Der Direktor der Finanzmarktaufsicht Finma hat letzten März eine neue Finanzkrise heraufziehen sehen. Die grössten Risiken für die Schweizer Banken lagen aber anderswo, sagt Mark Branson rückblickend auf den Lockdown.
Anfang März wäre das weltweite Finanzsystem beinahe erneut in die Krise gestürzt. Eine Woche, bevor der Bundesrat den Shutdown in der Schweiz verordnete, spielte der Geldmarkt verrückt, wie Mark Branson gegenüber der Schweizer «Handelszeitung» (Artikel bezahlpflichtig) erklärte. «Ab dem 9. März gab es eine sehr grosse Verwerfung an den Geldmärkten, insbesondere für Dollar. Ohne den Eingriff der US-Notenbank hätte die Situation sich rasch verschlimmern können», berichtete der Direktor der Eidgenössischen Finanzmarkaufsicht (Finma).
Es sei mit dramatischer Geschwindigkeit zu Engpässen im Bereich der Liquidität gekommen, denn viele Anleger hätten die Sicherheit in Cash gesucht, viele Firmen schnell ihre Kreditlinien gezogen. «Die Banken überstanden diesen Moment, weil sie nicht nur gute Kapital-, sondern auch gute Liquiditätspuffer hatten», lobte der oberste Schweizer Finanzaufseher. Zudem habe auch die Kooperation unter den Finanzaufsichtsbehörden extrem gut geklappt.
Fast mehr Sorgen machte Branson eine andere Folge des Lockdowns, gegen die es im Vorfeld keine Vorkehrungen gab: Die Banker mussten zuhause bleiben.
Den Banken 26 Milliarden Franken zugeführt
«Wenn plötzlich Zehntausende von Bankmitarbeitenden von zu Hause aus arbeiten und gleichzeitig Turbulenzen an den Finanzmärkten auftreten, mit rekordverdächtigen Transaktionsvolumen und enormen Volatilitäten, dann müssen viele Dinge stimmen, damit es nicht irgendwo zu Unterbrüchen kommt», mahnt der Finma-Direktor. Die unterbruchsfreie Weiterführung der Dienstleistungen habe deshalb fast an ein Wunder gegrenzt.
Bei anderen Wundern hat die Finma nachgeholfen. Die Behörden und die Nationalbank haben den Instituten in der kritischen Phase an die 26 Milliarden Franken Kapital verschafft, indem wichtige Vorschriften in Sachen Kapitalisierung gelockert wurden – so sind die antizyklischen Kapitalpuffer zur Absicherung von Hypothekarkrediten schlicht ausgesetzt worden.
Branson verteidigte die Massnahme zugunsten der Geldhäuser. «Der Sinn solcher antizyklischen Reserven ist ja, dass sie in guten Zeiten aufgebaut werden, damit man sie in schlechten Zeiten brauchen kann.» Eine grosse volkswirtschaftliche Gefahr wäre in seinen Augen eine Kreditklemme: Wenn Banken zu wenig Eigenkapital haben, um neue Firmenkredite zu vergeben.
Aufsicht nach Gespür
Laut Branson sind die Risiken am Hypothekarmarkt zwar weiterhin gross. Aber die Gefahr einer zusätzlichen Überhitzung sei im derzeitigen Umfeld gebannt, glaubt der 51-jährige Brite.
Das verschafft der Finma Freiraum, sich altbekannten Gefahrenherden zuzuwenden – der Geldwäscherei etwa und der mangelnden Governance bei den Banken. Bei Julius Bär, Raiffeisen und der Spygate-Affäre bei der Credit Suisse musste die Behörde eingreifen. Ein Patentrezept für die Aufsicht gebe es aber nicht, weiss Branson.
«Man muss als Aufseher spüren, wie ein Unternehmen tickt und ob die Kontrollen funktionieren.» Das habe viel mit der Erfahrung des Aufsehers zu tun, der ein Gespür dafür entwickle, wenn etwas nicht zu stimmen scheint.
Wegen Wirecard einschreiten?
An neuen Betätigungsfeldern wird es wohl auch zukünftig nicht mangeln. Im Zuge des Wirecard-Skandals ist auch die Credit Suisse aufgrund des Verkaufs einer verlustreichen Wandelanleihe in die Schlagzeilen geraten. Branson sagte dazu, was ein erfahrener Aufseher immer sagt: «Sollten wir Hinweise erhalten, dass Schweizer Banken in einer problematischen Weise bei Wirecard involviert waren, würden wir uns das sicher anschauen.»