Auch wenn mit MiCAR die Kryptoregulierung in der EU harmonisiert wird, gibt es Spielraum für nationalen Wettbewerb: Eine Handvoll Länder buhlt bei der Umsetzung um die Gunst der Branche. 

Wie wird sich das neue Regulierungsregime in der EU auf den Schweizer Markt für Krypto-Anlagen und die damit verbundenen Dienstleistungen auswirken? Diese Frage, zu der finews.ch zusammen mit Liechtenstein Finance Anfang Monat eine Konferenz durchgeführt hatte, bildete am Dienstag auch an der Veranstaltung Finance 2.0 2024, die (ganz althergebracht im Präsenzmodus) im Zürcher Kaufleuten über die Bühne ging, einen wichtigen Programmpunkt.

Das per Anfang 2025 für die Kryptoindustrie in der ganzen EU massgebende Gesetzespaket heisst Markets in Crypto-Assets Regulation oder kurz MiCAR. Es umfasst Crypto Assets und die entsprechenden Dienstleister, nicht aber etwa Security Tokens oder Non-Fungible Assets (NTF).

Auf die nationale Umsetzung kommt es an

Jürg Baltensperger, Managing Director JayBee, wollte als Moderator von den Teilnehmern der Regulierungs-Podiumsdiskussion zum Start wissen, wie sie MiCAR einschätzten. Hans Kuhn, Partner bei Lawside, attestierte, dass es sich um ein solides Regelwerk handle, das aber für die Schweiz eine neue Hürde darstelle. MiCAR sieht kein Äquivalenzprinzip vor, der Nachweis einer vergleichbaren inländischen Regulierung bringt im Bewilligungsverfahren also nichts.

Lucas Betschart, CEO & Co-Founder 21 Analytics, bezweifelte, dass MiCAR in allen Staaten der EU gleich umgesetzt wird, was ja eigentlich genau die Intention des Gesetzgebers war. Aus Sicht von Tina Balzli, Partner & Global Co-Head Crypto, Fintech & Digital Assets bei CMS, ist MiCAR nicht besonders innovativ. Eine gute Regulation, aber auf die Umsetzung kommt es, lautete die Antwort von Stephanie Wickihalder, Deputy CEO Liechtenstein Bankers Association & President Swiss Fintech Innovations.

Wer erhält die erste MiCAR-Lizenz?

Die Umsetzung wiederum ist abhängig davon, welche Strategie ein EU-Mitglied in Bezug auf die Kryptobranche fährt. Diejenigen, die darin Potenzial für ihren Finanzplatz und die Volkswirtschaft sehen, nehmen eine offenere Haltung ein. Und sie werden darauf achten, dass in den nationalen Bewilligungsbehörden die personellen Ressourcen und das nötige Knowhow vorhanden sind, damit die Anliegen der Krypto-Unternehmen auf Augenhöhe und speditiv behandelt werden können.

Von dieser nationalen Umsetzung (und natürlich auch von der Qualität der eigenen Vorbereitungsarbeiten) wird abhängen, welches Unternehmen Anfang 2025 überhaupt die erste MiCAR-Lizenz erhalten wird. Es darf dann nicht nur als erstes auf dieser Basis in der ganzen EU Krypto-Dienstleistungen anbieten, sondern kann zusätzlich noch einen veritablen Prestigegewinn verbuchen. 

Wink mit dem Zaunpfahl nach Bundesbern

Als EU-Länder mit entsprechenden Ambitionen wurden am Panel speziell die Niederlande, Luxemburg, Deutschland und Österreich genannt. Das ist eine gute Nachricht für die Branche, kann sie doch so trotz Harmonisierung des Regelwerks von einem Wettbewerb bei der Umsetzung profitieren. Weitgehend Einigkeit bestand darin, dass die MiCAR dichter und kleinteiliger sein wird als die herrschenden Vorschriften in der Schweiz.

Einen Wink mit dem Zaunpfahl gab es von Kuhn, und zwar in Richtung Bundesbern. Der Jurist bezweifelt, dass MiCAR mit dem Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) der Welthandelsorganisation (WTO) kompatibel ist, und empfiehlt der Schweiz, die im Fall von Vertragsverletzungen vorgesehenen Schritte einzuleiten.

Milei auch als Krypto-Protagonist?

Klar wurde ausserdem, dass der Rest der Welt nicht wie gebannt auf das Inkrafttreten von MiCAR wartet, sondern schon heute daran ist, die Kryptoindustrie zu umgarnen. Hongkong zeige sich derzeit «unglaublich offen», wusste Kuhn zu berichten. Betschart wies auf ein anderes Land hin, mit mutmasslich präsidentiell gehegten Ambitionen, sich zu einem internationalen Hub zu entwickeln: Argentinien unter Javier Milei, der sich zum Prinzip des Währungswettbewerbs bekennt und als Bitcoin-Fan gilt.

Aber auch wer sich nicht für Regulierung interessierte, kam an der Finance 2.0 auf seine Kosten. Drei Banken zeigten nämlich anschliessend auf, wie sie Kryptowährungen in ihr Angebot integrieren. Die Luzerner Kantonalbank lancierte ihr Angebot samt entsprechender App für die Retailkunden erst im März, als dritte Kantonalbank überhaupt. Serge Kaulitz, Head DLT/Blockchain, machte deutlich, wie viel Vorbereitungs- und Überzeugungsarbeit (Management) nötig war, bis das Kind das Licht der Welt erblickte.

PostFinance-Parfüm löst Filter-Blockade

Konstantinos Ntefeloudis, Leiter des Investment Managements bei Maerki Baumann, zeigte anhand einer Fallstudie auf, in welch erstaunlich grossem Ausmass bereits eine Beimischung von Kryptowährungen im Umfang von 2 Prozent das Rendite-Risiko-Verhalten eines herkömmlichen Portfolios optimiert.

Und Alexander Thoma, Head of Digital Assets bei der PostFinance (die seit Februar Kryptos im Angebot hat), überzeugte mit einer humorvollen Präsentation. Weil ihre eigentlich zur Aufklärung der Kunden gedachten Informationen in den modernen elektronischen Medien Filtern zum Opfer fielen und geblockt wurden, liess PostFinance mit Hilfe von KI den «Duft von Krypto» kreieren und stellte davon eine sehr begrenzte Auflage (ähnlich wie das Gesamtangebot an Bitcoin) her. Das Parfüm – ein origineller Umweg, um über die Sache zu informieren – erwies sich als genügend betörend, um die Filter zu betäuben.