Ausgerechnet die mächtige BIZ in Basel bezeichnet die Banken als Schädlinge der Realwirtschaft. Wie sie zu dem überraschenden Schluss kommt.
Diese Message lassen sich die beiden Schweizer Grossbanken viel Geld kosten: Der Bankensektor sei wichtig, um die Wirtschaftskrise in Europa zu überwinden. Verbreitet wurde die frohe Kunde jüngst von der Top-Lobbyistin Judith Hardt, die für den eigens von der Credit Suisse und der UBS in Brüssel installierten Swiss Finance Council im Machtzentrum der EU weibelt.
Dumm nur, das in Basel zwei renommierte Ökonomen dem Voten von Lobbyistin Hardt widersprechen. Und zwar in aller Deutlichkeit.
In einem letzten Februar für niemand geringeres als die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) – bekannt als die «Bank der Notenbanken» – erstellten Studie kommen Stephen Cecchetti (Bild links) und Enisse Kharroubi nämlich zum Schluss: Ein starkes Wachstum im Finanzsektor ist schädlich für die Realwirtschaft.
Studie in 15 Ländern
Unter dem Titel «Warum verdrängt das Wachstum im Finanzsektor jenes in der Realwirtschaft» kommen ex-BIZ-Chefökonom Cecchetti, der derzeit an der Brandeis International Business School in den USA lehrt, und BIZ-Ökonom Kharroubi (Bild links) rasch zur Sache. In einem Modell-Versuch liessen die beiden Wissenschafter das Wachstum in Finanz- und realwirtschaftlichen Sektoren interagieren – und zogen daraus nicht nur ihre Schlüsse für die einzelnen Branchen, sondern auch für die dort engagierten Arbeitnehmer.
Insgesamt untersuchten sie dazu Daten aus 33 Sektoren der Realwirtschaft in 15 Industriestaaten rund um die Welt. Die Resultate sind, gelinde gesagt, überraschend.
Banker folgen Schema X
So stellten die beiden Ökonomen etwa fest, dass in Finanz-Boom-Zeiten gewisse realwirtschaftliche Sektoren besonders leiden. Denn Banker, so Cecchetti und Kharroubi, agierten meist nach demselben Muster. Sie belieferten jene Sektoren mit Krediten, die am meisten greifbare Sicherheiten böten. Etwa die Bau- oder Immobilienbranche.
Das Problem: Damit flössen die Kredite vorab relativ unproduktiven Bereichen zu, so die Studie. Leer gingen hingegen jene Branchen aus, die höhere Risiken aufweisen, aber auch mehr Potenzial. Technologie-Start-ups etwa, wo zwar viel versprechende Ideen generiert werden, aber kaum pfändbares Gut.
Für Cecchetti und Kharroubi ist damit klar, dass die Banken die Innovation abwürgen. Und das erst recht in Boom-Zeiten, weil das viele Geld den Effekt noch verstärke.
Brain-Drain Richtung Wall Street
«Wir fanden klare Beweise dafür, dass ein Finanz-Boom grosse Effekte auf forschungsintensive Sektoren oder Branchen mit hohem Finanzierungsbedarf hat», so die beiden Ökonomen. Und: «Weil Wachstum im Finanzsektor den anderen Branchen Ressourcen entzieht, wird es zur Wachstumsbremse für die Realwirtschaft.»
Dies umso mehr, weil der Finanzsektor in Boom-Zeiten hochqualifizierte und entsprechend produktive Arbeitskräfte in Massen anzieht – die dann der Realwirtschaft fehlen. Das die Wall Street seit den 1990er-Jahren ganze Jahrgänge von Universitäts-Abgängern einstellte, ist dafür das beste Beispiel.
«Alle wollten Hedge Manager werden»
Daran mag sich auch Cecchetti noch erinnern, wie er gegenüber der «New York Times» berichtete. «Als ich an der Hochschule war, wollten alle Kollegen einen Weg finden, um den Krebs zu besiegen. Ab den 1990er-Jahren wollten dann alle nur noch Hedge-Fund-Manager werden.» Doch die Frage stelle sich: Brauchen wir mehr Hedge Funds oder mehr Leute, die unsere Energie- und Umweltprobleme lösen helfen?
In dieser Frage mag zwar eine gute Portion Kapital(ismus)kritik mitschwingen. Denkstoff liefert die BIZ-Studie indes allemal.