«Der Fokus der Goldanleger hat sich vom Vermögensaufbau hin zu Stabilität und Sicherheit verschoben», sagt Christian Brenner, Präsident und Geschäftsführer von Philoro Schweiz, im Interview mit finews.ch. Bei institutionellen Anlegern stellt er eine vermehrte Nachfrage nach nachhaltigem Gold fest.


Herr Brenner, angesichts des Inflationsdrucks und des unsicheren Marktumfelds haben sich die Edelmetallpreise enttäuschend entwickelt. Wie erklären Sie sich die Konsolidierung, in der sich Edelmetalle befinden, insbesondere Gold?

Andere Anlageklassen haben dieses Jahr deutlich stärkere Einbussen erlitten. Gold hat sich in einem schwierigen Marktumfeld vergleichsweise gut gehalten. In einer längeren Optik weist das gelbe Edelmetall eine beachtliche Wertsteigerung auf. Seit 2018 hat sich der Unzenpreis in Schweizer Franken um mehr als 30 Prozent verteuert.

Wie viel Unsicherheit spiegelt der Goldpreis?

Dank unserer Marktpräsenz in der Region Deutschland, Österreich und Schweiz (DACH) erhalten wir ein gutes Abbild der Anlegerpsychologie. Unsere Kunden nennen als Kaufmotiv derzeit vor allem die Themen Inflation, Unsicherheit oder Sorge vor einer Rezession.

«Gold ist ein gutes Absicherungsprodukt in Zeiten hoher oder drohender Geldentwertung»

In Österreich und Deutschland ist zusätzlich die Abwertung des Euro ein wichtiges Kaufargument. Gold ist ein gutes Absicherungsprodukt in Zeiten hoher oder drohender Geldentwertung. Der Fokus der Goldanleger hat sich gegenüber der Zeit vor der Corona-Krise von Vermögensaufbau hin zu Stabilität und Sicherheit verschoben.

Was erwarten Sie an der Inflations- beziehungsweise Zinsfront?

Weitere Zinserhöhungen angesichts der hohen Teuerungsdynamik könnten den Goldpreis belasten. Für den Goldmarkt indessen sind die Realzinssätze viel wichtiger als die Nominalzinssätze. Die Nominalzinssätze entsprechen den Zinssätzen vor Berücksichtigung der Inflation, während die Realzinssätze inflationsbereinigte Nominalzinssätze sind. Selbst bei Zinssteigerungen wie den am Markt kolportierten 150 Basispunkten bleibt das Realzinsniveau negativ. Für Gold bedeutet das ein an sich gutes Marktumfeld. Denn in Zeiten negativer Realzinsen tendiert der Goldpreis üblicherweise fester.

Kann die Eurozone höhere Zinsen überhaupt verkraften?

Die US-Notenbank hat die Zinszügel deutlich angezogen und so die galoppierende Inflation zuletzt etwas gezügelt. Vor allem für die Südländer der Eurozone sind steigende Zinsen wegen ihrer enormen Verschuldung aber absolutes Gift. Die Europäische Zentralbank wird daher die Zinsen nur sehr vorsichtig weiter anheben können.

Der starke Dollar belastet den Goldpreis. Wird die US-Währung schon bald wieder schwächeln?

Der Greenback hat dieses Jahr von seinem Status als Fluchtwährung stark profitiert und gegenüber fast allen wichtigen Währungen deutlich zugelegt. Sollte sich die Dollarstärke weiter fortsetzen, wird dies die Entwicklung des Goldpreises sicherlich hemmen. Das Wichtigste ist aber, dass Anleger eine breite Streuung haben und auch in unterschiedliche Anlageklassen investieren. Gold darf da nicht fehlen. Es ist ein sinnvoller Baustein für jedes diversifizierte Portfolio.

Silber hat sich besonders enttäuschend entwickelt. Ist die Talsohle erreicht?

Die Durststrecke bei Silber zieht sich schon ewig lange hin. Aufgrund der stärkeren industriellen Nutzung und der trüben Aussichten für das Wachstum der Weltwirtschaft hat sich Silber dieses Jahr deutlich schlechter entwickelt als Gold.

«Ich werte die aktuellen Silberpreise als Einstiegskurse»

Wie günstig Silber im Vergleich zu Gold inzwischen ist, zeigt ein Blick auf das aktuelle Gold-Silber-Ratio. Es notiert um die 90, was in historischer Perspektive ausgesprochen hoch ist. Daher werte ich die aktuellen Silberpreise als Einstiegskurse. Ich bin zuversichtlich, dass Silber über die nächsten Jahre wieder ein Niveau um die 40 Franken pro Unze erreichen kann.

Platin und Palladium – wo geht da die Reise hin?

Scheideanstalten sehen vor allem bei Platin eine gute Zukunft. Der Platinpreis wird stark von den Trends in der Automobilindustrie beeinflusst. Wegen der hohen Palladiumnotierungen wird das Metall wieder öfters in Katalysatoren genutzt.

Die Goldindustrie hat aus Sicht des Umweltschutzes nicht den besten Ruf. Kann man mit gutem Gewissen in Gold investieren?

Ein ganz wichtiges Kriterium beim Thema Nachhaltigkeit ist das Zertifikat der London Bullion Market Association (LBMA). Es steht für strengste und höchste Qualitätsanforderungen, unter anderem bei den Umweltrichtlinien der Minen, den Abbaubedingungen des Rohgoldes und der Produktionsbedingungen der Goldbarren.

«Ein Barren mit LBMA-Zertifikat ist ein Barren mit reinem Gewissen»

Dadurch wird ein verantwortungsbewusster Umgang mit Gold gewährleistet, der ESG-Standards erfüllt. Ein Barren mit LBMA-Zertifikat ist ein Barren mit reinem Gewissen.

Wie wichtig ist für Ihr Unternehmen respektive für Ihre Kunden das Thema Nachhaltigkeit?

Mit unserer Philoro-Line vertreiben wir ausschliesslich «Sustainable Gold», das unter ethisch korrekten und nachhaltigen Bedingungen hergestellt wurde. Im institutionellen Bereich stellen wir eine zunehmende Nachfrage für «Green Gold» unseres Schweizer Raffineriepartners Valcambi fest, das verschiedene internationale Richtlinien wie die Responsible Gold Guidance der LBMA erfüllt.

Welchen Aufpreis zahlen Anleger für Green Gold?

Bei einem Kilobarren beträgt die Prämie etwa 150 bis 200 Franken.

Beschäftigt sich Philoro auch mit der Tokenisierung von Gold?

Dazu kann ich aktuell nicht viel sagen. Fakt ist aber, dass wir uns als Edelmetallhändler mit diesem Trend auseinandersetzen müssen. Eine Kombination dieser neuen Technologie mit physischem Gold bietet interessante Möglichkeiten. Einen marktreifen Gold-Token werden wir in den nächsten zwei, drei Monaten aber nicht haben.

Was eignet sich besser für Anleger: Goldbarren kaufen oder in Gold-ETF investieren?

Ich bin ein Verfechter von physischem Gold. Für mich ist Gold die geprägte Freiheit. Es ist Stabilitätsanker in jedem Portfolio.

«Bei Gold-ETF ist die physische Auslieferung nicht immer so einfach»

Mit Gold hinterlegte Exchange Traded Funds (ETF) sind zwar einfach handelbare Produkte. Aber die physische Auslieferung ist nicht immer so einfach, wenn ich das Gold tatsächlich brauche. Da kann es zu Einschränkungen und Problemen kommen, Banken haben da teilweise sehr unterschiedliche Bedingungen.

Welchen Goldanteil sollten Anleger im Portfolio halten?

Speziell in Krisenzeiten ist Gold ein Portfolio-Stabilisator. Im aktuellen Umfeld empfehlen wir einen Edelmetallanteil von 10 bis 15 Prozent mit Schwergewicht auf Gold.

Was sind Ihre Marktaussichten für den Rest des Jahres?

Wenn die Zinsen nicht mehr stark steigen respektive die Inflation auf hohem Niveau verharrt, dann schlägt wohl die Stunde des Goldes. Womöglich sehen wir bis Ende Jahr noch Rekordpreise. Auf lange Sicht bin ich überzeugt, dass der Goldpreis neue Allzeithochs erklimmen wird.


Der Wiener Christian Brenner verfügt über mehrjährige Erfahrung im Goldhandel, er war in der Vergangenheit vorwiegend im Bereich Grosshandel tätig. Darüber hinaus hat er viel Erfahrung im Werbe- und Medienbereich gesammelt, beispielsweise beim Medienkonzern ProSiebenSat.1. Die Affinität zu Edelmetallen blieb seit Anbeginn sein Steckenpferd. Als Präsident des Verwaltungsrates und Geschäftsführer der Schweizer Tochter von Philoro leitet er von St. Gallen aus die Geschicke des hiesigen Edelmetallhändlers.