Regulierung dürfe nicht zum Selbstzweck, und schon gar nicht zum Profilierungsfeld bankenkritischer Politiker werden, sagt Markus Staub von der Schweizerischen Bankiervereinigung und setzt drei Prioritäten zu diesem Thema.
Markus Staub ist Mitglied der Direktion der Schweizerischen Bankiervereinigung und Leiter Bankenpolitik und Bankenregulierung.
Haben Sie schon einmal weisse Schokolade in der Form einer porösen Morchel probiert? Oder kennen Sie einen Pudding, der wie ein Mozzarella aussieht, aber nach Tomaten schmeckt? Oder Schnipsel einer Limette, die in flüssigem Stickstoff schockgefroren und anschliessend so genannt «dekonstruiert» worden ist? Kürzlich habe ich im Rahmen eines Crash-Kurses Einblick in die Molekularküche gewinnen können.
Dabei habe ich eine interessante Erfahrung gemacht: Für das Ergebnis sind nicht nur die Zutaten, sondern vor allem ist auch das Herstellverfahren von entscheidender Bedeutung!
Bessere Prozesse
In der seit Längerem anhaltenden Diskussion um «gute» und «bessere» Regulierung von Banken scheint mir genau dieses Element zu wenig Beachtung zu finden. Dass nämlich die Qualität der Regulierung nicht nur auf der direkten inhaltlichen Ebene sichergestellt werden muss, sondern die indirekte Ebene der «Produktion» von Regulierung, eben des Regulierungsprozesses, einen substantiellen Beitrag leisten kann.
Kurz: Wenn wir die Qualität der Bankenregulierung verbessern wollen, so müssen wir insbesondere auch den regulatorischen und politischen Prozess, mit dem Regulierung hergestellt wird, verbessern.
Vielversprechender Aspekt
Diese Einsicht ist nicht neu. So enthält beispielsweise auch der Schlussbericht der Expertengruppe «Brunetti» mehrere Empfehlungen zur Verbesserung des schweizerischen Regulierungsprozesses. Aber dieser essentielle Aspekt wird zu wenig berücksichtigt. Er könnte im Hinblick auf eine im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegende, wirkungsvolle und effiziente Regulierung vielversprechend sein.
Ich sehe in diesem Zusammenhang drei Prioritäten:
1. Bedarfsklärung verlangen
Erstens ist nach dem Regulierungsschub, den die Finanzkrise in den letzten Jahren international und national ausgelöst hat, eine liberale Zurückhaltung angezeigt. Der Finanzplatz ist gegenwärtig mit mannigfaltigen Herausforderungen konfrontiert, beispielhafte Schlagworte dafür sind Margenerosion, Digitalisierung und Negativzinsen.
Gerade vor diesem Hintergrund prüfe sorgfältig, «wer sich ewig bindet», und wer die Banken an regulatorische Anforderungen binden will. Der Regulierungsinfarkt muss und kann verhindert werden. Dass es dabei Differenzierung zwischen unterschiedlichen Betroffenen braucht, ist mittlerweile ein Gemeinplatz.
Die Expertengruppe «Brunetti» empfiehlt für die Beurteilung des Regulierungsbedarfs die Durchführung einer «Grundsatzverträglichkeits-Prüfung». Regulierung darf nicht zum Selbstzweck, und schon gar nicht zum Profilierungsfeld bankenkritischer Politiker werden.
Vielmehr sollten die verschiedenen Beteiligten im Regulierungsprozess von Anfang an und immer wieder auf einen klaren Bedarfsnachweis pochen. Reguliert wird im Falle eines klaren Marktversagens, sonst nicht. Wer regulieren will, soll dieses Marktversagen beweisen.
2. Instrumente einschalten
Zweitens sollte der Regulierungsprozess vorsehen, dass die ökonomischen Wirkungen der Regulierung in aussagekräftiger Weise untersucht werden, und die entsprechenden Ergebnisse mit dem nötigen Impact in das Design neuer Regulierung einfliessen.
Regulierungsfolgen-Abschätzungen, Kosten-/Nutzen-Analysen und Wirkungsanalysen sind hier die Stichworte. Für künftige Regulierungsprojekte sind rechtzeitige, praxisnahe und methodisch saubere Abschätzungen der «Wirkungen und Nebenwirkungen» von zentraler Bedeutung. Blindflug ohne Instrumente können wir uns nicht mehr leisten.
Es geht also darum, die Regulatoren auf die Durchführung entsprechender Abschätzungen und auf die transparente Darlegung der Resultate zu verpflichten. In diesem Kontext ist eine neue und unabhängige Prüfstelle für Finanzmarktregulierung sehr zu begrüssen.
3. Dialog verstärken
Und drittens sollte zur Verbesserung des Regulierungsergebnisses der bestehende Dialog zwischen der regulierenden und der regulierten Seite weiter intensiviert und institutionalisiert werden. Dabei ist der Bankensektor weiterhin, jedoch umfassender, frühzeitiger und intensiver als bisher in die Weiterentwicklung der Regulierung einzubeziehen.
Dazu gehört auch die systematische Prüfung der Möglichkeiten und Grenzen der Selbstregulierung. Und vor allem sollte der offene, konstruktive und zielorientierte Dialog zwischen Politik, Behörden, Wissenschaft und Marktteilnehmern im Vordergrund stehen. Die laufende Revision des schweizerischen Massnahmenpakets im Bereich von «Too big to fail» wird eine wichtige Bewährungsprobe für den Einbezug der betroffenen Industrie darstellen.
Mit diesen drei Massnahmen zur Verbesserung des Regulierungsprozesses dürften sich wesentliche Verbesserungen des Regulierungsergebnisses und damit der Rahmenbedingungen für den Bankenplatz erzielen lassen (#vote4finance).
Der Perfektionierung sind Grenzen gesetzt
Die Optimierung des Wegs zur Regulierung als Ansatzpunkt zu wählen, ist nicht zuletzt deshalb attraktiv, weil – «let’s face it» – auch die beste Bankenregulierung Restrisiken beinhaltet und der inhaltlichen Perfektionierung deshalb Grenzen gesetzt sind.
Mit Verbesserungen des Prozesses hingegen kann – übrigens durchaus im Sinne der Taleb‘schen «Anti-Fragilität» – versucht werden, das Finanz- und Regulierungssystem insgesamt weniger schockanfällig und damit robuster zu gestalten.