Seit kurzem ist die Mehrländerbörse Euronext in Zürich präsent. finews.ch sprach mit dem Euronext-CEO Stéphane Boujnah über die Motive, und was es mit dem «Bermudadreieck» auf sich hat.

Die Euronext mit Hauptsitz in Amsterdam betreibt Börsen in Brüssel, Lissabon, Paris und Amsterdam, wo zugleich auch der Hauptsitz ist. Seit Anfang September ist die Mehrländerbörse auch mit Büros in Frankfurt, München, Mailand, Madrid und in Zürich präsent. Letzteres leitet Søren Bjønness, wie auch finews.ch berichtete.

Die Euronext ist in die Schweiz gekommen, weil hierzulande eigenen Angaben zufolge beste Bedingungen für Technologie-Unternehmen herrschen. «Die Schweiz verfügt über ein breites Technologie-Ökosystem, bestehend aus starken Universitäten, vielen Technologie-Anbietern – insbesondere im Bereich Medtech, Fintech oder Biotech. Und diese Firmen benötigen Cash, um Wachstum und Projekte zu finanzieren», sagte Euronext-CEO Stéphane Boujnah im Gespräch mit finews.ch.

Vor diesem Hintergrund hat die Euronext diverse Initiativen auf die Schweiz ausgeweitet, darunter ein Ausbildungsprogramm, das Manager von Technologie-KMUs unterstützen soll, wie sie Kapitalmärkte und die Herausforderungen einer Börseneinführung nutzen können.

In Kontakt mit Schweizer Fintechs

Die Euronext stehe mit mehreren Schweizer Firmen, darunter auch Fintechs, in Kontakt, die an einem Börsengang an die Euronext interessiert sind, so Boujnah, der die Börse seit Ende 2015 führt und zugleich als ihr Präsident agiert. Er rechnet mit mindestens einem Schweizer Börsengang in den kommenden Monaten.

Bereits vor dem offiziellen Launch in der Schweiz liessen sich insgesamt 13 Schweizer Firmen an der Euronext kotieren. Im April 2016 hat beispielsweise der Genfer Therapieentwickler Geneuro sein Börsendebüt an der Euronext in Paris gefeiert. Andere Schweizer Firmen wie Agta Record und Gour Medical sind ebenfalls an der Mehrländerbörse gelistet.

Gefahr eines «Bermudadreiecks»

Binnen drei Jahren hat die Euronext einen Technologie-Markt geschaffen mit aktuell über 330 gelisteten, spezialisierten Unternehmen. «Wir sind daran, eine europäische Nasdaq zu bauen», so Boujnah.  

Die Euronext schliesst damit eine Lücke. So seien zwar viele europäische Börsen gut für Bluechips, aber weniger für spezifische Sektoren wie Technologieunternehmen. «Es fehlt ihnen oft an Tiefe», stellt der CEO fest und erwähnt die Gefahr eines «Bermudadreiecks».

Eine solche Dynamik bei der Technologiefinanzierung entsteht, wenn in einem Markt nicht genügend interessierte Anleger vorhanden sind oder die Anzahl Emittenten sowie Analysten, die sich mit den jungen Firmen beschäftigten, zu gering ist.

Euronext als Mittelweg 

Zwar biete auch die Rivalin SIX für bestimmte Technologiefirmen genügend Liquidität und Research-Abdeckung, räumt Boujnah ein. Technologiefirmen mit einer Marktkapitalisierung von unter 100 Millionen Euro tun sich allerdings schwer, aufgrund der Free-Float-Vorschriften, die bei der SIX deutlich höher sind, wie der Börsen-Chef und ehemalige Santander-Banker weiss.

So gesehen sei die Euronext quasi der Mittelweg zwischen der deutlich grösseren Nasdaq, mit dem Risiko, in der Masse der grossen US-fokussierten Technologiefirmen unbeachtet unterzugehen, und den lokalen Börsen.

Die Euronext, welche einst als mögliche Übernahmekandidatin für die SIX-Gruppe gehandelt worden war, trat jüngst selber als Käuferin auf. Ende November hat das Management angekündigt, die irische Börse ISE für 137 Millionen Euro zu übernehmen.