Falsche Ziele und ein Mangel an Moral? Hans Vontobel und Pierin Vincenz diskutieren gemeinsam über die Krise und die Folgen für die Branche.
Das viel beschworene Ende des Finanzplatz Schweiz bezeichnet der Grand Old Man der Schweizer Bankenszene, Hans Vontobel, als «Schlachtenlärm». Im Gespräch mit der Raiffeisen-Publikation Panorama erklärt er, der Ernst der Lage sei nicht zu unterschätzen. Die Schweiz habe sich jedoch schon früher in misslichen Lagen befunden und auch in diesen Situationen immer einen Ausweg gefunden.
Sein Gegenüber, Pierin Vincenz, Chef der Raiffeisen, pflichtet ihm bei. Es sei eine «eindimensionale Sichtweise», wenn man den Erfolg des Schweizer Finanzplatzes lediglich auf das Bankgeheimnis reduziere.
Bankgeheimnis: Veraltet und moralisch fragwürdig?
Früher, so erklärte Vontobel, diente das Bankgeheimnis zum Schutz von Individuen vor Diktaturen. Er beruft sich dabei auf eigene Erfahrungen aus den 30er Jahren. Damals stand in Deutschland die Todesstrafe auf Steuerhinterziehung. Da die Schweizer Banken keine Angaben bezüglich ihrer Kunden machen dürfen, konnte so einigen Leuten sogar das Leben gerettet werden.
Solche Hintergründe sind aus heutiger Sicht zwar nicht mehr aktuell. Der Zrcher Bankier Vontobel bringt den Grundsatz des Bankgeheimnis jedoch auf den Punkt: «Die Schweiz bietet politische, wirtschaftliche Stabilität, eine Rechtsordnung mit hohem Standard und eine allgemeine freiheitliche Atmosphäre». Es sei unsere Gesetzgebung.
Im internationalen Durchschnitt weise die Schweiz einen überdurchschnittlichen Demokratisierungsgrad auf – zum Beispiel im Vergleich mit Deutschland und den USA. Unsere Gesetze seien nicht von einem Tag auf den anderen gewachsen, sondern nach gut schweizerischem Prinzip des Konsens und der Konkordanz mit der Zeit gewachsen. Dass dieses System gut funktioniere, zeige sich an unserer hohen Lebensqualität, sagt Vontobel.
Diesen Umstand scheinen, laut Vontobel, auch «die vielen Zuwanderungen aus dem Ausland, namentlich aus Deutschland» zu schätzen. Deren Mehrheit übersiedelt nicht grundsätzlich aus steuerlichen Aspekten, sondern weil sie in ein Land kommen, «wo das Individuum und die persönliche Freiheit noch etwas zählen».
Dennoch, das Bankgeheimnis, so wie es heute besteht, habe einen schweren Stand. Gemäss Vontobel wird es wohl nicht abgeschafft, sondern angepasst. Denn früher habe man als Banker seine Kunden noch gekannt. Dies ist heute nicht mehr der Fall. Auch sei es beinahe unmöglich, neben den Beratungen, die ein Banker betreiben muss, auch noch die einwandfreie Herkunft von Kundengeldern permanent sicher zu stellen, sagt Vincenz.
Daher arbeite man an Methoden, um diese Problematik in den Griff zu bekommen. International sieht Vincenz eine Redimensionierung des Bankgeheimnis voraus. Auf nationaler Ebene wird es sich wahrscheinlich halten können.
Falsche Anreize
Das Bankgeheimnis an sich sei also keine schlechte Sache, es kann jedoch zur Beihilfe von Stuerhinterziehung missbraucht werden. Ähnliche falsche Anreize sind mit Schuld an der Krise. Beide Banker sind sich einig, dass der Fokus heute nur noch auf Profit steht. Dabei werden andere Faktoren, wie Stabilität und Risikominderung rigoros ignoriert.
Früher war dies nicht so, sinniert Vontobel. Vor dreissig Jahren hatten die Aktionäre noch nicht viel zu melden. Heute hingegen muss ein Unternehmen die Aktionäre mit guten Zahlen befriedigen. Dies wiederum führe zur Profitsucht. Damit das System wieder funktioniert, soll der Mensch wieder in den Mittelpunkt rutschen und nicht die Zahlen.
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