Digitalisierung und Nachhaltigkeit haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam. Beide bestimmen jedoch die öffentliche Diskussion und werden die Finanzbranche massgebend verändern, schreibt Simon Tribelhorn.
Von Simon Tribelhorn, Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbandes
Die Digitalisierung ist derzeit in aller Munde. Was vor fünf Jahren noch wenigen Finanzinstituten bewusst war und ist heute Realität. Die Regulierung tut sich zwar weiterhin schwer, mit der rasanten Einwicklung Schritt zu halten.
Während in vielen Bereichen weniger Regulierung gewünscht wird, fordern die Marktteilnehmer hier sogar mehr Spielregeln. Dies aber nicht, um sich abzuschotten, sondern um Rechts- und Planungssicherheit zu erhalten.
Diesem Ruf nach Regeln wollen sowohl die Europäische Kommission als auch die Europäische Bankenaufsicht nachkommen. Ihr kürzlich publizierter Fintech-Aktionsplan will die Finanzindustrie bei der Bewältigung dieses einschneidenden Wandels unterstützen und die Risiken besser eingrenzen.
Werte gewinnen an «Wert»
Ein ganz anderes Thema, das die Finanzindustrie massgebend prägen wird, ist Nachhaltigkeit. Seit dem Pariser Klimaabkommen und den im 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs), hat das Thema massiv Fahrt aufgenommen.
Fast zur gleichen Zeit wie der Fintech-Aktionsplan hat die Europäische Kommission ihre Strategie für ein nachhaltigeres Finanzsystem vorgestellt. Demgemäss werden allein in der EU etwa 180 Milliarden Euro zusätzliche Investitionen benötigt, um die vereinbarten Klimaziele zu erreichen.
PwC schätzt den jährlichen Investitionsbedarf weltweit sogar auf 7 Billionen Dollar. Davon wird derzeit nur gerade ein Siebtel von der Öffentlichen Hand abgedeckt. Ein substanzieller Teil muss folglich von der Privatwirtschaft kommen.
Erbengeneration spielt tragende Rolle
Mit dem Wandel zu einer nachhaltigeren Finanzindustrie liegt eine grosse Verantwortung bei den Finanzintermediären als Produzenten und Vermittler von entsprechenden Anlageprodukten. Gleichzeitig werden in den nächsten 20 Jahren 460 Milliardäre rund 2,1 Billionen Dollar an die nächste Generation vererben.
Dies bedeutet, dass auch die sogenannten High-Net-Worth-Individuals (HNWI) und insbesondere die junge Generation eine tragende Rolle spielen werden. Diese Generation wird weniger durch materiellen Reichtum angetrieben, als viel mehr durch Werte. Sie möchte Umwelt und Gesellschaft verändern. Und hier schliesst sich der Kreis zur Digitalisierung. Es ist nämlich diese Generation, für die der tägliche Gebrauch der digitalen Technologien eine Selbstverständlichkeit ist.
DNA von Liechtenstein
Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind somit nicht einfach zwei Trends, sondern für die Finanzindustrie ein Muss, um längerfristig im Markt bestehen zu können. Beide werden die Agenda über die kommenden Jahre massgebend prägen – auch in Liechtenstein.
Das Fürstentum hat dabei eine gute Ausgangslage. Mit dem von der Regierung kürzlich angekündigten «Blockchain-Gesetz» gehört es bei der Digitalisierung zu den Vorreitern. Nachhaltigkeit und das klare Bekenntnis zu den SDGs der Vereinten Nationen ist sowieso schon lange Teil der DNA von Liechtenstein. Zentral wird es sein, Know-how und Kompetenzen entsprechend darauf auszurichten.
Simon Tribelhorn ist Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands (LBV). Nach seinem Studium an der Hochschule St. Gallen war der Jurist sechs Jahre in der Bankbranche tätig, zuletzt vier Jahre als Rechtskonsulent im Bereich Legal und Compliance beim Verband der Raiffeisenbanken in St. Gallen. Seit Februar 2006 ist er für den LBV tätig, zunächst als Jurist, später als stellvertretender Geschäftsführer. Im Januar 2010 wurde er zum Geschäftsführer des wichtigsten Verbands der Finanzbranche in Liechtenstein ernannt.