Vor einem knappen Jahr schickte die UBS Harald Egger als Länderchef nach Indien. Dort erwartete den Sparfuchs eine Herkulesaufgabe – nun berichtet er erstmals, wohin die Reise geht.
Der Wechsel sorgte vergangenen November für Aufsehen: Harald Egger, Schweizer und seit mehr als 20 Jahren bei der UBS, wurde damals vom Zürcher Hauptquartier der Grossbank ins indische Mumbai geschickt – als neuer Länderchef auf dem Subkontinent.
Doch nicht nur das machte die Entsendung von «Harry» Egger ungewöhnlich: Karriere gemacht hatte er nämlich nicht an der Kundenfront, sondern in rückwärtigen Funktionen. Während der letzten sieben Jahre hatte er das Sourcing geleitet und war damit sozusagen der Chefsparer der UBS in der Schweiz.
Zunehmend komplex
Damit war schnell klar, dass es bei der Grossbank in Indien Umwälzungen geben würde. Und tatsächlich erwartete Egger dort eine Herkulesaufgabe: Die UBS plant, künftig rund 60 Prozent der rückwärtigen Dienste und der IT selber «inhouse» zu bestreiten.
Dabei spielt Indien, die Outsourcing-Destination par exellence, eine Schlüsselrolle. In Navi Mumbai eröffnete die Grossbank extra ein eigenes Servicezentrum, das für 3'000 Arbeitsplätze ausgelegt ist. Für Egger gilt es, dieses zu füllen, und damit den Auslagerungstrend der letzten Jahre umzukehren.
Vor Journalisten in Zürich berichtete der UBS-Banker nun erstmals, wohin die Reise geht. «Wurden die Servicezentren früher mit relativ einfachen Aufgaben wie dem Beantworten von Telefonanfragen betraut, müssen sie heute viel komplexere Anforderungen bewältigen», so Egger über die Ausgangslage in Indien. Dazu benötige die Bank Mathematiker, Statistiker, Physiker und andere hochqualifizierte Akademiker – während die Dienste von einst mehr und mehr automatisiert würden.
Jagdgrund für Talente
In Indien hat die UBS bei der Talentsuche aber einen gewichtigen Vorteil: Ausser China «produziert» kein anderes Land in der Welt so viele Ingenieure und Naturwissenschafter – 2016 waren es nicht weniger als 2,6 Millionen, das Vierfache der Studienabgänger mit gleicher Fachrichtung in den USA. Und natürlich sticht das alte Argument aus den Zeiten des Auslagerungstrends weiterhin: Die indischen Spezialisten arbeiten zu einem deutlich tieferen Lohn als die Kollegen in der Schweiz.
Entsprechend bauen die Banken ihre Infrastruktur auf dem Subkontinent aus. So die amerikanische Grossbank Citigroup und – allerdings auf althergebrachte Weise – auch die Schweizer Erzrivalin Credit Suisse (CS).
Letztes Jahr verliess dort Gary Bullock die Bank, um bei der indischen Firma Wipro die Zulieferungsdienste für die CS zu managen. Die Investmentbank Goldman Sachs wiederum betreibt im südindischen Bangalore die grösste Niederlassung ausserhalb den USA, und zwar nicht als Callcenter, sondern als Wissens-Hub mit einer hohen Anzahl von Spezialisten. Gut möglich also, dass sich die UBS in Indien von den Goldmännern inspirieren liessen.
In Biel wie in Mumbai
Innerhalb der Firma, aber nicht unbedingt auf dem teuersten Lohnpflaster: Diese Strategie verfolgt die Grossbank nicht nur in Mumbai, dem polnischen Breslau oder dem amerikanischen Nashville. Sondern inzwischen auch in der Schweiz, wo der Finanzkonzern Backoffice-Angestellte nach Schaffhausen verschoben hat und nächstes Jahr in Biel ein Zentrum mit 600 Arbeitsplätzen eröffnet. Eher Spezialisten sucht die UBS dagegen in Manno TI, wo sie an einem neuen Forschungsszentrum für Künstliche Intelligenz baut.
Sparen hat bei der Nummer eins im Swiss Banking weiterhin oberste Priorität. Die wohl gigantischste Übung dieser Art nahm die UBS Anfang Jahr in Angriff, als sie das internationale und das US-Private-Banking zum Global Wealth Management fusionierte. Die neue Superdivision soll den Kunden nicht nur noch besseren globalen Service bieten, sondern auch Synergien freisetzen. In einem ersten Schritt will Bankchef Sergio Ermotti damit 100 Millionen Franken einsparen.
Auf alten Pfaden
Daneben laufen die Insourcing-Bemühungen in Indien weiter. Wie Egger erklärte, ist es das UBS-Servicezentrum in Breslau, das für seine Pläne in Mumbai und Pune Pate steht. Die Grossbank will weltweit so genannte Insourcing-Hubs betreiben – und damit selber machen, was sie bisher an Spezialisten wie Cognizant, Wipro oder Infosys auslagerte.
Damit wandeln Egger und sein Team teils auf alten Pfaden. Vor der Finanzkrise hatte die UBS Millionen in ein eigenes Servicezentrum in Hyderabad investiert, nur um dieses dann 2009 für 450 Millionen Dollar an den Outsourcer Cognizant zu verkaufen. Jetzt ist der gegenläufige Trend in Gang. Seit 2013 baut die Grossbank weltweit ihre Service-Kapazitäten aus – in Indien arbeiten von 11'000 UBS-Angestellten allerdings noch immer 8'000 für externe Zulieferer.