Erstmals seit der geplatzten Megafusion mit der Londoner Börse gesteht Carsten Kengeter Fehler ein. Seinen umstrittenen Bonus, der auch die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen hat, will er trotzdem.
Ende letzten März stand Carsten Kengeter vor einem Scherbenhaufen. Wie auch finews.ch berichtete, war der 25-Milliarden-Euro schwere Zusammenschluss von Deutscher Börse und London Stock Exchange (LSE) definitiv gescheitert. Die EU-Wettbewerbskommission hatte im Plan des Deutsche-Börse-Chefs ein «de-facto-Monopol» gewittert – und den Deal blockiert.
Gegenüber dem deutschen «Handelsblatt» (Artikel bezahlpflichtig) gestand Kengeter, der bis 2013 die Investmentbank der Schweizer UBS leitete, nun erstmals Fehler ein. «Wir haben in der Kommunikation nicht so überzeugend und emotional agiert, wie das vielleicht notwendig gewesen wäre», gab Kengeter zu.
Auch den Vorwurf, politisch naiv gehandelt zu haben, müsse er sich gefallen lassen.
Hoffnung auf Börse 4.0
In Tat und Wahrheit hatte der Brexit die Fusionspläne durchkreuzt. Während die Briten darauf pochten, die Holding der Superbörse in London anzusiedeln, forderten Politiker in Deutschland eine Änderung der Pläne. Am Veto der Wettbewerbsbehörden scheiterte das Fusionsprojekt dann endgültig.
Einen neuerlichen Megadeal schloss Kengeter aus: «Ich sehe keine Grossfusion, die jetzt für uns attraktiv wäre.» So bleiben neben organischem Wachstum nur ergänzende Zukäufe – und die Vision des Schwaben von einer «Börse 4.0». Kengeter will dabei mit Fintech-Firmen kooperieren und das Potenzial der Blockchain-Technologie nutzen.
Verletzte Compliance?
Zu den Akten legen kann der Deutsche-Börsen-CEO die gescheiterte Fusion trotzdem noch nicht. Denn die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Topmanager wegen Verdacht des Insiderhandel, weil er sich zwei Monate vor Bekanntwerden des Deals mit Börsenaktien eingedeckt hatte.
Dies allerdings, weil er die Titel im Rahmen eines Vergütungsprogramms kaufen musste – Kengeter wehrt sich entsprechend vehement gegen die Vorwürfe. Diese seien nicht mit seiner Ethik zu vereinen.
Ob er im Falle einer Anklage zurücktritt, darauf wollte sich der Ex-UBS-Mann nicht festlegen. Wie finews.ch aus dem Umfeld der Ermittlungen erfahren hat, könnte die Staatsanwaltschaft statt gegen Kengeter auch gegen die Deutsche Börse losziehen. Deren Verwaltungsrat hat nämlich das umstrittene Bonusprogramm aufgesetzt – und damit möglicherweise Compliance-Regeln verletzt.
«Ich dränge mich nicht auf»
Umstritten oder nicht: Seinen Bonus will Kengeter behalten. Angesichts der gescheiterten Fusion und der laufenden Ermittlungen kommt ein Verzicht für ihn nicht infrage. Im vergangenen Jahr hat er rund 7 Millionen Euro verdient.
«Ich weiss nicht, was ich jetzt Schlechtes gemacht habe für die Deutsche Börse», verteidigte sich der Manager. Gemäss dem Vergüngungsplan könnte Kengeter innerhalb dreier Jahre fast 34 Millionen Euro zugewiesen bekommen, wenn das Unternehmen gewisse Ziele erreicht – zusätzlich zu seinem Fixsalär und Bonus, notabene.
Aber bereits im kommenden Jahr läuft Kengeters Vertrag mit der Börse aus. Noch hat der Aufsichtsrat das Mandat nicht verlängert – der Konzern will erst die Vermittlungen abwarten. Der Chef selber möchte weitermachen, wenn man ihn denn lässt. Er sei interessiert, der Börse weiterzuhelfen. Aber: «Ich dränge mich nicht auf.»