Die Schweizer Grossbank richtet in China mit der grossen Kelle an. Doch wenn es um die Börsengang-Begleitung chinesischer Firmen in den USA geht, werden die Credit-Suisse-Banker plötzlich kopfscheu.
Blued operiert in einer Nische. Die Dating-App richtet sich in erster Linie an Homosexuelle in China. Wobei der Nischenstatus in der Volksrepublik relativ ist: Die 2012 vom ehemaligen Polizisten Geng Le gegründete Applikation erreicht weltweit 40 Millionen Nutzer. Nun will Blued in den USA an die Börse und hofft dort auf eine Gesamtbewertung von 1 Milliarde Dollar.
Chinesischer Massenmarkt, fortschrittliche Technologie, ein Service für Randgruppen – kein Wunder, hatte sich die Credit Suisse (CS) früh bereit erklärt, als Investmentbank den Börsengang von Gengs Firma zu begleiten. Nur: Wie die Agentur «Bloomberg» berichtete, hat sich die CS als Beraterin bereits wieder verabschiedet. Die beiden Firmen sind kein «Match» mehr, wie es im Dating-Slang hiesse.
Forcierter Ausbau in China
Wie der Bericht festhält, erfolgt das Manöver nicht zum ersten Mal. Seit dem Sommer hat die CS schon die Begleitung der chinesischen Firmen Lizhi, Canaan und EHang sistiert – sie alle wollten wie Blued in den USA an die Börse.
Auf den ersten Blick scheint das erstaunlich. Unter ihrem CEO Tidjane Thiam forciert die Bank das Wachstum in Festlandchina, wo alle diese Firmen herstammen. Letzten Sommer hat das Geldhaus mit Zhenyi Tang einen neuen Länderchef ernannt, der umfangreiche Vollmachten hat, um das China-Geschäft zu forcieren. Darüber hinaus hat die CS letztes Jahr die Mehrheit an einem chinesischen Finanz-Joint-Venture übernehmen können und verfügt gerade im Investmentbanking über allerbeste Kontakte.
Bei Alibaba exklusiv dabei
So waren die Schweizer beim IPO des Online-Handelsriesen Alibaba im Jahr 2014 in New York mit dabei und war jüngst als einzige ausländische Grossbank in der Doppelrolle als «joint sponsor» und «joint coordionator» bei der Zweitkotierung des chinesischen Online-Handelsgiganten in Hongkong mit von der Partie gewesen.
Im Falle der App Blued kommt gar noch ein kultureller Aspekt dazu. Die CS hat sich die Integration von LGBT-Angestellten und -Kunden ins Geschäftsmodell speziell auf die Fahnen geschrieben und konnte sich mit der Applikation hinter ein Leuchtturm-Projekt im immer noch sehr repressiven China stellen. Warum das Institut sich doch anders entschied, wollte es gegenüber der Agentur nicht ausführen.
Zwei von drei Börsengängen ein Flop
Doch geschäftliche Interessen dürften wohl eine wesentliche Rolle gespielt haben. Angesichts des Handelskriegs zwischen den USA und China sind viele amerikanische Anleger höchst skeptisch gegenüber chinesischen Firmen geworden. Das wirkt sich auf die Kurse aus: Laut «Bloomberg» weisen von 33 im Jahr 2019 neu in den Staaten gelisteten China-Firmen nur gerade neun Kursgewinne gegenüber ihrem Debut auf. Dies, während der breite US-Index S&P 500 letztes Jahr um einen Fünftel zugelegt hat.
Das verunsichert die Investmentbanken, die ihre Gebühren bei einem misslungenen Börsenstart geschmälert sehen. Neben der CS haben schon die US-Institute Bank of America und Citigoup die Arbeiten am IPO von US-Firmen eingestellt. Man wird sehen, wie dies den Banken am chinesischen Heimmarkt ausgelegt wird.