Margendruck, Digitalisierung und eine wachsende Konkurrenz von allen Seiten zwingen die klassischen Schweizer Privatbanken, sich neu auszurichten. Die Zeitenwende hat definitiv eingesetzt.
Auf den ersten Blick war es eine eher unscheinbare Nachricht, die vor einigen Tagen die Runde machte: Die Privatbank Pictet will künftig direkt in europäische Immobilienanlagen investieren, wie das Genfer Institut mitteilte. Das Vorhaben soll ein 14-köpfiges Team unter der Leitung von Zsolt Kohalmi (Bild unten) umsetzen. Vor seiner Tätigkeit bei Pictet war Kohalmi bei der amerikanischen Investmentfirma Starwood Capital tätig, wo er Immobilienanlagen von rund 20 Milliarden Dollar verantwortete.
Hinter Pictets Absichtserklärung liegt mehr als nur ein weiteres Investment. Vielmehr unterstreicht der Plan, wie sehr die einstmals rein auf die Vermögensverwaltung ausgerichteten Schweizer Privatbanken sich neu ausrichten müssen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Margen im klassischen Private Banking unaufhaltsam schrumpfen, so dass neue Ertragsquellen umso mehr gefragt sind.
Singlehaushalte und Altersheime
Eine neue Quelle sind offensichtlich Immobilienanlagen. «In den kommenden Jahren dürfte die Volatilität an bestimmten europäischen Märkten, etwa in Grossbritannien infolge des Brexit, interessante Einstiegsgelegenheiten bieten», sagt Kohalmi und folgert daraus weiter: «Umso wichtiger wird es dabei sein, von manchen Transaktionen als Erste zu erfahren.» Aber auch die demographische Entwicklung stimmt den Pictet-Manager zuversichtlich: «Millennials bevorzugen Singlehaushalte und mieten lieber, als zu kaufen. Hinzu kommt der steigende Bedarf an speziellen Wohnlösungen für die alternde Bevölkerung sowie an Unterkünften für Studierende.»
Über ihre Tochtergesellschaft Pictet Alternative Advisors hat die Genfer Privatbanken neben ihren Investments in Hedgefonds, Private Equity rund 2,5 Milliarden Franken in Immobilien investiert. Dieser Anteil dürfte nach jüngsten Verlautbarungen signifikant zunehmen, wie ein Sprecher der Bank gegenüber finews.ch erklärte.
Tiefere Kosten für alle Beteiligten
Pictet ist indessen nicht die einzige Privatbank, die nach zusätzlichen Ertragsmöglichkeiten Ausschau hält. So betreibt beispielsweise Lombard Odier seit Jahren eine Technologieplattform, die anderen Instituten offen steht. «Unsere Strategie zielt darauf ab, dass wir mit mehreren Partnern am Tisch die Kosten für alle Beteiligten erheblich senken können. Das ist das Ziel», erklärte Senior Teilhaber Patrick Odier (Bild unten) unlängst die Strategie gegenüber finews.ch.
Aktuell machen zwölf Firmen mit, darunter Banken wie die luxemburgische KBL-Gruppe, die belgische Degroof Petercam oder seit Neustem die Genfer Bank Syz; zudem sind einige Anlagestiftungen und andere Vorsorgeinstitutionen angeschlossen.
Tatsächlich müssen sich die Privatbanken noch aus anderen Gründen einiges einfallen lassen, um ihre Zukunft zu sichern. Denn neben der fortschreitenden Digitalisierung, die ebenfalls auf die Margen drückt, engagieren sich zunehmend auch Kantonalbanken im Private Banking, um ihre Abhängigkeit vom Zinsdifferenzgeschäft abzubauen. Mit knapp 300 Milliarden Franken an verwalteten Kundengeldern ist die Zürcher Kantonalbank beispielsweise schon heute eine mittelgrosse Privatbank.
Nächste Generation
Die Genfer Privatbank Mirabaud wiederum setzt seit einigen Jahren gezielt auf das Asset Management, also auf die Entwicklung von Anlagestrategien sowie entsprechender Finanzprodukte. Das Institut kann somit ein Knowhow vermitteln, das über die klassische Vermögensverwaltung hinausgeht. So hat Mirabaud vor gut einem Jahr auch begonnen, in Private-Equity-Anlagen zu investieren, also in nicht-kotierte Firmen oder entsprechende Investmentvehikel, wie finews.ch-TV seinerzeit exklusiv berichtete.
Auf einen ähnlichen Weg eingespurt ist auch die Bank Syz. Sie verfolgte zwar schon sehr früh eine Asset-Management-Strategie, gründete vor wenigen Monaten nun aber noch eine vierte Geschäftssparte, wie auch finews.ch berichtete. Mit Syz Capital will die Bank unter der Ägide von Marc Syz (Bild unten), dem Sohn des Firmengründers Eric Syz, auf Privatmarktanlagen setzen, eine Investmentkategorie, die spätestens seit dem enormen Erfolg der Zuger Partners Group viele Anhänger findet.
Neue Ansprüche
Wie sehr das klassische Private Banking in den Köpfen vieler nach wie vor verankert ist, illustriert das Beispiel der Zürcher Traditionsbank Vontobel. Das Institut wird bis heute gerne als Privatbank bezeichnet, dabei bezieht das Unternehmen das Gros seiner Erträge mittlerweile aus dem Asset Management sowie aus dem Geschäft mit Strukturierten Produkten – und neuerdings auch im Bereich von Kryptoanlagen.
Insofern trifft die Bezeichnung kaum mehr zu; das breite Betätigungsfeld unterstreicht aber, wie sehr sich die Schweizer Privatbanken neu erfinden (müssen), um den Ansprüchen in einer veränderten Finanzwelt gerecht zu werden.