Bald tritt in der EU ein für die Kryptoindustrie zentrales Gesetzespaket in Kraft. Für Schweizer Unternehmen kann sich der Weg über Liechtenstein lohnen, um zu einem «EU-Pass» zu kommen. Die Thematik wurde an einer Veranstaltung von Liechtenstein Finance und finews.ch aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und behandelt.
Ja, Liechtenstein kann Schweizer Unternehmen, die Dienstleistungen im Kryptobereich in der EU erbringen wollen, als Tor nach Europa dienen - aber es gibt auch andere Wege, und welcher der richtige ist, hängt vom jeweiligen Geschäftsmodell ab.
So lautet die Kurzfassung der Antwort auf die Frage, die im Mittelpunkt einer Veranstaltung am Donnerstagabend in Zürich stand: Welche Chancen eröffnen sich für Schweizer Unternehmen aus der Konstellation, dass Liechtenstein als Mitglied des EWR bald das für die Kryptoindustrie massgebende Regulierungspaket der EU (Markets in Crypto-Assets Regulation, MiCAR) übernimmt?
Organisiert wurde der Event von der Plattform Liechtenstein Finance, einem Verein der Regierung und der Finanzmarktverbände des Fürstentums, und finews.ch.
«Blockchain und Künstliche Intelligenz sind für den Finanzmarkt disruptive Elemente und mit Herausforderungen für alle Akteure verbunden», ordnete Prinz Michael von Liechtenstein das Thema in seinem Grusswort in den grösseren Zusammenhang ein. Clara Guerra, Leiterin der Stabsstelle für Finanzplatzinnovationen und Digitalisierung «Innovationsframework Liechtenstein», verwies darauf, dass das Fürstentum flächenmässig zwar klein, aber bei Innovationen gross sei.
Pionierrolle von Liechtenstein in der Kryptoregulierung
Das trifft in Bezug auf die Kryptoregulierung ohne Abstriche zu. Liechtenstein war das erste Land überhaupt, dass Kryptodienstleistungen in einem eigenen Gesetz regelte, im Token- und VT-Dienstleister-Gesetz (TVTG), wobei VT für «vertrauenswürdige Technologien» steht. Die Pionierrolle sei auch mit Zweifeln, Rückschlägen und Risiken verbunden, räumte Guerra ein, aber aufgrund des Ausmasses und des Tempos des Wandels gebe es zum Anspruch der Innovationsführerschaft keine Alternative.
Die Leiterin versteht die Stabsstelle als «Zeitmaschine», die Innovationsprozesse in den grundsätzlich (offensichtlich selbst im vergleichsweise agilen Fürstentum) trägen staatlichen Strukturen beschleunigt.
Thomas Nägele, Rechtsanwalt und Präsident der CCA Trustless Technologies Association, bedauerte, dass MiCAR für nicht EU/EWR-Staaten kein Äquivalenzprinzip vorsieht, dass also der Nachweis einer vergleichbaren inländischen Regulierung im Bewilligungsverfahren nichts bringt. MiCAR tritt bereits Ende Juni für Stablecoins und Ende Jahr umfassend in Kraft.
Liechtenstein will die Regulierung zeitnah übernehmen, im Januar 2025. «Mit einer Liechtensteiner Lizenz wird Kryptoanbietern ganz Europa offenstehen», hielt Nägele fest und machte auch darauf aufmerksam, dass gemäss MiCAR für einen bestimmten Zeitraum die Möglichkeit eines vereinfachten Verfahrens für bereits nach nationalem Recht zugelassene Unternehmen besteht.
MiCAR regelt nicht alles
Er unterstrich zudem, dass es auch Geschäftszweige gibt, die von MiCAR gar nicht erfasst werden, beispielsweise Non Fungible Tokens, Decentralized Finance, Staking und Security Tokens, die in der EU als Finanzinstrumente behandelt werden. Hier bleiben nationale bzw. bereits bestehende Regeln auf EU-Ebene massgebend.
An der anschliessenden, von Claude Baumann, Gründer und CEO von finews.ch, moderierten Diskussion nahm auch Andreas Glarner, Partner MME Legal, teil. «MiCAR ist strenger als die Schweizer Gesetzgebung, deshalb bietet sich für Kryptounternehmen oft die Schweiz als Hub und Liechtenstein als Zugang zur EU an.» Guerra bestätigte aufgrund ihrer Beratungstätigkeit, dass das Interesse von Schweizer Unternehmen am Passporting, also an der Beschaffung der EU-Lizenz über Liechtenstein, rege ist.
Dass die Eidgenossenschaft und das Fürstentum schon jahrzehntelang wirtschaftlich, kulturell und institutionell eng verbunden sind und die beiden Finanzplätze traditionell mannigfaltig vernetzt sind, erweist sich auch in Zeiten der Herausforderungen durch bahnbrechende Technologien als grosser Vorteil.