Der «Fall Höness» giesst Öl in die Debatte um «Steuergerechtigkeit». Der Präsident der Auslandsbanken in der Schweiz rät zu einem proaktiven Vorgehen.
Herr Gysi, wie würden Sie den Zustand der Auslandsbanken in der Schweiz beschreiben?
Besser als man in diesem schwierigen Umfeld erwarten könnte. Die tiefen Zinsen, die geringe Anlagetätigkeit der Kunden und die Unsicherheiten über die künftige Ausgestaltung der Rahmenbedingungen sind natürlich Faktoren, welche keine eitle Freude aufkommen lassen.
Stellen Sie angesichts der Diskussionen um «Steuergerechtigkeit» eine Abwanderung der Kunden aus der Schweiz fest?
Nein. Im Gegenteil, viele Banken verzeichnen sogar einen Neugeldzufluss. Der hat auch damit zu tun, dass die politischen Unsicherheiten im Ausland sehr gross sind.
«Wir müssen die Unsicherheiten beseitigen»
Andererseits stellen wir einen starken Willen der Kunden fest, sich von der Problematik der Steuerhinterziehung zu verabschieden und ein grosses Interesse an Lösungen bekunden, die dies ermöglichen.
Wie hoch im Kurs sind bei ausländischen Kunden Argumente wie ein fester Schweizer Franken, professionelles Banking noch?
Die Vorteile des Standortes Schweiz wie politische Stabilität oder Rechtssicherheit bilden nach wie vor die Basis, auf der wir mit unserer über Jahrzehnte entwickelten Kompetenz erfolgreich aufbauen können. Wir müssen aber alles daran setzen, um die Unsicherheiten, die aus der Suche nach Lösungen für die Altlastenproblematik resultieren, so schnell wie möglich zu beseitigen.
Ist die von der Schweiz bislang favorisierte Abgeltungssteuer nach Ihrer Einschätzung «Schnee von gestern»?
Die Abgeltungssteuer ist nicht das Ziel, sondern nur ein Mittel zum Zweck. Das Ziel ist eine Lösung der Altlastenproblematik und das Vermeiden, dass in Zukunft der Bankenplatz als Versteck für unversteuerte Vermögen missbraucht werden kann.
«Wir sollten proaktiv auf die EU zugehen»
Wir müssen aber, was die Vergangenheit anbelangt, Lösungen suchen, die unsere Kunden schützen. Wir dürfen das über Jahrzehnte der Schweiz entgegengebrachte Vertrauen nicht verraten, wenn wir in Zukunft glaubwürdig sein wollen.
Die Abgeltungssteuer ist nach wie vor der effizienteste Weg, um möglichst schnell und lückenlos die geschuldeten Steuern zu begleichen. Das mit England und Österreich seit Anfang Jahr eingeführte System beweist es. Andererseits sind auch Programme, die eine Regelung über Selbstanzeigen ermöglichen, wie im Falle von Spanien, Deutschland und Portugal, gangbare Wege, die zum gleichen Ziel führen.
Was sagen Sie zum Druck vor allem von Nachbarländern der Schweiz, sich der EU-Forderung zu beugen und den automatischen Informationsaustausch einzuführen?
Wir sollten proaktiv auf die EU zugehen. Wir sind alle an einer Lösungsfindung interessiert: die europäischen Länder, welche die Steuerhinterziehung bekämpfen wollen und dringend Geld brauchen; genauso wie die Schweiz, die das Thema der Steuerhinterziehung vom Tisch haben will; die Banken, die ihr neues, auf Steuerehrlichkeit der Kunden basierendes Geschäftsmodell so rasch wie möglich umsetzen wollen; die Kunden, die ein für allemal mit der Vergangenheit abschliessen und frei über ihr Vermögen verfügen wollen.
«Wir verlangen die Bildung einer Task Force»
Wenn der automatische Informationsaustausch zum internationalen Standard erhoben wird, wie letzte Woche vom G-20 erklärt, dann wird sich auch die Schweiz anpassen.
Was spüren Sie diesbezüglich seitens Ihrer Verbandsmitglieder?
Wichtig sind heute für alle die Regelung der Vergangenheit sowie Abkommen, die das grenzüberschreitende Geschäft ermöglichen. Eine proaktive Haltung wird durchwegs als der beste Weg für erfolgreiche Verhandlungen erachtet.
Dies bedingt aber seitens der Schweiz ein optimales Zusammenspiel der Politik, der Behörden, der Banken und dere anderen Wirtschaftsbranchen. Deshalb verlangen wir die Bildung einer Task Force, die es ermöglicht, diese Ausnahmesituation erfolgreich zu meistern.
Gab es in der jüngsten Vergangenheit Auslandbanken, die der Schweiz den Rücken gekehrt haben?
Einige haben ihre Geschäftstätigkeit eingestellt durch Liquidation, andere wurden übernommen. Bei den Liquidationen steht schon die Unsicherheit über das künftige Private Banking Geschäft in der Schweiz im Vordergrund.
«Die Bewilligungspraxis ist sehr restriktiv»
Geringere Margen, höhere Kosten – nicht zuletzt auch Regulierungskosten – und die Unsicherheit über die Rahmenbedingungen haben diesen Schritt nahegelegt.
Gibt es auch Auslandbanken, die in der Schweiz neu eine Tochter errichtet haben?
Nein. Ein einziger Effektenhändler hat nun den Bankenstatus erhalten. Interesse bestünde, aber die Bewilligungspraxis ist sehr restriktiv – aus welchen Gründen auch immer.
Was erwarten Sie von der Schweizer Regierung, der Finma und des Gesetzgebers, damit die Schweiz ihre Stellung im internationalen Bankengeschäft zumindest halten, wenn möglich gar festigen kann?
Die Standardsetzer tun sich schwer mit dem Abschied aus der Vergangenheit, siehe etwa Stempelsteuer, die für versteuerte Vermögen eine Tobin Tax ist. Sie tut sich damit natürlich auch schwer mit der Gestaltung der Zukunft als internationaler Finanzplatz.
«Zu selten über Wettbewerbsfähigkeit gesprochen»
In den Strategiepapieren, den politischen und öffentlichen Diskussionen wird nur die Regularisierung angesprochen – aber selten, wie wir in einem steuerkompatiblen Umfeld überhaupt noch wettbewerbsfähig sein können.
Wie präsentiert sich der Schweizer Banken- und Finanzplatz in zehn, fünfzehn Jahren?
Die Marke Schweiz wird weiterhin ein Synonym für Stabilität, Vertrauen und Qualität sein. Die Politik und die Aufsichtsbehörden werden die Rahmenbedingungen so ausgestaltet haben, dass wir keine Nachteile im internationalen Vergleich haben.
«Die sicherste Alternative für Vermögensverwaltung»
Die Schweizer Banken werden ihre einzigartigen Kompetenzen weiter entwickelt haben durch eine verstärkte Fokussierung auf das Asset Management und vor allem durch die Entwicklung von weltweit führenden Technologie-Plattformen für den (grenzüberschreitenden) Dialog mit ihren Kunden.
Die ausländischen Kunden werden, nach wie vor, die Schweizer Banken als die sicherste und bevorzugte Alternative für die Verwaltung ihrer Vermögen betrachten.
Der 1948 geborene Alfredo Gysi ist Präsident des Verbandes der Auslandsbanken der Schweiz sowie Präsident des Verwaltungsrats der Privatbank Privatbanken BSI, die seit 1998 eine Tochter des italienischen Generali-Konzerns ist.
Darüber hinaus ist er Mitglied des Bankrats der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Mitglied des Verwaltungsrates und des Verwaltungsratausschusses der Schweizerischen Bankiervereinigung.
Des Weiteren ist er Präsident des Verwaltungsrats B-Source, Mitglied des Aufsichtsrats der Universität der Italienischen Schweiz in Lugano, Vize-Präsident des Stiftungsrats der Fondazione Agire, Bellinzona, sowie Vize-Präsident des Stiftungsrates der OSI – Fondazione per l'Orchestra della Svizzera Italiana.