Im Steuerstreit mit Frankreich droht ein Ex-Mitarbeiter der Grossbank UBS besonders gefährlich zu werden. Gegenüber den französischen Behörden hat dieser sich nun des Langen und Breiten über mutmasslich heikle Interna ausgelassen.
Zwischen 2000 und 2010 arbeitete er für die UBS in Lausanne und betreute von dort aus mehrere hundert französische Kunden. Seit 2014 packt er unter der Chiffre «Zeuge 119» gegenüber den französischen Behörden über mutmassliche Steuervergehen bei der Schweizer Grossbank aus – und ist mit seinem Wissen zur Trumpfkarte des Untersuchungsrichters Guillaume Daïeff in Paris avanciert, wie die französische Zeitung «Le Monde» am Donnerstag berichtete.
Die Interna, die der Ex-UBS-Mann preisgegeben hat, kommen für die UBS im langwierigen Steuerstreit mit Frankreich reichlich ungelegen. Ist den nun publik gewordenen Berichten von Zeuge 119 nämlich zu glauben, hat die grösste Schweizer Bank im Nachbarland ein Undercover-System zur Betreuung von Schwarzgeld unterhalten, das den einstigen «James-Bond-Tricks» der Bank im Geschäft mit US-Steuerflüchtlingen nur wenig nachsteht.
Brisantes Verhältnis
In Lausanne, zitiert «Le Monde» aus den Aussagen des Ex-Bankers, hätten die wenigsten der dort betreuten französischen Kunden ihr Geld korrekt versteuert. «Im Affluent-Segment waren das wohl 1 bis 2 Prozent, bei den sehr vermögenden Personen 4 bis 5 Prozent.»
Eine brisantes Verhältnis, das die UBS offenbar nach Kräften vor den Augen des französischen Fiskus zu verschleiern versuchte, wie weiter berichtet wird. Oft wurde mit Kunden nur von Telefonkabinen aus telefoniert. Es wurden Decknamen wie «l’ami du Ritz », also der Bekannte aus dem Ritz-Hotel, verwendet.
Paranoia und Schizophrenie
Zeuge 119 spricht diesbezüglich von einer regelrechten Paranoia, die bei seinen Chefs in den Nuller-Jahren um sich gegriffen habe. Kundendaten durften nie in den Computer eingespeist werden, sondern mussten auf Karteikarten schriftlich abgelegt werden – weil die Bank Datenlecks in der IT fürchtete.
Ebenfalls zum Einsatz gekommen seien präparierte Laptops. Die wurden «leer» über die Grenze genommen. Beim Kunden in Frankreich konnten die Berater dann aber auf Daten einer gesicherten «Cloud» zugreifen.
Der Ex-UBS-Kundenberater spricht auch von einem schizophrenen Umgang mit der Compliance. Alle Kundenberater hätten entsprechende «country paper» unterschreiben müssen, dass sie sich im Geschäft mit ausländischen Kunden an die Regeln halten würden. «Gleichzeitig hat man uns alle Mittel in die Hand gegeben, um Kunden bei der Steuerhinterziehung zu unterstützen», klagt der Zeuge der französischen Richter.
«Nie der Fehler der UBS»
«Das ist das, was mich aufregt: am Ende ist es immer der Fehler des Kunden und des einzelnen Beraters, aber nie der Fehler der UBS.»
Genau das sehen die französischen Behörden anders. 2014 verdonnerten sie die Schweizer Grossbank zu einer Kaution von umgerechnet 1,3 Milliarden Franken.
Sie werfen der UBS vor, mittels eines ausgeklügelten Systems von geheimen Buchungen zwischen 2004 und 2012 Milliarden Euro an Kundengeldern am französischen Fiskus vorbeigeschleust zu haben.
Im März 2015 musste auch die französische Tochterbank eine Kaution von 10 Millionen Euro zahlen; zudem wird gegen ehemalige Angestellte der Bank in Frankreich ermittelt.
Gang nach Strassburg
Wie auch finews.ch berichtete, bestreitet die Grossbank die Anschuldigungen aus Frankreich und gelangte deswegen bereits an die oberste gerichtliche Instanz in Europa, den Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg.
Weiterhin hängt indes das Damoklesschwert einer Millarden-Busse über dem Schweizer Institut. So wurde in den Medien spekuliert, dass die Busse für die UBS in Frankreich bis zu 6 Milliarden Franken betragen könnte – obwohl dies die Bank umgehend dementierte.
Angesichts der Aussagen von Zeuge 119 dürften die französischen Richter allerdings nicht geneigt sein, die Schweizer Grossbank glimpflich davonkommen zu lassen.