Herbert Scheidt 510

Die Heterogenität innerhalb unseres Verbands ist jetzt schon sehr gross. Würden wir auch noch Fintech-Firmen aufnehmen, würde sie noch grösser. Wir müssen vielmehr gemeinsam mit ihnen herausfinden, was sie wirklich brauchen und ihre Anliegen über unsere Zugangswege zur Politik einbringen.

Werden sich die Banken angesichts des unaufhaltsamen Vormarsches der Tech-Giganten und von Fintech-Startup nicht radikal verändern müssen?

Dieses Phänomen wird sich sicherlich akzentuieren. Wir beobachten allerdings schon seit etwa zehn Jahren, wie die Wertschöpfungskette, die bei jedem Institut natürlich immer wieder etwas anders ist, überall aufbricht. Insofern muss sich jede Bank fragen, wo und wie sie sich selber engagieren will, und was sie an Aktivitäten auslagert.

«Schweizer Tugenden sind anderswo auf der Welt keine Selbstverständlichkeit»

Dabei werden die Banken jene Innovationen aufsaugen, die für den Kunden relevant sind. Andere Elemente, welche beispielsweise die technische Abwicklung betreffen, werden sie eher auslagern. Dieser Veränderungsprozess ist im Gang, was letztlich zu einer Verfeinerung in den Strukturen der Banken führen wird.

Hat die Digitalisierung nicht auch zur Folge, dass Bank-Dienstleistungen von überallher angeboten werden können und so das Swiss Banking seine Einzigartigkeit verliert?

Verlässlichkeit, Präzision, Vertrauen, hohe Qualität in der Dienstleistung und in den Produkten, Rechtschaffenheit, Kompetenz – das alles sind Schweizer Tugenden, die anderswo auf der Welt keine Selbstverständlichkeit sind.

«In Italien Geld von einer Bank zur andern zu wechseln, ist kein Kinderspiel»

Wenn Sie beispielsweise in den USA ein Bankkonto eröffnen wollen, ist es immer noch so, dass fast alles mit einem Check bezahlt werden muss. Und in Italien Geld von einer Bank zur andern zu wechseln, ist kein Kinderspiel. Insofern besitzt die hiesige Branche eine Internationalität und Qualität, die nicht so leicht zu kopieren ist.

Wie wird sich dadurch das Berufsbild des Kundenberaters verändern?

Ich bin überzeugt, dass der erfolgreiche Bankkaufmann künftig sehr digital ausgerichtet sein wird. Er muss sich auf diesem Gebiet wohlfühlen und die Möglichkeiten kennen, welche die Digitalisierung bietet und die Kommunikation mit dem Kunden erleichtert.

«Der Kunde wird auch morgen regelmässig auf seinen Bankberater zurückkommen»

Der Kunde seinerseits vergleicht heute seine Bank nicht mehr nur mit anderen Banken. Er vergleicht die Dienstleistungen, mit denen, die er von andern Anbietern wie Google bekommt, und erwartet solche Services auch von seiner Bank. Am Ende des Tages wird der Kunde aber weiterhin eine Person haben wollen, zu der er Vertrauen hat, und die ihn berät.

Der Kunde weiss doch heute so viel mehr als früher. Braucht er da wirklich noch einen Bankberater?

Ein Kunde kann heute angesichts der Informationsflut unmöglich alles wissen und den Überblick über alle Möglichkeiten haben. Der Kunde wird auch morgen regelmässig auf seinen Bankberater zurückkommen, der ihn aus dem Dickicht der Möglichkeiten das Beste herausholt. Das wird, wie beim Steuer- oder Rechtsberater, seine Hauptaufgabe sein.


Herbert J. Scheidt präsidiert seit 2017 die Schweizerische Bankiervereinigung, also den Dachverband der Schweizer Banken. Daneben ist er seit 2011 Präsident des Verwaltungsrats der Zürcher Vontobel-Gruppe. Von 2002 bis 2011 war er deren CEO. Zuvor bekleidete er von 1982 bis 2002 verschiedene Funktionen bei der Deutschen Bank in Deutschland, New York, Mailand und Genf und war ab 1996 sechs Jahre lang Leiter Private Banking International bei der Deutschen Bank in der Rhonestadt. Er verfügt über einen Abschluss in Volkswirtschaft an der University of Sussex in England sowie einen MBA der University of New York.

Weiter ist Scheidt Mitglied des Verwaltungsrats der SIX Group und Vizepräsident des Verwaltungsrats der Firma Hero. Hinzu kommen Mitgliedschaften und Mandate, wie die Mitgliedschaft im Präsidium der Handelskammer Deutschland-Schweiz und Mitgliedschaften im Vorstand der Zürcher Handelskammer und im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).