Die Banken nähern sich dem «Uber-Moment». Das behauptet Antony Jenkins. Für den entlassenen Chef der britischen Barclays Bank ist klar: Neue Geschäftsmodelle werden die Hälfte der Jobs in der Finanzwelt vernichten. Und Geld alleine werde auch nicht mehr genügen, um die besten Leute in die Banken zu holen, sagt der Brite weiter.
Der 54-jährige Antony Jenkins ist kein Mann der grossen Posen und Verlautbarungen; er ist eher ein stiller Schaffer, der sich im wenig glamourösen Kleinkundengeschäft nach oben arbeitete. So kennt er vermutlich auch eher die Sorgen und Nöte der Leute von der Strasse und weniger die abgehobene Welt der Investmentbanker an der Wall Street.
Dennoch reichte ihm diese Erfahrung nicht, um in den vergangenen Jahren den lädierten Barclays-Konzern wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Mit seiner Reorganisation erfüllte er die Erwartungen der Aktionäre nicht und musste auf halbem Weg – im letzten Sommer – seinen Hut nehmen, wie auch finews.ch berichtete.
Gänzlich auf den Kopf gestellt
Seither betätigt sich der Brite als Kommentator und Beobachter der Bankbranche – und kommt dabei zu ernüchternden Schlüssen, wie seine kürzliche Rede «Approaching the Uber Moment in Financial Services» im noblen Londoner Chatham House illustriert. Auch die Nachrichtenagentur «Reuters» hat darüber berichtet.
Darin stellt Jenkins fest, dass der technologische Fortschritt, der bereits in anderen Branchen (Uber/Taxigewerbe, Airbnb/Hotellerie oder Netflix/Filmbranche) die traditionellen Geschäftsmodelle gänzlich auf den Kopf gestellt habe, auch vor der Bankbranche nicht Halt machen werde. Im Gegenteil, wer sich heute ein Bild von den zahlreichen Entwicklungen im Fintech-Bereich mache, werde seine, Jenkins’-Prognose kaum bestreiten, sagt der Ex-Bankchef.
Eine unaufhaltsame Kraft
Der Brite geht davon aus, dass in den nächsten zehn Jahren weltweit jede zweite Stelle im Bankwesen verschwinden werde. Diese Entwicklung gehorche einer «unaufhaltbaren Kraft», die jedoch zu einem besseren Kundenservice und zu einer Welle neuer Banken führen werde. Selbst in einem weniger dramatischen Szenario ist Jenkins überzeugt, dass mindestens jede fünfte Stelle im Banking verschwinden wird.
Manche neuen Banken würden inskünftig gar keine Filialen mehr haben, sagt Jenkins weiter und verweist dabei auf die britische Atom Bank, die nächstes Jahr als reine App-Bank an den Start geht. Dass dies nicht bloss ein Spleen irgendwelcher Fintech-Geeks ist, unterstreicht die Tatsache, dass sich sogar die spanische Grossbank BBVA, die im Technologiebereich eine Pionierrolle einnimmt, bereits mit 45 Millionen Pfund (knapp 70 Millionen Franken für 30 Prozent der Aktien) an der Atom Bank beteiligt hat.
Hohe Eintrittsbarrieren
Diese (neuen) Banken würden den alten haushoch überlegen sein, erklärt Jenkins, da sie zu viel tieferen Kosten operieren könnten und keine veraltete IT hätten. Weil jedoch im Finanzsektor die Eintrittsbarrieren relativ hoch seien, würden etablierte Banken länger als in anderen Branchen überleben können. Und angesichts dessen werde es zu zahlreichen Fusionen kommen, ist der Brite überzeugt.
Ein zentraler Überlebensfaktor für jede Bank werde das Personal sein, betont der frühere Barclays-Chef. «Wenn die Banken auch in Zukunft die besten Leute anziehen wollen, dann müssen sie wieder attraktiv werden und sich zu interessanten Arbeitsstätten entwickeln. Geld allein wird nicht mehr ausreichen, um Talente anzuziehen, wie das vor 2008 gang und gäbe war», sagt Jenkins.
Ab ins Silicon Valley
Mit dieser Aussage spielt er auf die attraktiven Arbeitsmöglichkeiten, die zahlreiche Technologie- und Multimedia-Firmen in der Welt (Silicon Valley, Singapur, Berlin) bieten, und wohin es mittlerweile zahlreiche Banker zieht, wie finews.ch schon verschiedentlich berichtet hat.