Mario Draghi ist ein Verfechter der «Forward Guidance»: Der EZB-Präsident bereitet die Märkte verbal auf wichtige Entscheide vor. Nun wird bekannt: Die UBS traf sich vor einem EZB-Treffen mit Notenbankern.
Bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) wäre das undenkbar: Informelle Meetings mit wichtigen Finanzmarkteilnehmern vor wichtigen geldpolitischen Entscheiden. Nicht so bei der Europäischen Zentralbank (EZB).
Ihre Notenbanker halten regelmässig Treffen mit Top-Vertretern von Grossbanken oder Hedgefonds ab, um ihre geldpolitischen Schritte zu erklären und deren Effektivität zu erhöhen. Auch andere Notenbanken halten sich an dieses Prinzip.
Selektive Treffen der EZB
EZB-Präsident Mario Draghi gilt als ein Notenbank-Präsident, der mit seiner «Forward Guidance»-Politik am weitesten geht, indem er durch unmissverständliche Aussagen («whatever it takes») die Märkte warnt und vorbereitet.
Nun ist allerdings bekannt geworden, dass Notenbanker der EZB vor wichtigen Entscheiden auch selektiv Marktteilnehmer getroffen haben, wie die «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) am Dienstag berichtete. Die Wirtschaftszeitung hat bei der EZB entsprechende Dokumente eingefordert und auch erhalten.
UBS traf zwei Spitzenvertreter
Aus diesen «Tagebüchern» der sechs Mitglieder des Executive Board der EZB geht hervor, dass sie mehrmals Banker und Hedgefonds-Manager getroffen und gesprochen haben, manchmal wenige Tage vor einem geldpolitischen Entscheid, in einem Fall nur Stunden davor.
So gehe aus den Aufzeichnungen hervor, dass Benoît Coeuré (Bild) und Yves Mersch am 2. September 2014 Vertreter der UBS getroffen haben. Zwei Tage später, am 4. September, überraschte die EZB die Märkte mit einer Zinssenkung.
Auch Blackrock gehört zum Kreis
Am Morgen des 4. Septembers habe Coeuré noch Vertreter der französischen Grossbank BNB Paribas empfangen. Sie und die UBS kommentierten dies gegenüber der «Financial Times» nicht.
Auch der weltweit grösste Asset Manager Blackrock ist in den Genuss einer Privataudienz mit Coeuré gekommen. Das Treffen fand im März dieses Jahres statt, bevor die EZB Details zu ihrem Quantiative-Easing-Programm bekannt gegeben hat.
Mit den Notenbankern auf Du und Du
Welcher Vertreter von Blackrock Coeuré traf, geht aus dem Artikel nicht hervor. Philipp Hildebrand ist Vice-Chairman bei Blackrock. Zu seinen Aufgaben zählt die Betreuung grosser Kunden ausserhalb der USA.
Der frühere SNB-Präsident unterhält ausgezeichnete Beziehungen zu den führenden Notenbankern weltweit. Als Hildebrand noch beim Hedgefonds Moore Capital tätig war, war er für den Kontakt und den Austausch mit den wichtigsten geldpolitischen Entscheidungsträgern zuständig gewesen.
Kein Hinweis auf Insider-Informationen
Im Sommer, auf dem Höhepunkt der diesjährigen Griechenland-Krise, trafen sich EZB-Vizepräsident Vitor Constâncio und Chefökonom Peter Praet mit Vertretern des Hedgefonds Algebris.
Die beiden hielten auch Meetings mit BNP Paribas sowie dem Anleihen-Fondsmanager Pimco ab. Die EZB entschied damals beinahe täglich über Notkredite für griechische Banken.
Die «Financial Times» hält fest, es gebe keine Hinweise darauf, dass die Notenbanker interne Regel der EZB gebrochen und Insider-Informationen weitergegeben hätten.
«Quiet period» – auf dem Papier
Die EZB-Regeln beinhalten eine «quiet period», welche es Notenbank-Vertretern verbietet, in der Woche vor einem wichtigen geldpolitischen Entscheid in der Öffentlichkeit zu sprechen.
Gerade Coeuré hat diese Regel aber geritzt, wie diesen Mai bekannt geworden war. Er informierte Hedgefonds-Manager an einem Meeting in London über die Details des geplanten Anleihenkaufs durch die EZB.
Coeurés Äusserungen wurden erst am Tage nach dem Meeting öffentlich gemacht. Die EZB bezeichnete dies als «internen Prozessfehler».