Die Einführung von digitalem Zentralbankengeld ist Zukunftsmusik in der Schweiz. Gleichwohl ist der Druck auf die Schweizerische Nationalbank gestiegen, in Sachen Kryptowährungen vorwärts zu machen, wie eine Recherche von finews.ch zeigt.
Im Oktober gab die Schweizerische Nationalbank den Startschuss für den Innovation-Hub, den sie gemeinsam mit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) betreibt. Das erste Projekt, das die Forscher in Angriff genommen haben, ist die Integration von digitalem Zentralbankgeld in eine Distributed Ledger Technologie-Infrastruktur.
Weitere Mitwirkende sind die SIX – und damit die Schweizer Bankenwelt. So weit, so gut. Aber was genau verspricht sich der Finanzplatz von diesem Projekt? finews.ch hat nachgefragt.
Digitales Zentralbankgeld als Katalysator
Grundsätzlich ist das digitale Zentralbankgeld eine wichtige Komponente im Rahmen der technologischen Weiterentwicklung der Finanzmärkte und ihrer Dienstleistungen. Denn mit der Einführung eines sogenannten «Settlement Coin» wird die Grundlage für eine unmittelbare Zahlungsabwicklung geschaffen, was im Banking zu einem technologischen Quantensprung führen dürfte.
«Die Digitalisierung im Banking schreitet voran, aber das Settlement einer Zahlung dauert beispielsweise immer noch viel zu lange. Darum ist es richtig und notwendig, dass die Innovation gesucht wird,» sagt Martin Hess, der Chefökonom der Schweizerischen Bankiervereinigung, im Gespräch mit finews.ch. «Denn die Kunden wollen den Zugang zum gesamten Spektrum an Bankdienstleistungen auf dem neusten Stand der Entwicklung.»
Unter Druck der Emporkömmlinge
Die etablierten Banken werden zunehmend unter Druck gesetzt durch die Neobanken wie Revolut, N26, Neon oder Zak, die aber nur eine begrenzte Auswahl an Bankdienstleistungen anbieten. Um der wachsenden Konkurrenz von Firmen, die mit einem Bruchteil der Kostenstruktur der Grossen arbeiten, Stirn bieten zu können, haben die Banken seit geraumer Zeit ihre Bemühungen in der Digitalisierung vorangetrieben. Kürzlich hat die grösste Schweizer Bank, UBS, gar explizit einen Digitalisierer als neuen CEO vorgestellt.
Auch für Banken wie die UBS ist es völlig klar, dass das digitale Zentralbankgeld ein wichtiges Puzzlestück in der Weiterentwicklung des Banking darstellt.
«Aus institutioneller Sicht würde digitales Zentralbankgeld den Clearing- und Abwicklungsprozess vereinfachen und sich positiv auf die Kapitaleffizienz und die Risikominderung auswirken,» schreibt die UBS in einer Stellungnahme an finews.ch.
Einbezug der Privatindustrie als Schlüsselelement
Die UBS-Experten arbeiten mit Swiss Digital Exchange (SDX) an zwei Anwendungsfällen zusammen, die von digitalen Bargeld-Token zur sofortigen Abrechnung profitieren würden.
Zudem ist die Bank Teil von Fnality International, ein Konsortium, welches das «Utility Settlement Coin-Projekt» verfolgt. Es bezweckt die Schaffung eines Netzwerkes von dezentralisierten Finanzmarktinfrastrukturen und wird ein reguliertes und kurzfristiges digitales Bargeld bereitstellen.
Libra als Gefahr fürs klassische Banking
Die Interaktion zwischen privaten und staatlichen Projekten ist insofern von Bedeutung, als dass private Initiativen den Druck auf die staatlichen Akteure massiv erhöht haben, indem alte Gewissheiten in Frage gestellt wurden.
Zualleroberst steht das Libra Projekt des Facebook-Konzerns. Der Idee einer der Bevölkerung zugänglichen digitalen Ersatzwährung, herausgegeben von einem nicht-staatlichen Akteur, begegnete nicht nur die offizielle Schweiz mit Ablehnung.
Auch die Bankenwelt ist nicht erpicht darauf, dass ein solches Projekt zum Tragen kommt, da es auf den Endkonsumenten zielt und damit das Geschäftsfeld der Finanzindustrie tangiert.
B2B – und eben nicht für C
Auch der Einführung einer allgemein zugänglichen digitalen Währung, wie sie zum Beispiel von der schwedischen Zentralbank angedacht ist, steht die Schweizer Bankenwelt mehr als skeptisch gegenüber.
«Uns ist die Abgrenzung gegenüber einer digitalen Retailwährung sehr wichtig,» sagt Adrian Schatzmann, Digitalexperte der Bankiervereinigung. «Mit der Einführung einer solchen Währung würde das zweistufige Bankensystem abgeschafft.» SNB Präsident Thomas Jordan hat kürzlich klargestellt, dass dies kein Thema sein kann.
Erhöhte Instabilität durch E-Franken für Alle?
Auch die Vertreter von klassischen Retailbanken wie der Raiffeisen stehen der Einführung einer Zentralbank-Kryptowährung für die Allgemeinheit ablehnend gegenüber. Nicht nur würde damit ihr Geschäftszweck tangiert, sie sehen auch die Gefahr einer inhärenten Instabilität des Bankensystems.
«Ähnlich wie bei der Idee des Vollgeldes könnte dies beispielsweise in unsicheren Zeiten «Bank runs» verstärken, da jedermann sein Geld jederzeit unverzüglich von Bankkonten abziehen und bei der Nationalbank parken kann,» sagt Alexander Koch vom Volkswirtschaftsdesk der Raiffeisen Schweiz.
Grundsätzliche Überlegungen der Zentralbanken
Wie die UBS ist auch die Bankiervereinigung froh, dass die SNB und die SIX (an welcher die Banken massgeblich beteiligt sind) den Lead für das begrenzte Projekt einer digitalen Währung für den Finanzmarkt übernommen haben. «Heute können private Währungen digitales Zentralbankengeld nicht ebenbürtig ersetzen,» sagt Hess.
Ganz offensichtlich haben die Projekte wie Libra zu einer gewissen Unruhe im Markt (und bei den Zentralbanken) geführt. Zwar betonen die Initianten, dass die Weltwährung fest mit den bekannten staatlichen Währungen verknüpft und damit stabil würde. Aber die Einführung von Währungen für den Privatgebrauch stellt die Wirksamkeit der Geldpolitik grundsätzlich in Frage und auch die Vorteile von digitalem Zentralbankgeld könnten sich aufheben, wenn schneller und effiziente private Massenzahlungsprodukte bereits vorhanden sind.