Das neue Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) soll den Kundenschutz verbessern und einheitliche Bedingungen für alle Anbieter in der Finanzbranche schaffen. Das sei grundsätzlich gut, sagt Fabio Perlini von der Regionalbank Clientis. Doch gleichzeitig warnt er vor einer Kostenexplosion – mit fatalen Folgen für die Schweizer Retailbanken und deren Kleinkunden.
Von Fabio Perlini, Mitglied der Geschäftsleitung der Clientis Zürcher Regionalbank. Dies ist der zweite Beitrag in einer Reihe von Texten, in denen sich führende Vertreter der Schweizer Finanzbranche mit dem Thema Regulierung befassen. Diese Serie ist eine Kooperation zwischen finews.ch und dem Zürcher Bankenverband.
Regeln, welche dem eigenverantwortlich handelnden Kunden eine höhere Transparenz und bessere Informationen garantieren, stehen nicht im Widerspruch zu einer liberalen Marktorganisation. Der Vernehmlassungs-Entwurf zum Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) beinhaltet aber Bestimmungen, die vor allem Kosten verursachen und den Anleger wenig bringen.
Besonders problematisch sind die vorgesehenen prozessrechtlichen «Erleichterungen», wie die geplante Beweislastumkehr, die Prozesskostenvorfinanzierung und die Verbandsklagen.
Banken müssen Beweislast tragen
Es wird gefordert, dass die im gesamten Zivilrecht geltende Regelung von Art. 8 ZGB, wonach derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen hat, der daraus Rechte ableitet, im Bereich der Finanzdienstleistungen nicht gilt.
Neu soll der Finanzdienstleister die Beweislast dafür tragen, dass er seinen gesetzlichen Informations- und Aufklärungspflichten nachgekommen ist. Bei fehlenden oder unzureichenden Informationen in den Produktdokumentationen soll zudem automatisch eine Kausalität zur Schädigung des Kunden vermutet werden.
Gefährliche Anreize
Somit kann sich der Finanzdienstleister in einem Rechtsstreit nur vom Generalverdacht entlasten, wenn er einwandfrei nachweist, dass er sämtliche Verhaltens- und Informationspflichten gegenüber dem Kunden tatsächlich vollumfänglich eingehalten hat. Das wird ihm nur gelingen, wenn er entsprechend umfangreich – für jede einzelne Transaktion – dokumentiert ist.
Gefährliche Anreize schaffen die Prozesskosten-Vorfinanzierung und das Verbandsklagerecht. Statt mit dem Finanzdienstleister eine faire Lösung zu suchen, werden Privatkunden, welche die Prozesskosten weitgehend bezahlt bekommen, dazu motiviert, leichtfertige und unnötige Prozesse zu führen.
Kunden mit Informationen überflutet
Das Verbandsklagerecht hat das Potenzial, sich zu einem eigentlichen Geschäftsmodell für Konsumentenschutzorganisationen und Anwälte zu entwickeln.
In der Praxis ist damit zu rechnen, dass die Kunden in Zukunft mit Informationen überflutet werden. Bei der Auftragserteilung werden sie umfangreiche und komplizierte Entlastungbescheinigungen unterzeichnen müssen.
Retail-Segment behindert
Trotzdem bleiben für die Finanzdienstleister die Risikokosten hoch. Die Finanzbranche wird Dienstleistungen nur dann anbieten, wenn am Ende der Wertschöpfungskette sämtliche Kosten vom Kunden bezahlt werden. Im Retail-Segment wird das kaum möglich sein.
Werden die aktuellen Vorschläge umgesetzt, ist davon auszugehen, dass Kleinkunden keine Anlageberatung mehr angeboten bekommen.
Konsequente Überarbeitung gefordert
Die Finanzbranche wehrt sich nicht gegen einen verbesserten Konsumentenschutz. Der Vernehmlassungs-Entwurf zum Fidleg muss aber konsequent nach dem Kosten-Nutzen-Prinzip überarbeitet werden.
Die Regeln zur Rechtsdurchsetzung sind ersatzlos zu streichen. Soll die rechtliche Entscheidungsfindung beschleunigt werden, muss das über eine Anpassung der Zivilprozessordung geschehen und wäre dann für alle Branchen gültig.
- 1. Teil der Serie über Regulierung: «Christian Rahn: Reichtum wird unmoralisch»