Die Schweizer Grossbanken verschaffen sich seit vergangenem Jahr mit einer eigenen Lobby-Organisation mehr Gehör in der EU. Was hat das bisher gebracht?
Mit dem Swiss Finance Council hat die Schweizer Finanzbranche seit gut einem Jahr eine eigene Lobby-Organisation in Brüssel, die auf regulatorische Entwicklungen in der EU Einfluss nehmen soll. Finanziert wird der Swiss Finance Council von der UBS und von der Credit Suisse.
An der Spitze dieser Organisation steht seit vergangenem Mai Judith Hardt (Bild), wie auch finews.ch berichtete. Hardt war zuvor Generaldirektorin des europäischen Börsenverbands, der Federation of European Securities Exchanges (Fese) und bereits 2008 kürte sie das Fachmagazin «Compliance Reporter» zur «Lobbyistin des Jahres».
In einem Interview mit der Westschweizer Zeitung «Le Temps» vom Mittwoch zieht Hardt nun ein Fazit zum ersten Jahr des Swiss Finance Council in Brüssel. Demnach sei die Lobby-Organisation nun voll operativ tätig und beschäftige fünf Personen.
Schwierige Aufgabe
Was 2014 konkret erreicht wurde, sagt Hardt allerdings nicht — aber das liegt in der Natur der Lobbyarbeit, die sich vor allem im Hintergrund abspielt. Doch eine einfache Aufgabe ist es gewiss nicht, sich für die Schweizer Grossbanken innerhalb der EU Gehör zu verschaffen. Zumal die beiden Institute auch zu jenen Finanzkonzernen gehören, die weltweit immer wieder mit Skandalen und Rechtsstreitigkeiten für Aufsehen sorgen.
Der Swiss Finance Council wolle ein neues Kapital aufschlagen, bekräftigte Hardt. «Wir wollen nicht als reaktionäre Lobby-Gruppe wahrgenommen werden, die etwa dafür einsteht, die Boni der Spitzenbanker zu verteidigen.»
Banken als Partner
Die Rolle des Swiss Finance Council definiere sich eher so, die neu gewählte EU-Kommission und das Parlament davon zu überzeugen, dass der Bankensektor wichtig sei, um die Wirtschaftskrise in Europa zu überwinden, beispielsweise als Kapitalgeber für Investitionen.
In den vergangenen Jahren habe die wachsende Regulierung die Tätigkeit der Banken beeinträchtigt. Dadurch sei den Unternehmen weniger Kapital zugeflossen.
Tatsächlich ist das Kreditgeschäft für Unternehmen auf Grund der strengeren Kapitalvorschriften in den vergangenen Jahren massiv geschrumpft. Gemäss Schätzungen wird inzwischen bis zu 40 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung nicht mehr vom Bankensektor mitfinanziert.
EU-Markt ist keine Insel
Judith Hardt hat nicht vor, mit der Tür ins Haus zu fallen. «Es geht vor allem darum, den Ton in der Diskussion zu verändern.» Die Banken wollten als positive Akteure wahrgenommen werden, die für einen Dialog bereit seien und einen Beitrag an die Weiterentwicklung der EU leisteten.
Der Swiss Finance Council sei auch in die Diskussion um die weitere Öffnung der Kapitalmärkte involviert. Die Schweiz sei zwar kein EU-Mitglied, «aber es ist an uns, die EU-Behörden daran zu erinnern, dass der europäische Markt keine Insel ist, sondern von anderen Märkten umgeben wird, die wiederum Investoren mobilisieren können, in die EU zu investieren.»
Eine Wette für weniger Regulierung
Langfristig sieht Hardt die Rolle des Swiss Finance Council als Barometer für politische und legislative Entwicklungen im europäischen Finanzbereich. Das sagte die Chefin des Swiss Finance Council gegenüber der Online-Plattform «sept.info» (Artikel bezahlpflichtig).
Mit seiner Strategie sei der Swiss Finance Council eine Wette eingegangen, dass die neue EU-Kommission weniger auf die Regulierung des Bankensektors fixiert sei, sondern in den Banken vielmehr wichtige Partner sehe. «Europa braucht die Banken und umgekehrt», sagt Hardt.
Hartes Pflaster für Lobbyisten
Präsidiert wird der Swiss Finance Council von Alexis Lautenberg, einem altgedienten Diplomaten in Schweizer Diensten, der zuletzt für die Beratungsfirma Steptoe & Johnson in Brüssel tätig war.
Der Swiss Finance Council hat seinen Hauptsitz zwar in Zürich, aber das Hauptbetätigungsfeld liegt naturgemäss in Brüssel. Mit der Lobby-Organisation sind UBS und Credit Suisse als eigentliche Nachzügler nach Brüssel gekommen. Denn dort treten sich die Banken-Lobbyisten längst auf den Füssen rum.
Insbesondere die Vertreter der britischen Finanzindustrie, die gemäss einer Erhebung der Organisation ‹Corporate Europe Observatory› mit rund 150 Lobby-Organisationen in Brüssel vertreten sind.
Schweiz ist untervertreten
Auch finanziell feuern die europäischen Banken in Brüssel aus allen Rohren: Laut der erwähnten Erhebung geben sie für Lobby-Arbeit jährlich mehr als 120 Millionen Euro aus.
Die Studie zeigt auch, dass Schweizer Finanz-Lobbyisten in der EU-Hauptstadt im Vergleich zu ihren Kollegen aus dem Ausland krass untervertreten sind. Ein echtes Gegengewicht hat der Swiss Finance Council mit dem Aufbau seines fünfköpfigen Teams somit noch nicht geschaffen.