Der Abgang ihres charismatischen Chefs hat die Privatbank Julius Bär selber überrascht. Während das Ausscheiden Boris Collardis an der Börse mit Verkäufen quittiert wurde, gilt es jetzt, tiefe Fussstapfen zu füllen.
Vom Weggang ihres langjährigen CEO vernahmen auch die Julius-Bär-Banker erst am (heutigen) Montag Morgen. Wie Recherchen von finews.ch ergeben haben, richtete sich Boris Collardi in einem persönlichen Memo an seine Mitarbeitenden. Gleichauf mit der Öffentlichkeit erfuhren sie so, dass Collardi die Zürcher Privatbank per sofort verlässt.
An der Börse wurde der Abgang des umtriebigen Bär-CEO mit Verkäufern quittiert. Die Julius-Bär-Namen verloren zwischenzeitlich bis zu 4 Prozent an Wert. Bankintern dürfte Collardis Abgang aber auch mittelfristig noch für einige Aufregung sorgen. Die Bankführung, zumal Collardis designierter Nachfolger Bernhard Hodler (Bild unten), treten nun in die übergrossen Fussstapfen, die der 43-Jährige beim Zürcher Traditionshaus hinterlässt.
Unter Collardi stieg die Bank nämlich zur wichtigsten Konsolidierin im Schweizer Private Banking auf, nachdem der Romand mit der Übernahme von Merrill Lynch Wealth Management 2015 sein Gesellenstück abgeliefert hatte.
Neugeld, Kundenberater und kleinere Konkurrenten: All das verleibte sich das Institut fortan mit hoher Geschwindigekeit ein. Letzten November standen die verwalteten Vermögen erstmals knapp unter der 400-Milliarden-Franken-Marke. Als mindestens so rastlos erwies sich in den letzten Jahren Collardis Personalpolitik. Insgesamt resultiert daraus eine Bank, die in weiten Bereichen auf seinen temporeichen Führungsstil wie zugeschnitten ist. Das hat nun einige Umwälzungen zur Folge:
1. Verwaltungsrat muss die Zügel anziehen
Mit dem umtriebigen Collardi als Galionsfigur agierte der seit 2012 von Daniel J. Sauter (Bild unten) präsidierte Verwaltungsrat scheinbar im Hintergrund. Dem Gremium wurde deshalb immer wieder der Vorwurf zu «loser Zügel» gemacht – Kritik, die sich nicht zuletzt an der oftmals fürstlichen Entlöhnung des Bär-Managements entzündete.
Den überraschenden Abgang Collardis konnte der Bär-Verwaltungsrat nun auffangen, in dem er den erst letzten September zum Vize-Chef ernannten Hodler einwechselte. Gleichzeitig kündigte die Bank an, die Nachfolge auf dem CEO-Posten längerfristig zu planen – Hodler ist 58 Jahre alt. Die Nachfolgeplanung ist dabei nur ein Schauplatz von mehreren, wo das Aufsichtsgremium beweisen muss, dass es die Zügel anzuziehen vermag.
2. Es droht ein Hauen und Stechen an der Spitze
Zur Hinterlassenschaft Collardis gehört auch der deutliche Ausbau der Teppichetage. Die Gruppenführung von Julius Bär zählt aktuell sechs Personen, die Geschäftsleitung der Bank gar zwölf. Das birgt die Gefahr von Diadochenkämpfen hinsichtlich der mittelfristigen Ablösung Hodlers. Ein ganzes Karussell von Bär-Managern kann sich dabei Chancen ausrechnen – so etwa Europachef Yves Robert-Charrue.
3. Wachsen ohne den Vollgas-Banker
Collardi fackelte bei Kaufgelegenheiten nicht lange. Kaum war er 2009 als erst 34-Jähriger an die Spitze von Julius Bär berufen worden, schlug er ein erstes Mal zu und kaufte das Schweizer Private Banking des holländischen ING-Konzerns. Es folgte die Übernahme des internationalen Geschäfts von Merrill Lynch, das Schweizer Geschäft der Bank Leumi, die italienische Kairos, die Commerzbank in Luxemburg und zuletzt der Schweizer unabhängige Vermögensverwalter Wergen.
Neugeld über Akquisitionen reinzuholen – diese Zeiten sind jedoch auf für Julius Bär weitgehend vorbei. «Vollgas-Banker» Collardi selbst kündigte vor rund einem Jahr an, verstärkt organisches Wachstum anzupeilen. In Sachen Neugeld hilft der Abgang Collardis dabei sicher nicht. Es ist zu erwarten, dass er diverse Kundenberater von Julius Bär zur Pictet lotsen wird.
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