Noch ist sie kaum bekannt: Die Schweizer Antwort auf Moody's oder Standard & Poor's. finews.ch sprach mit Adrian Oberlin, dem Geschäftsführer der Fedafin.

Nach dem finanziellen Zusammenbruch von Leukerbad stieg das Bewusstsein der Schweizer Investoren für Bonitätsbeurteilungen von Gemeinden, Städten und Kantonen. Schlagartig wurde bewusst, dass es auch bei Gebietskörperschaften bedeutende finanzielle Unterschiede gibt und Ausfälle für Fremdkapitalgeber möglich sind. Im Zuge dessen wurde im Jahr 2002 die Fedafin (Federalism & Finance AG) mit Sitz in Widnau gegründet, um institutionellen Investoren Ratings für Schweizer Gebietskörperschaften bereitzustellen.

Adrian-Oberlin.kleinDas Bedürfnis nach weiteren unabhängigen Bonitätsbeurteilungen wuchs, weshalb Fedafin mittlerweile den ganzen staatsnahen Sektor — Energie, Gesundheit, Transport, Kantonalbanken — sowie börsenkotierte Unternehmen abdeckt. Seit Anfang 2012 fungiert Adrian Oberlin als Geschäftsführer der Fedafin. Diese beschäftigt neun Mitarbeitende, Tendenz steigend.

Das Ratinguniversum von Fedafin umfasst 2'400 Schweizer Gemeinden und Städte, alle 26 Kantone, 150 staatsnahe Unternehmen sowie über 70 börsenkotierte private Unternehmen. Zu den Kunden hzählen die SIX Swiss Exchange, PostFinance, die Pensionskasse Post, der Ausgleichsfonds der AHV, die Suva sowie verschiedene Banken wie die Bank Vontobel, die Kantonalbanken von Genf, St. Gallen, Graubünden und Waadt sowie Versicherer wie Helvetia, Vaudoise und Generali.

Herr Oberlin, dass es in der Schweiz eine unabhängige Ratingagentur gibt, ist in der Öffentlichkeit kaum bekannt. Macht Fedafin bewusst auf Understatement?

Nein. Dass Fedafin nicht einem breiten Publikum bekannt ist, hat vor allem mit unserem bewusst konservativen Geschäftsmodell zu tun. Da wir unsere Ratings zur Wahrung unserer Unabhängigkeit ausschliesslich im Auftrag von Investoren erstellen – und nicht im Auftrag der Emittenten, wie die grossen Ratingagenturen –, sind wir zur Hauptsache in Investorenkreisen bekannt. Da wir die Ratings nur unseren


«Es trifft zu, dass die Zeit für uns arbeitet»


Kunden, also den Investoren zur Verfügung stellen, werden unsere Ratings zudem nicht öffentlich publiziert. Die Unabhängigkeit als Fundament unseres Geschäftsmodells wiegt die Nachteile eines geringeren Bekanntheitsgrads aber mehr als auf.  

Wäre der Zeitpunkt nicht ideal, sich etwas bekannter zu machen – gerade in einer Phase, in der die drei bekannten Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch zunehmend kritisiert werden?

Es trifft zu, dass die Zeit momentan für uns arbeitet. Bis anhin waren wir mit unseren Marketingtätigkeiten schwergewichtig bei den Investoren tätig. Künftig werden wir aber versuchen, Fedafin auch allgemein in der Öffentlichkeit bekannter zu machen, zumal wir ja die einzige Schweizer Ratingagentur mit Anerkennung im Markt sind.

Wie beurteilen Sie den Stellenwert von Fedafin in der Schweiz?

Mit unserer breiten Abdeckung – wir decken praktisch den gesamten Schweizer Markt für Bonds und Darlehen ab – nehmen wir eine sehr wichtige Rolle für den Schweizer Finanzplatz wahr. Die Bonitätsbeurteilungen von Fedafin tragen auf Investorenseite zu Transparenz und Vergleichbarkeit bei.


«Nicht genug betont werden kann die Unabhängigkeit von Fedafin»


Nicht genug betont werden kann die konsequente Unabhängigkeit von Fedafin, die uns gegenüber allen anderen Anbietern auszeichnet. 2011 wurden wir zudem von der Schweizer Börse SIX als Ratingprovider für das Inlandsegment im Swiss Bond Index aufgenommen. Auch hier können wir für den Schweizer Finanzmarkt einen Mehrnutzen generieren.

Nachdem Sie sich seit Ihrer Gründung auf die Bonitätsbeurteilung von Gebietskörperschaften und staatsnahen Unternehmen beschränkt haben, nehmen Sie seit einigen Jahren auch privatwirtschaftliche Unternehmen unter die Lupe. Was bewog Sie zu dieser Ausweitung des Ratinguniversums?

Massgebend für jede Ausweitung unseres Universums waren immer Kunden- und Marktbedürfnisse. Unsere Kunden sind im Markt breit investiert, weshalb bald einmal der Wunsch nach unabhängigen Bonitätsbeurteilungen für staatsnahe Unternehmen und später nach solchen für privatwirtschaftliche


 «Zahlreiche an der Schweizer Börse kotierte Industrieunternehmen werden von uns bereits abgedeckt»


Unternehmen aufkam, da es auch in diesen Sektoren einen hohen Finanzierungsbedarf gibt. Wichtig ist für uns, dass wir flexibel auf neue Bedürfnisse reagieren können. Beispielsweise gehen wir davon aus, dass durch die neue Spitalfinanzierung in den nächsten Jahren ein hoher Finanzierungsbedarf im Gesundheitssektor anfallen und Fedafin in diesem Bereich expandieren wird.

Bestehen darüber hinaus weitere Pläne einer Ausweitung Ihres Ratinguniversums?

Zahlreiche an der SIX Swiss Exchange kotierte Industrieunternehmen werden von uns bereits abgedeckt. Wenn das Bedürfnis vorhanden ist, könnten wir aber problemlos auch nicht-börsenkotierte Unternehmen einer Bonitätsbeurteilung unterziehen.

Könnten Sie sich vorstellen, auch Ratings für das angrenzende Ausland zu erstellen?

Ja, das ist durchaus denkbar, da wir über das entsprechende Know-how dazu verfügen – sowohl bei Gebietskörperschaften als auch bei Unternehmen.

Handelt Fedafin nur auf Auftragsbasis, oder analysiert Ihre Ratingagentur auch aus eigenem Antrieb?

Sobald die entsprechende Nachfrage für ein bestimmtes Segment vorhanden ist und wir dieses in unser Ratinguniversum aufgenommen haben, erachten wir es als unsere Pflicht gegenüber unseren Kunden, dieses Segment auch dauerhaft und möglichst lückenlos anzubieten. Die entsprechenden Ratings und die laufenden Updates werden dann unabhängig davon erstellt, ob im Einzelfall jemand dieses braucht oder nicht. Beispielsweise erstellen wir mindestens einmal pro Jahr Bonitätsbeurteilungen für fast alle Schweizer Gemeinden, auch wenn sich die Investoren nur für einen Teil davon interessieren. Dasselbe gilt für die staatsnahen und die börsenkotierten privaten Unternehmen.

Wie ist das Fedafin-Rating aufgebaut, welches sind die Schlüsselgrössen, die in Ihr Rating einfliessen?

Es ist schwierig, diese Frage generell zu beantworten, da es gewisse Unterschiede zwischen den verschiedenen Segmenten gibt. Grundsätzlich setzt sich jedes Rating aus einer quantitativen und qualitativen Beurteilung zusammen. Der quantitative Teil bezieht sich auf die eigentlichen Kennzahlen aus Bilanz, Erfolgsrechnung, Investitionsrechnung und so weiter. Für die unterschiedlichen Segmente werden eigens und separat erstellte und validierte Ratingmodelle mit unterschiedlichen Kennzahlen und Gewichtungen


«Vor allem im staatsnahen Sektor ist die Beurteilung der Bailout-Wahrscheinlichkeit unerlässlich»


benutzt. Der qualitative Teil beurteilt zahlreiche weitere bonitätswirksame Einflussfaktoren wie beispielsweise das Marktumfeld bei privaten Unternehmen oder kantonsspezifische Rahmenbedingungen betreffend Schuldenbremse bei Gemeinden. Vor allem im staatsnahen Sektor ist zudem die Beurteilung der Bailout-Wahrscheinlichkeit unerlässlich, da die öffentliche Hand implizit, explizit und/oder durch ihre Eigentümerstellung für die Verpflichtungen von staatsnahen Unternehmen Garantien übernimmt. All dies gilt es zu berücksichtigen.

Welches sind die Vorteile eines Fedafin-Kunden, wenn er von Ihnen ein Rating erhält?

Da gibt es natürlich viele. Unsere Bonitätsbeurteilungen ermöglichen unseren Kunden eine nachhaltige Rendite-Risiko-Optimierung und substanzielle operative Kosteneinsparungen durch den effizienten Ratingzugriff und regulatorisches Einsparungspotenzial. Das Ratinguniversum von Fedafin wird laufend erweitert und selbstverständlich konstant abgedeckt, damit Kunden Gewähr für


«Fedafin stellt interessierten Investoren ihre Ratings zur Verfügung und wird von diesen dafür entschädigt»


regelmässige Updates und Kontinuität haben. Durch unsere konsequente Unabhängigkeit unterscheiden wir uns deutlich von den meisten anderen Ratingagenturen, vor allem von den grossen Drei und dem Credit Research der Banken.

Wird das Fedafin-Rating periodisch überprüft? Erfolgt das automatisch durch Fedafin oder erst auf Auftrag des Kunden?

Unsere Ratings werden mit einem Update versehen, so oft dies nötig ist, mindestens aber einmal pro Jahr. Bei Gebietskörperschaften genügen jährliche Updates meistens, im privaten Sektor kann es durchaus mehrere Updates pro Jahr geben, je nach Entwicklung der Unternehmen und des Marktumfelds.

Wie finanziert sich Fedafin?

Fedafin stellt interessierten Investoren ihre Ratings zur Verfügung und wird von diesen dafür entschädigt. Die Entschädigung liegt je nach Sektor bei etwa ein bis zwei Basispunkten, also bei 0.01-0.02 Prozent einer Finanzierung.


Gründer von Fedafin im Jahr 2002 waren Marco Daldoss, der an  der Uni St. Gallen über die Bonität Schweizer Gemeinden promovierte, und dessen Doktorvater Terenzio Angelini.  Adrian Oberlin, 31-jährig, stiess 2010 zu Fedafin. Er hatte an der Universität St. Gallen zum Thema Besteuerung von Banken in der Schweiz promoviert und über Finanzwissenschaften und Volkswirtschaftslehre doziert.

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