Selbst eine klassische Privatbank wie Lombard Odier, die ihre Schweizer Werte keinesfalls verleugnen will, wandelt sich zusehends zu einer multinationalen Technologie-Plattform.
Herr Bänziger, Lombard Odier hat im ersten Halbjahr 2015 einen Rückgang der Kundengelder erlitten. Herrscht jetzt Alarmstimmung im Hause?
In keiner Weise, wir sind mit dem Ergebnis zufrieden. Gewisse Schwankungen in den Vermögen muss die Branche hinnehmen angesichts der Wechselkurs-Veränderungen, die insbesondere das Ende der Euro-Untergrenze im vergangenen Januar ausgelöst hat.
Wäre dies nicht geschehen, hätten unsere verwalteten Vermögen weiter zugenommen. Für uns ist wichtiger, dass wir in allen drei Sparten einen Neugeldzufluss verzeichnen konnten.
Wo wächst Lombard Odier geographisch am stärksten?
Wir schlüsseln das nicht auf. Es ist allerdings ein Mythos zu meinen, dass kein ausländisches Geld mehr in die Schweiz fliesse. Das Gegenteil ist der Fall, heute sind das nur noch versteuerte Vermögen.
Der Trend geht aber eindeutig in Richtung onshore, wie Sie ja selbst sagen.
Als über zweihundertjähriges Unternehmen stützen wir uns auf langfristige Entwicklungen ab. Es trifft aber sicherlich zu, dass heutzutage die Notwendigkeit grösser ist, vor Ort präsent zu sein, also onshore.
«Wir nehmen jedes Jahr höchstens etwa zwei neue Kunden auf»
Oder anders gesagt: Nicht nur die Schweizer Kunden, sondern auch die ausländischen erwarten vermehrt, dass sie ihr Bankier an ihrem Wohnsitz betreut. Diesem Bedürfnis tragen auch wir Rechnung.
Einem Kundenbedürfnis entspricht offenbar auch ihre relativ neue Sparte für die Bereitstellung von Technologie- und Bankdienstleistungen für Drittkunden. Sie weisen dort Kundengelder von immerhin 50 Milliarden Franken aus. Was muss man sich darunter vorstellen?
Wir verwalteten auf unserer Technologieplattform treuhänderisch die Vermögen von diversen institutionellen Anlegern und anderen Banken – ein Beispiel ist die KBL-Gruppe aus Luxemburg. Im Prinzip lagern diese Institute ihre IT an uns aus. Weil dies ein doch eher komplexes Unterfangen ist, und wir primär auf Qualität statt auf Geschwindigkeit setzen, nehmen wir jährlich nur etwa zwei neue Kunden auf.
«Der Aufbau eines Asset-Management-Geschäfts ist ein langwieriger Prozess»
Der Bereich ist allerdings ein zunehmend wichtiges Standbein für Lombard Odier, nicht zuletzt aus Gründen der Diversifikation. Insofern dürfte diese Sparte in den nächsten Jahren noch deutlich an Bedeutung gewinnen.
Im Gegensatz dazu scheint Ihre Asset-Management-Sparte kaum vom Fleck zu kommen. Wie kontern Sie diese Feststellung?
Das will ich gar nicht. Der Aufbau eines Asset-Management-Geschäfts ist tatsächlich ein langwieriger Prozess. Das braucht seine Zeit. Es gilt dabei, eine Produktepalette aufzubauen und einen Leistungsausweis zu erlangen, um so auch die erforderlichen Ratings zu erhalten.
«Wir sind kein Asset-Management-Gigant»
Wir sind von unseren Dimensionen her auch kein Asset-Management-Gigant, sondern verfolgen einen spezialisierten Boutiquen-Ansatz. Für den Aufbau haben wir fünf Jahre gebraucht. Wir sind in der Halbzeit angelangt. Nun geht es über in die Phase zwei.
Will heissen?
Seit Ende 2014 arbeitet Lombard Odier Asset Managers profitabel und leistet einen substanziellen Beitrag an den Gruppengewinn. Das Fundament ist also da, die Produkte sind gereift, nun können wir den Verkaufsprozess intensivieren und bauen dafür personell weiter aus. Um ein solches Geschäft, in dem die Margen erwiesenermassen deutlich tiefer sind als im Privatkundengeschäft nachhaltig erfolgreich zu sein, braucht es eben zehn Jahre.
In Ihrem Ausblick sprechen Sie auch vom weiteren Ausbau in Europa und Asien. Was meinen Sie konkret damit?
Wir sind heute an allen Standorten auf der Welt präsent, wo wir sein möchten. Wir besitzen auch die erforderlichen Lizenzen und die Infrastruktur. Personell wollen wir noch weiter ausbauen.
«Es wird zu Personalveränderungen kommen»
Da sich unsere Produktepalette parallel dazu wandelt, wird es auch zu Personalveränderungen kommen. Die Qualität der Teams muss sich noch erhöhen.
Anfang 2018 tritt der Automatische Informationsaustausch in Kraft. Was sind die Konsequenzen für Lombard Odier?
In Europa wird es zu einem noch nie dagewesenen Datenaustausch kommen, und diese Transparenz wird zwangsläufig einen enormen Einfluss auf die Margen und letztlich auf das Preisniveau haben. Folglich werden wir noch effizienter produzieren, sprich unsere Kosten weiter senken müssen.
Ist das realistisch?
Ja, absolut. Grosse Firmen wie Lombard Odier werden immer genug Substanz haben, um über die Runden zu kommen. Wir haben schon früh Sparmassnahmen eingeleitet, die jetzt greifen, und das wird weiter gehen. Die neuste Privatbanken-Studie von KPMG stellt denn auch fest, dass es künftig nur wenige, aber umso erfolgreichere Institute geben wird.
Trotz Globalisierung und einem internationalen Netz an Niederlassungen in insgesamt fast 20 Ländern wollen Sie angeblich auch künftig der Schweizer Tradition verpflichtet sein. Was bedeutet das?
Dass wir unseren Hauptsitz immer in den Schweiz haben werden, der Genfer Bankkultur verpflichtet sind, die mit Vorsicht und Vertrauen treuhänderisch Geld verwaltet und nicht einfach den Kunden Produkte unterjubelt.
«Es wird immer so sein, dass die Mehrheit des Personals in der Schweiz ist»
Zur Schweizer Tradition gehört auch, dass wir die Mehrheit der Erträge hier erwirtschaften, technologische Entwicklungen in der Schweiz starten, und die Bank treuhänderisch der nächsten Generation, es wird die achte sein, anvertrauen. Jede Generation hat ihre eigene Strategie, doch die Grundwerte bleiben gleich.
Lombard Odier beschäftigt weltweit 2'150 Personen. Kommt es angesichts der ehrgeizigen Ausbaupläne auch zu einer Verlagerung von Beschäftigten ins Ausland?
Ja, das ist der Fall, insbesondere für unsere Technologieplattform, die wir in Luxemburg betreiben. Die Kooperation mit der dort ansässigen KBL-Gruppe erfordert dies. Aber es wird dennoch immer so sein, dass die Mehrheit des Personals in der Schweiz ist; derzeit sind das etwa zwei Drittel aller Beschäftigten.
Das könnte sich durch die Übernahme einer anderen Bank schlagartig ändern. Ist eine Akquisition für Lombard Odier überhaupt denkbar?
Denkbar schon, aber wir müssen auch realistisch sein: In der Wirtschaftsgeschichte kenne ich kaum viele Akquisitionen, die wirklich erfolgreich waren, und die meisten dieser Schulterschlüsse scheitern an kulturellen Differenzen. Für eine Bank wie Lombard Odier, die so enorm viel Wert auf ihr kulturelles Erbe setzt, ist es umso schwieriger, einen passenden Partner zu finden.
«Wir sind einer Übernahme nicht abgeneigt»
Der Aspekt der treuhänderischen Verwaltung von Kundengeldern ist bei uns sehr tief verwurzelt. Nochmals: Wir sind einer Übernahme durchaus nicht abgeneigt. Aber das Unternehmen muss zu uns passen. Dieses Kriterium setzen wir ganz hoch an. Wir haben uns einige Opportunitäten angeschaut. Doch keine erfüllte bisher unsere Erwartungen.