eine sehr positive, sonst hätte BIL seine Kapazitäten in den vergangen zwölf Monaten nicht dermassen ausgebaut. Die BIL hat – mit voller Unterstützung unserer Aktionäre - insgesamt 85 Millionen Franken in die Neupositionierung der Bank in der Schweiz investiert. Das ist ein klares Zeichen für unser Vertrauen in den hiesigen Standort.
Als Bank mit einem chinesischen Hauptaktionär dürften Sie auch den geopolitischen Querelen zwischen dem «Reich der Mitte» und den USA ausgesetzt sein. Wie gehen Sie damit um?
Persönlich beunruhigt mich die Situation wie viele andere Menschen natürlich auch. Tatsache ist aber, dass die geopolitische Situation in den vergangenen Jahren generell viel komplexer geworden ist – es hat sich bloss im Handelskonflikt zwischen den USA und China am meisten manifestiert.
«Hongkong wird auch künftig eine wichtige Rolle spielen und sich als globales Finanzzentren behaupten»
Ich denke jedoch, dass Europa und damit natürlich auch die Schweiz eine sehr wichtige Rolle spielen können – zwischen dem Kräftemessen der Grossmächte. Umso wichtiger ist es in diesem Zusammenhang, gute Beziehungen zu beiden Seiten zu pflegen.
Wird der Präsidentenwechsel in den USA die Situation entschärfen?
Ich bin kein Politexperte, aber ich bin Optimist. Veränderungen sind sicher förderlich, um die Beziehungen auf eine neue Basis zu stellen. Und das scheint hier der Fall zu sein. Ich schliesse nicht aus, dass die Welt von diesem Neuanfang profitieren könnte.
Im Schatten des kürzlichen Sturms auf das US-Capitol steht die Entwicklung in Hongkong, wo zur gleichen Zeit die Behörden mehr als 50 Demokratie-Aktivisten verhaften haben. Hat der Hongkonger Finanzplatz unter diesen Prämissen noch eine Zukunft?
Ja. Hongkong wird auch künftig eine wichtige und nützliche Rolle spielen und sich als globales Finanzzentren behaupten. Das lässt sich sehr gut mit den Traditionen und dem Vermächtnis der Schweiz als Finanzzentrum vergleichen. Hongkong bringt eine zwar nicht so lange, aber vergleichbare Tradition mit, von der China profitieren kann.
«Es wird sogar in hundert Jahren noch Banken geben»
Umgekehrt wird Hongkong durch die zunehmende Integration stärker vom riesigen chinesischen Binnenmarkt profitieren. Zudem wird Hongkong im wirtschaftlichen Einzugsgebiet der sogenannten Greater Bay Area mit Shenzhen und Macao eine tragende Rolle spielen. Insofern bin ich optimistisch und denke, dass der Finanzplatz Hongkong immer eine entsprechende Rolle haben wird.
Sie haben früher auch in Hongkong gelebt und gearbeitet. Würden Sie nun wieder einen solchen Job annehmen?
Absolut. Ich bin zwar erst vor gut einem Jahr von Luxemburg in die Schweiz gezogen, wo ich mich nun niedergelassen habe und mich sehr wohlfühle. Aber falls sich eine Gelegenheit ergäbe, würde ich einen neuerlichen Umzug nicht ausschliessen – auch nach China.
Wird es Banken auch in zehn Jahren noch geben?
Ja. Es wird sie sogar in hundert Jahren noch geben, genauso wie es sie schon in der Vergangenheit geben hat. Sie werden bloss anders aussehen. Das war schon immer so.
Wie anders?
Heute ist ständig von der Digitalisierung die Rede. Die Digitalisierung ist aber – trotz all ihrer Meriten – kein Ersatz dafür, was wir Banker tun. Natürlich lassen sich viele Dienstleistungen digitalisieren, was unsere Arbeit radikal verändert und eine enorme Anpassungsfähigkeit abfordert, die letztlich über Erfolg oder Misserfolg unterscheidet. Aber das ist nichts Neues.
«Nicht alles lässt sich elektronisch bewerkstelligen, zumal die Welt ja immer komplexer wird»
Insofern wird es immer einen Bedarf – im Sinne des traditionellen Merchant Banking, wie es in England seinen Ursprung hat – an Service- und Beratungsdienstleistungen in finanziellen Belangen geben. Vor allem für Unternehmer. Der Bedarf an Kapital bleibt, und die Intermediation, also die sogenannte Fristentransformation von Geld und Zeit, ist die Aufgabe der Banken, um letztlich Ideen, Träume und Geschäftsmodelle zu ermöglichen.
Nicht alles lässt sich elektronisch bewerkstelligen, zumal die Welt ja immer komplexer wird. Die Bank behält ihre Rolle als Finanzintermediärin. Nicht alles lässt sich auf eine Plattform verlagern. Insofern bin ich nicht pessimistisch. Doch wir müssen offen bleiben für die Veränderungen, die auf uns zukommen.
Hans-Peter Borgh ist seit Anfang 2020 Group Head International der Banque Internationale à Luxembourg (BIL) sowie CEO der BIL Suisse. In dieser Funktion ist er für alle Aktivitäten aus der Schweiz heraus verantwortlich, wozu auch die Geschäfte in China und Dubai gehören. Die BIL-Gruppe gehört seit rund drei Jahren zur chinesischen Legend Holdings. Der Holländer stiess im November 2015 zur BIL. Davor war er Chief Commercial Officer für das Private Banking Asia & Middle East bei ABN Amro, wo er seine Karriere 1997 begann und verschiedene Positionen im Retail- und Private Banking in Europa, einschliesslich der Schweiz, innehatte. Ausserdem war er zwei Jahre bei der ANZ-Bankengruppe als Regional Head Affluent Banking Asia Pacific tätig. Er besitzt einen Master in Betriebswirtschaft.