An der Generalversammlung der Credit Suisse musste Präsident Urs Rohner kritische Fragen beantworten. Sorgen bereitete die Kapitalsituation – ganz zu Schweigen vom Grabenkampf in der Bank.

Nach zwei Verlustquartalen steht die Credit Suisse (CS) am Tage der Generalversammlung schwächer da, als es sich der Verwaltungsrat um Präsident Urs Rohner und CEO Tidjane Thiam im vergangenen Oktober bei der Darlegung der neuen Strategie erhofft haben.

Nicht nur bleibt diese Strategie – vor allem in der Investmentbank – noch diffus. Sie zeigt bislang auch keinerlei Wirkung, was sich im Vertrauen der Investoren und im Aktienkurs der CS spiegelt, der allein 2016 über 30 Prozent verloren hat.

Der Ende März angekündigte neuerliche Abschreiber in Milliardenhöhe offenbarte innerhalb der Bank nicht nur erhebliche organisatorische Probleme. Er öffnete eine Wunde erneut, welche CEO Thiam eigentlich mit Hilfe der im November 2015 erfolgten Kapitalerhöhung hoffte, geschlossen zu haben.

Von allen Seiten unter Druck

finews.ch hatte das Problem bereits im März benannt: Die Kapitalausstattung der CS ist weiterhin alles andere als beruhigend. Die Bank muss Geschäfte abbauen und gleichzeitig Kapital aufbauen.

Wie die Nachrichtenagentur «Bloomberg» am Freitag berichtet, hat der viel beachtete Bankenanalyst von Morgan Stanley, Huw van Steenis, den Teufelskreis, in welchem die CS steckt, nun auch gegenüber Kunden beschrieben.

Er befürchtet, dass Thiam gezwungen ist, die Division Global Markets der Investmentbank stärker zu schrumpfen oder Teilbereiche zu verkaufen, was die Ertragssaussichten schmälern würde. Van Steenis zeichnet das Bild einer Bank, die von allen Seiten unter Druck steht. Sie steckt mitten in einer Restrukturierung, die kurz- und mittelfristig die Ertragslage schwächt, während sie Kapital aufbauen muss.

CS in der «Value Trap»

Die einzige Lösung, die van Steenis sieht: Die CS werde einen höheren Anteil ihrer Swiss Universal Bank verkaufen müssen. Die CS will rund 30 Prozent ihrer Schweizer Tochter über die Börse an Investoren verkaufen. Wenn die CS nun gezwungen ist, mehr zu verkaufen, wären die Folgen nicht nur positiv: Denn ein solcher Schritt würde auch die zukünftigen Gewinne der Bank schmälern.

Er sieht die CS darum in einer «Value Trap» und warnt Anleger, sich nicht von der tiefen Bewertung der Bank verleiten zu lassen. Mit anderen Worten: Es kann auch noch schlimmer kommen.

Offener Grabenkampf

Während Bankanalysten zunehmend düsterere Prognosen für die CS stellen, wird nun weiter ersichtlich, dass insbesondere der Milliardenabschreiber in der Investmentbank ein Ereignis darstellt, welches die Zukunft der CS noch nachhaltig bestimmen wird.

Wie aus einem Artikel des «Wall Street Journal» (Artikel bezahlpflichtig) vom Freitag hervorgeht, herrscht in der CS inzwischen ein offener Grabenkampf zwischen den Investmentbankern von Global Markets und Thiams Management-Team. Im Artikel beschuldigen Banker Thiam anonym, er habe ein Chaos veranstaltet. Die Abschreiber wären in dieser Höhe nicht notwendig gewesen.

Die Angriffe sind persönlicher Natur: So ist zu lesen, Thiam ziehe es vor, Sitzungen in seiner Hotelsuite in New York abzuhalten. Man erinnert sich an anonym gemachte Äusserungen von CS-Bankern, Thiam fliege mit dem Helikopter in der Schweiz herum, um CS-Filialen zu besuchen.

Thiam nicht unschuldig

Die Schuld für den Milliardenabschreiber versuchen sich die CS-Oberen nun gegenseitig in die Schuhe zu schieben – und Thiam ist an diesem offen ausgebrochenen Grabenkampf nicht unschuldig.

Im April hatte die Nachrichtenagentur «Reuters» aus dem Email-Verkehr zwischen Thiam und dem seit Oktober 2015 amtierenden Chef Global Markets, Timothy O'Hara zitiert, in welchem der CS-CEO von seinem Untergebenen in forschem Ton Informationen fordert.

Es ist offensichtlich, dass diese Korrespondenzauszüge aus Thiams Entourage gezielt gestreut worden sind.

Stärkt Rohner dem CEO den Rücken?

Ein Versuch, den vormaligen Fixed-Income-Chef, Gaël de Boissard, in die Verantwortung für die illiquiden Handelspositionen und den Milliardenabschreiber in die Verantwortung zu nehmen, scheint vorerst gescheitert. Dem «Wall Street Journal» richtete de Boissards Anwalt aus, sein Mandant habe die Geschäfte sauber übergeben, dann sei er für einen fünfmonatigen Ski-Trip verreist.

In dieser gleichzeitig dramatischen wie auch unübersichtlichen Situation ist Thiam gut beraten, die Wogen zu glätten und sich eine Hausmacht zu sichern. Der Weg dazu führt nur über Verwaltungsratspräsident Rohner, der bislang wenig in Erscheinung getreten ist, um seinem CEO den Rücken zu stärken.