Trotz vielschichtiger Unsicherheiten schaut der Stratege des einflussreichen US-Finanzriesen State Street mit einer Portion Optimismus auf das kommende Jahr. Denn Gaurav Mallik erkennt bereits die Basis für eine Erholung der Weltwirtschaft.
Die grösste Sorge der Investoren sei derzeit die Inflation und die Frage, wie sich Anleger aufstellen können, um diesem Risiko zu begegnen, sagte Gaurav Mallik, Chief Portfolio Strategist von State Street Global Advisors, bei einem Mediengespräch in Zürich.
Mallik geht davon aus, dass die US-Notenbank Fed ab Mitte 2023 ihren Fokus von den Inflations- auf die Konjunktursorgen verschieben wird. Eine erste Zinssenkung könnte im Jahresendviertel 2023 oder im ersten Quartal 2024 erfolgen.
State Street Global Advisors ist mit einem verwalteten Vermögen von fast 4,14 Billionen Dollar der viertgrösste Vermögensverwalter der Welt. Der amerikanische Finanzreihe berät institutionellen Investoren wie Pensionskassen und sogar Notenbanken.
Keine Entwarnung bei der Teuerung
Bei den US-Zinsen werde es vor allem darum gehen, wie lange die Zinssätze auf einem hohen Niveau verharren. «Ob die US-Zinsen in der Spitze 5 oder 5,5 Prozent erreichen, wird nicht das Hauptproblem sein. Viel entscheidender ist, ob das Zinsniveau zu lange auf dem Höchststand verharrt», sagt Mallik.
Er rechnet damit, dass die Wirtschaftsprobleme im kommenden Jahr abnehmen werden. Sei es mit Blick auf die Lieferketten, die Energiepreise oder die Zinsen. Die laufende Transformation, etwa wenn man auf den Chipmarkt oder erneuerbare Energien schaue, sei jedoch kapitalintensiv, was wiederum die Inflation hoch halten werde. «Die Energiekrise in Europa kann nicht von der EZB über die Zinsen gelöst werden. Das fällt in den Aufgabenbereich der Politik.»
Dollar nahe Höchststand
Den Dollar sieht er nahe einem Höchststand. Die drei Faktoren, die den «Greenback» derzeit stützen – steigende Zinsen, sicherer Hafen und relative Renditeerwartungen –, dürften sich bald aber eher abschwächen.
Als grösste Unbekannte sieht der State-Street-Manager die Entwicklung in China. Mehr Klarheit zu Covid-Lockerungen oder zu den Konjunkturprogrammen dürfte es erst im Frühjahr 2023 geben. Zuversichtlich stimmt ihn, dass die Gewinnerwartungen der Unternehmen trotz der Unsicherheiten nicht eingebrochen sind. «Die Zykliker sind viel disziplinierter geworden und kommen offenbar viel besser durch den Abschwung als früher.»
Die Volatilität bei den Ergebnissen werde aber höher liegen als in den vergangenen Jahren und es werde sicher auch höhere Ausfallrisiken bei einzelnen Unternehmen geben.
Wider die Komplexität
Bei den Kunden lasse sich das Bedürfnis ausmachen, schneller und klarer auf Veränderungen reagieren zu können. Auf der Suche nach Rendite seien viele Portfolios in den vergangenen Jahren immer komplexer geworden. Zu den üblichen Assets wie Aktien, Anleihen und Cash sind Private Equity oder Strukturierte Produkte hinzugekommen. Es sei damit zu rechnen, dass es hier wieder zu einer Vereinfachung kommen wird.
Ein weiteres Thema, dass bei den Kunden inzwischen fest verankert ist, sei ESG und das Management der Klimarisiken. «Und das wird auch nicht wieder verschwinden.»