Am heutigen Weltspartag gibt es wenig zu feiern, glaubt man Sorca Kelly-Scholte von J.P. Morgan Asset Management. Denn Sicherheit werde heute mit einem garantierten Verlust gleichgesetzt.
Frau Kelly-Scholte, Sie warnen laut davor, das Sparen sei in Gefahr. Wie kommen Sie darauf?
Die Gefahr ist bereits in Verzug. Die Tiefzinspolitik hat insbesondere in Europa den Pensionskassen und Versicherern schwer zugesetzt. Die beginnen jetzt, sich von garantierten Leistungen wegzubewegen und den Versicherten mehr Risiken zuzuschieben. Der Trend dürfte irreversibel sein.
Was ist die Folge?
Dies birgt die Gefahr, dass sich Vorsorgesparer und Versicherer just in dem Moment an die Finanzmärkte wagen, wo grosse Unsicherheiten herrschen. Erleiden sie dann Verluste, könnten sie sich in Cash flüchten oder ganz vom Sparen verabschieden. Wir laufen das Risiko, die Pferde scheu zu machen.
In der Schweiz sieht die Nationalbank Raum für noch schärfere Negativzinsen. Bargeld ist nicht ohne Risiko, oder?
Es ist tatsächlich schon so weit, dass Sicherheit mit einem garantierten Verlust gleichgesetzt wird. Das zeigt das Beispiel der Schweiz sehr deutlich.
«Es bleibt nur ein einziger Ausweg – weniger Rente»
Wie lange werden wir noch mit diesen ausserordenlichen geldpolitischen Massnahmen konfrontiert sein?
Ich glaube nicht, dass sie zum Dauerzustand werden. Denn die Notenbanker erkennen, dass jede neue Massnahme weniger effektiv ist als die letzte. Und am Ende wird es wohl schlicht keine Anleihen mehr geben, welche sie kaufen können.
Was geschieht dann?
Angeführt von der US-Notenbank werden auch die anderen Zentralbanken zu einer Art neuen Normalität übergehen. Das dürfte allerdings noch mehrere Jahre dauern. Am Ende werden die Leitzinsen aber tiefer liegen als vor der Finanzkrise von 2008.
Für Pensionskassen und Versicherer stellt sich zudem das Problem der Überalterung. Wie sind Ihre Prognosen hierzu?
Die Rentenansprüche lassen sich entweder mit Beiträgen oder mit Kapitalgewinnen erfüllen. Wir haben nun das Problem, dass die Finanzmärkte kaum noch Gewinne hergeben, während die aktiven Versicherten mit den Beitragszahlungen an ihre Grenzen stossen. Damit bleibt nur ein einziger Ausweg – weniger Rente.
Sind die fehlenden Kapitalgewinne nicht bloss eine Ausrede der Kassen?
Leider nein. Ich glaube nicht, dass wir mittelfristig viel mehr Wirtschaftswachstum und höhere Anleihen-Renditen sehen werden. Die Rentenversprechen der Vergangenheit können wir uns aus heutiger Warte schlicht nicht mehr leisten.
«Ich wünschte, wir verfügten über ein solches Wundermittel»
Aber ein Anbieter wie J.P. Morgan Asset Management müsste da doch ein Gegenmittel parat haben, oder?
Ich wünschte, wir verfügten über ein solches Wundermittel. Wir sehen heute vielfach, dass Pensionskassen zur Sicherheit in Staatsanleihen investieren, und diese mit risikoreichen und potenziell gewinnträchtigen Investments koppeln. Das Problem ist meist, dass die Anleihen weder besonders sicher noch die Risiko-Anlagen besonders lohnend sind.
Was empfehlen Sie also?
Wir suchen nach Investments dazwischen. Infrage kommen massgeschneiderte Zinsinstrumente, die einen anständigen Coupon liefern. Sachwerte wie etwa Immobilien sind interessant, weil sie stabile Erträge liefern und zudem Schutz vor einer Inflation bieten.
Sorca Kelly-Scholte ist bei J.P. Morgan Asset Management seit einem Jahr als Leiterin Pensions Solutions & Advisory für die Region Europa, Naher Osten und Afrika tätig. Die Mathematikerin verfügt über 20 Jahre Erfahrung in der Betreuung von institutionellen Kunden, zuletzt in leitender Position beim amerikanischen Anlagehaus Russell Investments.