In dieser Firma sind Fehler noch erlaubt. Das zumindest behauptet deren CEO, und der Schweiz-Chef bekräftigt: «Unsere Mitarbeiter haben weniger Druck.» Wo gibt es das?
Gegründet wurde Aberdeen Asset Management bereits vor 31 Jahren, entstanden aus einem Management-Buyout eines schottischen Investmentfonds. Doch so richtig von sich reden machte das – logischerweise – in der schottischen Stadt Aberdeen domizilierte Unternehmen erst 1991 mit seinem Gang an die Londoner Börse – und dann, später, im Verlauf der vergangenen zehn Jahre mit einer ganzen Reihe an Übernahmen von anderen Finanzinstitutionen.
Dazu gehörte auch ein Teil des Fondsgeschäft der Credit Suisse Asset Management (CSAM), das Aberdeen 2009 erwarb, wie auch finews.ch (verlinkt) seinerzeit berichtete. So erhielt das Unternehmen auch in der Schweiz eine grössere Visibilität, die sich zunächst aber doch noch in engen Grenzen hielt.
Kein einfacher Job
Von der CS wechselte im Juli 2009 auch der italienisch-schweizerische Doppelbürger Matteo Bosco (Bild oben) zu Aberdeen, wo er erst das Italien-Geschäft verantwortete und im Februar 2013 auch zum Head of Business Development Switzerland ernannt wurde – seit Juni 2014 amtet er offiziell als Länderchef für die Schweiz.
Einfach ist dieser Job gewiss nicht. Hierzulande gibt es zwar zahlreiche Institutionen, die Finanzprodukte kaufen und vertreiben wollen, doch ebenso viele Anbieter. Wie also kann sich ein vergleichsweise kleines Unternehmen aus Schottland von der übermächtigen Konkurrenz unterscheiden oder gar hervortun?
Nicht alltäglich
Matteo Bosco sagt im Gespräch mit finews.ch etwas, das nicht alltäglich ist in einer inzwischen vor allem dem Sparen zugewandten Branche, nämlich: «Wir pflegen einen kollegialen Umgang, und unsere Mitarbeiter haben weniger Druck.» Solche Sätze mag man bisweilen auch anderswo hören, doch zumeist weiss man, dass dies Schönfärberei ist. Bei Aberdeen Asset Management indessen gewinnt man diesen Eindruck irgendwie nicht.
«Wir gewähren unseren Mitarbeitern grosse Freiheiten», fährt Bosco fort und betont, dass beispielsweise die Portfolio-Manager ihre Anlageentscheide eigenständig nach bestem Wissen und Gewissen fällen können. Dass dies mit viel Vertrauen und mit Verantwortung einher geht, versteht sich von selbst. Doch auch da gilt die Prämisse: «Fehler sind erlaubt», wie es der oberste Aberdeen-Chef Martin Gilbert immer wieder unterstreicht. Denn alle Menschen würden Fehler machen, und nur aus Fehlern lerne man.
Grosse Loyalität
Dass diese Haltung Früchte trägt, zeigt sich auch an der Tatsache, dass das Top-Management von Aberdeen Asset Management im Schnitt seit mindestens 25 Jahren dem Unternehmen die Treue hält. «Diese Langfristigkeit prägt die Unternehmenskultur enorm», findet Bosco. Denn die Kunden wünschten sich vor allem Langfristigkeit und Stabilität. Das liege in der Natur des Menschen.
Dass sich aus einer solchen Konstellation eine mehrheitlich überzeugende Leistung ergibt, liegt wohl schon fast auf der Hand. Und tatsächlich kann Aberdeen Asset Management vor allem in den Bereichen Schwellenländer- und Immobilien-Investments eine enorme Expertise vorweisen. Mit Hugh Young verfügt das Unternehmen zudem über einen Experten für asiatische Aktien, der Aberdeen seit nunmehr dreissig Jahren die Treue hält.
Werbung am Airport
Das würden die Kunden schätzen, genauso wie die Tatsache, dass das Unternehmen bankenunabhängig sei und eine überschaubare Grösse behalten habe, erklärt Matteo Bosco. Weltweit beschäftigt das Unternehmen in insgesamt 25 Ländern mehr als 2'000 Personen, die umgerechnet gut 500 Milliarden Franken an Kundengeldern verwalten. Vor fünf Jahren waren es erst 100 Milliarden Franken gewesen.
In der Schweiz sind aktuell 11 Leute tätig, die 12,6 Milliarden Franken betreuen. Davon entfallen rund 2,3 Milliarden Franken auf institutionelle Anleger. Diesen Anteil will Bosco substanziell ausbauen, zumal die Marke Aberdeen Asset Management hierzulande durchaus positiv bewertet wird. Im breiten Publikum fiel sie bislang wohl am ehesten am Zürcher Flughafen auf, wo die Gepäcktrolleys mit dem Logo versehen sind, was in den Medien einen nicht zu unterschätzenden Werbeeffekt hat – besonders wenn Prominente aus Sport und Unterhaltung am Airport ankommen.
Fügung des Schicksals
Fachlich will Aberdeen Asset Management im nächsten Jahr vor allem die europaweite Expertise im Bereich von Immobilienmanagement weiter ausbauen. Für einiges Aufsehen diesbezüglich sorgte das Unternehmen im vergangenen Sommer mit einer Studie, die besagt, dass der Schweizer Immobilienmarkt nicht nur teuer, sondern im Vergleich zu anderen Ländern auch noch weniger werthaltig ist.
Mit der Übernahme des Fondsgeschäfts von Scottish Widows, einem Unternehmen das zuletzt der Lloyds Banking Group gehörte, hat Aberdeen vor gut einem Jahr die Lücke im Fixed-Income-Bereich schliessen können. Dass in den vergangenen Monaten, nach dem Abgang von Obligationen-Guru Bill Gross beim Asset Manager Pimco, auch ein paar Millionen Franken zu Aberdeen flossen, hält Bosco in diesem Zusammenhang schlicht für eine glückliche Fügung des Schicksals.