Mit dem «grossen Zinsschritt» hat die SNB ihren Willen unterstrichen, sich gegen eine weitere Aufwertung des Franken zu stemmen. Die tiefe Inflation haben für den nötigen Spielraum gesorgt. Die Anzeichen einer Konjunkturabschwächung und die grossen Unsicherheiten sorgen für Dringlichkeit.
Die Senkung der Leitzinsen um 50 Basispunkte auf nun nur noch 0,5 Prozent an der Dezember-Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) war von einigen Volkswirten erwartet worden, aber nicht von der Mehrheit.
Dass die SNB mit einer grossen Senkung vorgelegt hat, signalisiere eine «gewisse Dringlichkeit», sagt Philipp Burckhardt, Fixed Income Strategist und Portfolio Manager bei Lombard Odier IM. «Wir erwarten für das kommende Jahr auch weitere deflationäre Faktoren, wie sinkende Energiepreise oder ein tieferer Referenzzinssatz, welcher sich im neuen Jahr auf die Mieten auswirken sollte.
Es sei möglich, dass die SNB damit ein klares Signal bezüglich der Währung senden wollte. Und zwar dass weiterhin keine Aufwertung toleriert wird und um möglicher Spekulation schon früh den Riegel zu schieben. Die Wahrscheinlichkeit steige, «dass die SNB das geldpolitische Instrument der Devisenmarktinterventionen wieder vermehrt nutzen wird», heisst es weiter.
Der Versuchung erlegen
Weniger positiv wird der Schritt vom Volkswirt der Migros Bank, Santosh Brivio, gesehen. «Sie (die SNB) erlag damit der Versuchung, mit einem grossen Zinsschritt, ein Zeichen gegen die schwierige Lage an der Konjunktur- und Währungsfront zu setzen. Die Wirkung wird aber überschaubar bleiben», ist er überzeugt.
«Mit dieser Massnahme signalisiert die SNB, dass sie den erwarteten Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Notenbank (Fed) zuvorkommen möchte», heisst es von Mabrouk Chetouane, dem Leiter der globalen Marktstrategie bei Natixis Investment Managers. «Allerdings wird der Spielraum für weitere Zinssenkungen immer kleiner, und die bisherigen Zinssenkungen werfen die Frage auf, welche weiteren Instrumente der SNB noch zur Verfügung stehen.»
Intervention am Devisenmarkt wenn nötig
An der Medienkonferenz betonte SNB-Präsident Martin Schlegel, dass man mit Blick auf den Franken wenn nötig weiter beide zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen wird. «Zinssenkungen bleiben unser Hauptinstrument, falls die Geldpolitik weiter gelockert werden muss. Gleichzeitig sind wir weiterhin bereit, bei Bedarf am Devisenmarkt zu intervenieren», sagte er an der Medienkonferenz.
Den Worten mussten Taten folgen
Bereits im Vorfeld hatte etwa der Chefvolkswirt der Bank J. Safra Sarasin Karsten Junius eine deutliche Senkung als notwendig bezeichnet. Mit ihrer klaren Forward Guidance für eine weitere Senkung im September habe die SNB bereits das Potenzial ausgeschöpft, dies als Ersatz für eine grössere Zinssenkung einzusetzen.
Im üblich zurückhaltendem Duktus der SNB hört sich das weniger dringlich an: «Wir werden die Lage weiter genau beobachten und die Geldpolitik wenn nötig anpassen, um sicherzustellen, dass die Inflation mittelfristig im Bereich der Preisstabilität bleibt.»
Inflation erneut tiefer als erwartet
Den nötigen Spielraum für die grosse Senkung hat sich vor allem durch die Preisentwicklung ergeben. «Die Inflation ist seit der letzten Lagebeurteilung erneut tiefer ausgefallen als erwartet», schreibt die SNB.
«Die Unsicherheit bezüglich des Wirtschaftsausblicks hat über die vergangenen Monate zugenommen. Insbesondere ist die künftige Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik in den USA noch ungewiss, und auch in Europa ist die politische Unsicherheit angestiegen», lautet die Einschätzung.
Schmerzgrenze beim Euro-Wechselkurs
Auch aus der Industrie kommen erneut Appelle, dass die SNB es nicht zulassen dürfe, dass der Franken zum Euro weiter aufwertet. «Die Zinssenkung ist ein richtiger Schritt», sagt etwa Nicola Tettamanti, Präsident von Swissmechanic. «Doch der starke Franken setzt den KMU weiterhin massiv zu.»
Laut einer Umfrage bewerten rund 85 Prozent der Verbands-Mitgliedsunternehmen die Auswirkungen eines schwachen Euro als negativ bis sehr negativ, und 53 Prozent sehen eine direkten negativen Einfluss auf ihren Auftragseingang. Die Mehrheit der KMU sieht die Schmerzgrenze beim Euro-Wechselkurs von 0.95 erreicht.
Mit der heutigen Entscheidung ist auch die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass in der Schweiz auch wieder Negativzinsen möglich werden.