Thomas Sutter erklärt im zweiten Teil des Interviews, wie der Renminbi-Hub aufgegleist wurde, wohin die Reise im Swiss Banking geht, und wo er von der Politik mehr Deutlichkeit erwarten würde.


Herr Sutter, im ersten Teil dieses Interview dieses Interviews haben Sie dem Swiss Private Banking eine lebendige Zukunft vorhergesagt. Das Offshore-Banking ist jedoch eine aussterbende Disziplin, allein schon wenn man sieht, wie viele ausländische Kunden ihre Vermögen nun versteuern und diese in ihre Heimat zurückholen.

Nein, dieses Geschäft läuft weiter. Die in der Schweiz deponierten Gelder von Auslandskunden nehmen zu. Die Herausforderung ist eher die ungelöste Frage, wie unser Finanzplatz weiter wachsen kann, solange der Marktzugang nach Europa für Schweizer Banken nicht geregelt ist.

Und?

Hier brauchen wir eine nachhaltige Lösung mit der EU, welche die rein binnenorientierten Banken nicht mit zu hohen Umsetzungskosten belastet. Diese Quadratur des Kreises wird noch erschwert, angesichts der politischen Situation und der offenen Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative

Ist die Attraktivität des Schweizer Finanzplatz nicht allein schon dadurch in Frage gestellt, dass die Kosten hierzulande – im Vergleich zu Irland, Schottland oder Osteuropa – viel höher sind?

Stimmt, darum muss es unser Ziel sein, die wertschöpfungsintensiven Bereiche im Land zu behalten, und da spielt die grenzüberschreitende Vermögensverwaltung eine ganz wesentliche Rolle.


«Trotzdem boomt die Autoindustrie»


Der Markt ist auch in einer steuertransparenten Welt da. Es gibt nach wie vor ausländische Kunden, die ihr Vermögen aus verschiedenen Gründen diversifiziert verwalten lassen wollen.

Was ist denn wertschöpfungsintensiv?

Der Kundenkontakt, die Beratung wie Nachfolgeplanung und so weiter. Dass die Wertschöpfungskette aufbricht, ist per se nicht schlecht. Diese Art von Industrialisierung, die in anderen Branchen schon lange stattgefunden hat, erfasst nun auch das Swiss Banking.

Woran lässt sich das erkennen?

Nehmen Sie etwa die deutsche Autoindustrie wo ein Hersteller nur noch 20 oder so Prozent am fertigen Auto selber herstellt. Und trotzdem boomt die deutsche Automobilindustrie und geniesst weltweit höchstes Ansehen.


«Zugegeben, es war schon einfacher»


Das muss auch für die Schweizer Banken gelten. Branding und Vertrauen sind entscheidend. Schweizer Banken besitzen beides.

Dafür ist allerdings noch einiges an Kommunikation vonnöten. Wäre das nicht die Hauptaufgabe der Schweizerischen Bankiervereinigung – eine Aufgabe, die bisher, so der Eindruck, eher etwas zu kurz kam?

Aber hallo, auch wir verfolgen einen Multi-Channel-Approach. Kommunikation ist heute viel mehr, als bloss das, was in der Frühstückszeitung steht. Das ist «Old School». Die Online-Kommunikation – auch über Social Media – bestimmt die Meinungsbildung immer mehr. Und hier sind wir seit längerem mit viel Zuspruch und Resonanz unterwegs.

Mit welchem Resultat?

Die Bankiervereinigung kann nach wie vor in den wichtigen Fragen einen Konsens herstellen. Aber zugegeben: Es war schon einfacher und ging auch schon schneller. Die Folge: Einzelne Mitglieder gehen früher in die Öffentlichkeit als wir. Dies führt zur falschen Einschätzung, dass wir zu wenig kommunizieren.

Wenn nun noch Fintech-Firmen den Markt aufmischen, wird es noch komplizierter. Gibt es – wie übrigens auf dem Londoner Finanzplatz – auch schon Überlegungen, solche Unternehmen in den Verband aufzunehmen?

Der Dachverband sollte die gesamte Wertschöpfungskette auf dem Finanzplatz abdecken. Daher wäre das durchaus eine Möglichkeit, sofern gewisse Kriterien erfüllt sind.


«Wir müssen das intensiv diskutieren»


Allerdings besteht die Gefahr, dass bei den Behörden der Eindruck entstehen könnte, Fintech sei zu wenig reguliert. Unser Ziel ist nämlich nicht mehr Regulierung, sondern bessere Rahmenbedingungen für alle. Und hier sind der Gesetzgeber respektive die Finma gefragt.

Was sollte denn die Finma da entscheiden?

Ich denke etwa an die Know-your-customer-Bestimmungen, die ans schnelle Online-Zeitalter angepasst werden müssten. Wichtig ist, dass wir nun keine Fehler machen, die uns Jahre zurückwerfen.

Vor diesem Hintergrund ist es zwingend, dass wir mit der Fintech-Branche einen engen Kontakt pflegen und ausloten, wo wir kooperieren könnten. Aber das müsste schon noch intensiv diskutiert werden. Man heiratet ja auch nicht, bevor man sich ineinander verliebt hat.

Sind die Banken überhaupt zugänglich, für so unbeschwert agierende Jung-Unternehmen?

Sicher. Die Frage ist eher, ob die Fintech-Branche sich nicht von den nach wie vor prominenten Problemen der Vergangenheit abschrecken lässt. Das wäre falsch.


«Jeder Banker weiss, wohin die Reise geht»


Ich bin aber überzeugt, dass die smarten Firmen erkennen, dass sich Swiss Banking in Rekordzeit anpasst und nun auch für den Automatischen Informationsaustausch mit dem Ausland bereit ist. Wir Banken mögen etwas langsam wirken, aber – einmal unterwegs – machen wir es richtig.

Die ganze Aufarbeitung mit dem Bankgeheimnis hätte man doch schon zehn Jahre früher machen können.

Das werden die Historiker dereinst beurteilen müssen. Tatsache ist, dass die Schweiz nach dem 13. März 2009, als man angekündigt hat, das Musterabkommen OECD 26 zu übernehmen, vieles richtig gemacht hat und seither internationale Standards einhält. In allen Märkten legen die Schweizer Banken heute allergrössten Wert auf Compliance, also auf die Einhaltung der Gesetze.

Allerdings haben nicht alle Banken gleich schnell gehandelt, um ihre Vergangenheit aufzuarbeiten.

Man darf nicht einzelne Ereignisse hochstilisieren. Tatsache ist, dass sich die Schweizer Bankbranche bewegt hat, manche Institute schneller, andere langsamer. Aber jeder Banker weiss, wohin die Reise geht – auch ein Verdienst der Bankiervereinigung.

Es befremdet allerdings nach wie vor, mit welcher Dreistigkeit manche Swiss Private Banker an die Sache gingen.

Natürlich werfen sich die Medien vor allem auf die Skandalgeschichten, die mir auch nicht gefallen. Allerdings muss man unterscheiden: Wenn sich jemand im Ausland nicht an die dortigen Gesetze gehalten hat, dann ist es richtig, wenn er nun dafür geradestehen muss. Wer aber aus der Schweiz heraus Geschäfte gemacht hat, die hierzulande absolut rechtens waren, darf nicht nachträglich dafür juristisch belangt werden.


«Ich würde etwas mehr Deutlichkeit erwarten»


Da würde ich von der offiziellen Schweiz doch etwas mehr Deutlichkeit erwarten. Wir hatten und haben nämlich eine Rechtsordnung Wenn sich Politiker oder Behördenvertreter nun davon distanzieren und sagen, die Bankbranche habe sich nicht gesetzeskonform verhalten, dann ist das nicht richtig.

Tatsache bleibt, dass ein riesiger Graben existiert, zwischen dem, was das edle Swiss Banking in der Praxis darstellen möchte, und dem dreisten Verhalten mancher Swiss Private Banker.

Zugegeben, das Geschäftsmodell des Swiss Banking wurde auch ausgenutzt. Wahrscheinlich gar systematischer, als man das heute wahrhaben möchte. Aber dieses Geschäftsmodell gehört der Vergangenheit an.


«Der Renminbi-Hub ist ein Meilenstein»


Wir müssen in die Zukunft blicken. Was die Schweizer Banken heute betreiben, ist ein neues, steuerkonformes Geschäftsmodell. Für weiteres Wachstum auf unserem Finanzplatz sind zwei Strategien nötig: Export von Dienstleistungen ins Ausland und Ansiedlung von neuen Geschäftsfeldern und innovativen Unternehmen in der Schweiz .

Das ist schneller gesagt als getan.

Klar, aber gerade die Entwicklung der Fintech-Branche ist eine wichtige Säule und die Tatsache, dass wir bald einen Renminbi-Hub haben werden, ist auch ein Meilenstein, den übrigens unser Präsident Patrick Odier vor drei Jahren angestossen hat.

Wenn ich Sie richtig verstehe, dann ist der Renminbi-Hub ein Kind der Bankiervereinigung?

Erfolg hat bekanntlich viele Väter, und der Misserfolg nur einen – meistens der Verband. Spass beiseite. Die Bankiervereinigung hat diesem Traktandum schon vor drei Jahren anlässlich einer Reise nach China sehr viel Gewicht beigemessen und mit den chinesischen Behörden das Thema aufgegriffen.


«Das müssen die Banken weiterentwickeln»


Wir haben dann in dieser Angelegenheit auch mit der Schweizerischen Nationalbank und der Finma gesprochen, damit sie diese Initiative unterstützen. Dieses Jahr dürfte sich nun als letzter Schritt eine chinesische Bank in der Schweiz niederlassen. Ab dann, liegt es an den Schweizer Instituten, dieses Geschäft weiter zu entwickeln.

Vielleicht sollte man noch sagen, wozu ein solcher Renminbi-Hub dient.

Vereinfacht gesagt: Die chinesische Währung ist bekanntlich nicht frei konvertierbar. Das erschwert den Kapitaltransfer. Wenn diese Abwicklung nun über eine Plattform in der Schweiz erfolgen kann, erleichtert dies das Geschäft für die Wirtschaft. Gleichzeitig können so auch neue Finanzprodukte entwickelt werden und sind besser handelbar.


«Investmentbanking ist besonders wichtig»


Dieser Hub ist eine Bereicherung für den Schweizer Finanzplatz Wir müssen wegkommen von diesem typisch negativen Schweizer Denken, wonach die anderen immer besser sind. Wenn wir so schlecht wären, wie das so oft behauptet wird, dann wären wir sicherlich nicht so erfolgreich.

Fintech, Asset-Management-Initiative, Renminbi-Hub – gibt es noch andere Geschäftsfelder, mit denen sich der Schweizer Finanzplatz international profilieren könnte?

Gute Frage. Letztlich ist Banking nichts Anderes, als die Transformation von Kapital, Risiken und Fristigkeiten. Diese Fähigkeit müssen wir weiterentwicklen, rascher auf Veränderungen reagieren und uns für offene Märkte einsetzen.

Wichtig ist zudem, dass wir an allen Bankgeschäften festhalten, also am Schweizer Retailbanking, an der Vermögensverwaltung, aber auch am Investmentbanking und Firmenkundengeschäft, das für unsere stark exportorientierte Wirtschaft von besonderer Bedeutung ist.

In jedem Bereich gehören Kundennutzen und -bedürfnisse ins Zentrum. Gelingt uns dies, wird uns der Kunde in Geldangelegenheiten weiterhin mehr vertrauen als beispielsweise Google.


Thomas Sutter 192Thomas Sutter ist seit März 2011 Leiter Kommunikation der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) und Mitglied der Geschäftsleitung. Anfang 2015 wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden der Geschäftsleitung ernannt. Er schloss 1986 sein Wirtschaftsstudium in Basel ab. Zwischen 1996 und 1998 bildete er sich in Public Relations weiter und erlangte den Titel eines diplomierten PR Beraters. Im Jahre 2000 stiess er als Leiter Kommunikation Schweiz und Deutschland zur SBVg. Zuvor war Sutter für Danzas und die Zurich-Gruppe tätig.