Die Zürcher Traditionsbank Julius Bär hat bereits viele Millionen Franken in ihre italienische Asset-Management-Tochter Kairos investiert – und wird diese einfach nicht los. Es scheitert dabei vor allem am Ego einiger weniger Manager. Jetzt geht Zurich-Chef Mario Greco zum Powerplay über.
Im vergangenen September hatte der grösste Schweizer Versicherer Zurich Interesse bekundet, die Julius-Bär-Tochter Kairos Partners in Italien zu übernehmen, wie auch finews.ch berichtete. Die Mailänder Asset-Management-Firma mit rund 5 Milliarden Euro an verwalteten Vermögen wurde auf 40 bis 50 Millionen Euro bewertet.
Julius Bär wollte damals diese Informationen nicht kommentieren, während die Zurich einen Entscheid im Herbst in Aussicht stellte, wie weitere Recherchen ergaben.
Widerspenstige Manager
Inzwischen ist November und aus Mailänder Finanzkreisen ist zu vernehmen, dass die Gespräche «in einen sehr dichten Nebel» gehüllt sind, und es unklar sei, ob ein Abschluss des Deals überhaupt noch möglich werde. Die beteiligten Parteien wollten sich dazu nicht äussern.
Wie finewsticino.ch bereits früher berichtet hatte, liegt die Schwierigkeit in diesen Verhandlungen in der Frage, wie die Gründungspartner und Top-Manager von Kairos kompensiert werden sollen. Sie halten 30 Prozent des Unternehmens. Es sind dies CEO Alberto Castelli, Guido Brera, Rocco Bove, Massimo Trabattoni und Caterina Giuggioli.
Mario Greco erhöht den Druck
Offenbar waren es nur ein paar wenige dieser Personen, die sich nun einem Verkauf in den Weg stellten, was bis heute den Deal lähmt. Dies, da die Zurich nur an einer vollständigen Übernahme von Kairos interessiert ist. Wie es weiter heisst, sind die bisherigen Manager auch nicht daran interessiert, nach einer Übernahme durch den Schweizer Konzern weiter für Kairos zu arbeiten.
Vergangene Woche goss die italienische Wirtschaftszeitung «Il Sole 24 Ore» Öl ins Feuer, als sie berichtete, die Verhandlungen seien vollends gescheitert. Diese Beobachtung teilen allerdings nicht alle Kenner der Situation. Sie sind der Meinung, dass der Zurich-CEO, Mario Greco, wenn er tatsächlich vom Verhandlungstisch aufgestanden sei, es nur getan habe, um den Druck auf die Verkäufer zu erhöhen. Das nicht zuletzt, weil die Gespräche in den vergangenen Tagen offenbar in einem eher angespannten Ton geführt worden seien.
Drohender Rückschlag
Dem Vernehmen nach liegen zwischen dem Angebot der Zurich nur 10 Millionen Euro dem Preis, von 50 Millionen Euro, den die Aktionärinnen und Aktionäre von Kairos fordern. Dass es bislang nicht zu einer Einigung gekommen sei, läge weniger am Geld als vielmehr an den operationellen Forderungen der bisherigen Managerinnen und Manager.
Sollte der Deal mit der Zurich scheitern, wäre dies nicht der erste Rückschlag für die Kairos-Eignerin Julius Bär. In den Jahren 2018 und 2019 hatte die Schweizer Bank die Kaufabsichten verschiedener Parteien geprüft, darunter von der Mediobanca und Lombard Odier sowie von Hellman & Friedman, JC Flowers, Apax Partners und Centerbridge. Zu einer Transaktion war es allerdings nie gekommen.
Eine weitere, ernsthafte Interessentin, die italienische Banca Patrimoni Sella & C. war zuletzt – in diesem Jahr – aus vergleichbaren Kauf- respektive Verkaufsverhandlungen ausgestiegen.
Leidiges Kapitel
Die Akte Kairos ist ein leidiges Kapitel in der Geschichte der Zürcher Traditionsbank. Erstmals wurden die Kaufpläne von Julius Bär im Juli 2012 bekannt. Der damalige CEO Boris Collardi, der praktisch gleichzeitig den Kauf von Merrill Lynch International vorantrieb, vereinbarte mit den Kairos-Gründern eine schrittweise Übernahme – damals ein Asset Manager mit 4,5 Milliarden Euro an verwalteten Vermögen und mehr als 115 Mitarbeitenden.
Im November 2012 kam es dann zur ersten Transaktion: Julius Bär erwarb 20 Prozent zu einem geheim gehaltenen Preis. Stattdessen hiess es: Geplant sei eine italienische Privatbank namens Kairos Julius Bär SIM; eine Banklizenz sei der Plan; CEO und Gründer Paolo Basilico bleibe an Bord.
Traum vom Börsengang geplatzt
Tatsächlich entwickelte sich Kairos in der Folge höchst erfreulich. Bis im November 2015 stiegen die Kundenvermögen auf mehr als 8 Milliarden Euro. Collardi wollte weitere 60 Prozent übernehmen und zwar mit der Absicht, das Unternehmen später an die Börse zu bringen. Im April 2016 fand der Kauf statt. Julius Bär zahlte 276 Millionen Euro für die 60 Prozent. Die Märkte brummten. Der Börsengang stand weiterhin auf der Agenda, allerdings ohne genaues Datum.
Im Herbst 2016 räumte Collardi ein, man sei etwas vom Gas gegangen. Die Kunden seien passiver geworden. Gleichwohl entwickelte sich Kairos optimal, 2017 war ein Spitzenjahr, die leitenden Mitarbeitenden erhielten deutlich höhere Boni. Doch Collardi verpasste den richtigen Zeitpunkt für den Börsengang – vermutlich, weil er sich bereits mit seinem abrupten Abgang zu Pictet befasste.
Heisse Kartoffel
Die «heisse Kartoffel Kairos» ging in die Verantwortung von Collardi-Nachfolger Bernhard Hodler über, der noch immer die Option eines Börsengangs am Köcheln hielt, aber bald einmal einsehen musste, dass es nicht genügend Käuferinnen und Käufer für die Kairos-Papiere gab. Mit anderen Worten: Julius Bär scheiterte mit dem Plan, über einen Börsengang eine Prämie einzufahren. Zu dem Zeitpunkt hatte die Traditionsbank rund eine halbe Milliarde Franken in ihr italienisches Abenteuer investiert.
Nachdem er und einige seiner Gefolgsleute gehörig Kasse gemacht haben, trat Kairos-Gründer Basilico als CEO ab; an seiner Stelle folgte im April 2018 Fabio Bariletti. Im Markt war Kairos Ende 2018 höchstens noch 350 Millionen Euro wert – zu wenig für die Zürcher Bank, die alleine rund 320 Millionen Franken Goodwill auf ihrer Italien-Tochter in den Büchern hatte.
Millionen-Abschreiber
Im September 2019 gelangte die Kairos-Beteiligung in die Verantwortung von Hodler-Nachfolger Philipp Rickenbacher, der kurz nach seiner Amtsübernahme als CEO entschied, dass das italienische Finanzinstitut enger an die Gruppe gebunden wird. Als Folge davon verliessen einige fähige Manager das Unternehmen. Im Oktober 2019 verliess gar ein ganzes Hedgefonds-Team die Firma. Ende 2019 nahm Julius Bär einen Abschreiber von 100 Millionen Euro vor.
Im Verlauf der Corona-Krise von 2020 durchlebte Kairos eine schwierige Zeit. Einige wichtige Investment-Manager an Bord übernahmen insgesamt rund 30 Prozent des Kapital, während Julius Bär bis heute die übrigen 70 Prozent hält, über die nun erneut verhandelt wird. Im Oktober 2020 gab die Zürcher Bank einen Abschreiber von 170 Millionen Euro bekannt, rund zwei Jahre später einen weiteren von 57 Millionen Franken.
Nie Geld verdient
Damit wurde vollends klar, dass es Julius Bär mit dieser Beteiligung nie nachhaltig gelang, das Angebot nachweislich auszubauen oder gar Geld zu verdienen. Die Kundenberater der Bank, denen angetragen worden war, die Kairos-Produkte ihrer Kundschaft zu verkaufen, hielten sich kaum daran.
Für Julius Bär hat sich der Kairos-Verkauf mittlerweile zu einem Eiertanz entwickelt, bei dem es die Bank einfach nicht schafft, einen Schlussstrich unter ihre «romanza italiana» zu ziehen; dies in einem dynamischen Markt, der von anderen Schweizer Finanzinstituten mittlerweile heftig umworben wird.