Seit dem Ende des Bankgeheimnisses regiert im Schweizer Private Banking die grosse Ratlosigkeit. Dabei hätte die Schweiz einzigartige Vorteile, die sich andere Branchen bereits zunutze machen – die Banken könnten das auch tun.
Woran das Schweizer Private Banking krankt? Es hat fast 80 Jahre lang das Bankgeheimnis als Wettbewerbsvorteil ausnützen können. Seit dieses dahin ist, versucht die Branche in eine neue Ära zu gelangen.
Mühselig passen die Institute ihre Strukturen und Geschäftsmodelle an. Kleinlaut schauen sie über die Grenzen auf andere Finanzzentren und deren Wachstum, deren Strategien und Kompetenzen. Schweizer Banken suchen ihr Heil darin, dass sie dorthin gehen, wo die vermögende Kundschaft ist: nach Asien, in den Nahen Osten, in die USA oder nach Südamerika.
Dass Kunden aus aller Welt noch immer ihr Geld in die Schweiz tragen, jetzt, da es versteuert sein muss und schon bald auch noch der Informationsaustausch stattfindet, wird allenthalben bezweifelt. Denn Schweizer Angebote und Leistungen könnten sich von der internationalen Konkurrenz im Private Banking kaum mehr abheben. Doch es ist gut möglich, dass diese Sichtweise falsch ist.
Eine völlig neue Qualität
Denn sie ist eine Nabelschau, geprägt von einer Vergangenheit, in der sich das Private Banking auf das Bankgeheimnis stützte und andere Standortvorzüge der Schweiz höchstens als Beigabe gepflegt wurden: Rechtssicherheit und politische Stabilität, gewürzt mit der schweizerischen Tugend der Diskretion.
Das waren und sind noch immer in der Branche wichtige Vorzüge, um das Schweizer Banking zu positionieren. Doch den Banken, die dem Bankgeheimnis noch immer nachtrauern, scheint etwas anderes entgangen zu sein: Diese Vorzüge haben im Zeitalter der Cyber-Kriminalität eine völlig neue Qualität.
Daten- und Persönlichkeitsschutz
Das zeigt eine Reihe von ausländischen Unternehmen, die in den vergangenen Jahren die Schweiz als Firmensitz gewählt hat. Zuletzt war es die amerikanische Bitcoin-Firma Xapo, die auf die Aufbewahrung und Speicherung von Krypto-Geld spezialisiert ist. Wie finews.ch berichtete, hat sie im Mai ihren Firmensitz im Silicon Valley aufgegeben und ist in die Schweiz umgezogen.
Der Grund: politische Stabilität, Rechtssicherheit, ein hoher Grad an Daten- und Persönlichkeitsschutz. Gemäss Aussagen von Xapo-CEO Wences Casares waren es die Kunden, die den Umzug in die Schweiz verlangt haben.
Xapo hat seine virtuellen Bitcoin-Tresore in einem atombombensicheren Militärbunker in Attinghausen im Kanton Uri, der sich zunehmend zum internationalen Standort für die Aufbewahrung sicherer Daten entwickelt.
Hohe Glaubwürdigkeit
Ein anderes Beispiel: Multiven, die Firma bietet Banken Schutzprogramme gegen Cyber-Attacken, hat 2014 ebenfalls den Firmensitz vom Silicon Valley in die Schweiz verlegt. Der Grund: Die Firma und ihr Produktangebot hätten mit einem Sitz in den USA, wo Unternehmen und Private vom Geheimdienst NSA ausspioniert werden, ein Glaubwürdigkeitsproblem gehabt.
In einer Welt, in der Daten die neue Währung sind und Bargeld zunehmend unwichtig wird, sollte diese Entwicklung für Schweizer Banken wie ein Weckruf sein. Denn im Prinzip horten Privatbanken in Zürich, Basel oder Genf nichts anderes als Daten: jene ihrer Kunden, der Vermögen und investierten Portfolios.
Kerngeschäft: Daten verwalten
Das Kerngeschäft einer Privatbank besteht denn auch in der sicheren Aufbewahrung und Verwaltung dieser Daten – heute und vor allem in der Zukunft. Und die Schweiz bietet weltweit einzigartige Vorzüge, die sie zum sicheren Hafen für Daten machen.
Diese Vorzüge könnten noch mehr genützt werden, als Wettbewerbsvorteil gegenüber den Finanzplätzen im Ausland. Allerdings sind dafür aber auch einige Voraussetzungen und strategische Massnahmen nötig:
1. Sichere IT
Wo Daten- und Persönlichkeitsschutz als «Unique Selling Proposition» gelten, muss die IT-Sicherheit das höchste Gut einer Bank sein. Datenlecks und Cyber-Kriminalität werden sonst zur grössten Gefahr für den Schweizer Bankenplatz.
2. Digitalisierung
Die Banken müssen den Sprung in das digitale Zeitalter schaffen. Ein absolut sicheres IT-System ist das eine. Notwendig sind aber auch zeitgemässe Systeme für Back Office und Kundenbetreuung. Denn in der Bankenwelt ist nicht nur der physische Kontakt mit Geld und Kundenvermögen durch Daten ersetzt worden. Auch der Kundenkontakt findet zunehmend virtuell statt.
3. Spezialisierung
Im Private Banking ist die Spezialisierung auf Krypto-Währungen wie Bitcoin noch immer eine Nische. Dies könnten Schweizer Institute zu ihrem Vorteil nutzen, zumal Bitcoin-Anbieter die Schweiz bereits als Top-Standort auserkoren haben. Für Privatbanken ist der Aufbau von Know-how mit Krypto-Währungen eine Chance, aber auch Notwendigkeit: Die Chance besteht in einer Differenzierung des Angebots. Die Notwendigkeit besteht darin, dass die Banken sich auf die Bedürfnisse und Interessen der jungen Generationen einstellen.
4. Regulierung
Ohne entsprechende Regulierungsschritte sind Anstrengungen der Banken umsonst. Sprich: Politik und Finanzmarktaufsicht (Finma) müssen den Schritt ins digitale Zeitalter des Banking vollziehen – sowohl, was die Standards in der Datensicherung betrifft als auch, was neue Kundenbedürfnisse bei digitalen und mobilen Banking-Anwendungen betrifft.