Der Internationale Währungsfonds sollte ein stabiles Finanzsystem garantieren. Doch er verhält sich wie ein ungeübter Skifahrer, sagt Martin Hess von der Bankiervereinigung.
Martin Hess ist Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung
Ungeübten Skifahrern, die sich im Steilhang unbeholfen quer in Richtung Pistenrand bewegen, bleibt nur ein Ausweg: Die Spitzkehre. Diese ist weder elegant noch effizient. Überraschenderweise produziert der Internationale Währungsfonds (IWF), seines Zeichens Garant eines stabilen Finanz- und Wirtschaftssystems, Spitzkehren im Monatsrhythmus. Beispiele gefällig?
Er erklärt Finanztransaktionssteuern unvermittelt für salonfähig und leistet mit der jüngsten Legitimierung von Kapitalverkehrskontrolle Vorschub zur Fragmentierung der globalen Finanzmärkte. Sparanstrengungen von überschuldeten Staaten werden nun eher als Wachstumsbremse denn als notwendige Sanierungsmassnahme dargestellt.
Wider besseren Wissens
Der IWF attackiert neu auch die Geldschöpfung durch Geschäftsbanken und setzt dabei die wohlstandsmehrenden Finanzmärkte aufs Spiel. Wider besseren Wissens verwendet er neue Instrumente wie die «Precautionary and Liquidity Line», die nicht mehr dem bewährten Grundsatz «Kreditauszahlung nur bei wirtschaftspolitischen Anstrengungen» folgen.
Der IWF zweifelt auch die Reduktion von Lohn-Nebenkosten als wirksame Massnahme zur Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit eines Landes in Schieflage an.
Prinzipien über Bord
Ich finde es absolut zentral, dass die Lehren aus der Finanz- und Wirtschaftskrise gezogen werden und gegebenenfalls eine Kurskorrektur vorgenommen wird. Es ist jedoch bedauerlich, dass der IWF ausgerechnet in diesen turbulenten Zeiten die Erwartungen auf solid verankerte Politikempfehlungen nicht durchwegs erfüllt und bewährte Prinzipien ohne Not gleich reihenweise über Bord wirft.
Es scheint, als versuchte der IWF, sich mit radikalen Mitteln gegen den auf heute terminierten Weltuntergang stemmen zu wollen.
Dank Geldregen ins Präsidentenamt?
Die Verschiebung von einer freiheitlichen, auf Selbstverantwortlichkeit beruhenden globalen Wirtschaftsordnung hin zu fiskalischem Interventionismus kommt nicht aus dem Nichts. Die Grundsteine dazu wurden meiner Meinung nach bereits von den beiden Vorgängern der IWF-Chefin Christine Lagarde gelegt. Durch einen Geldregen hatten sie sich wohl Vorteile im Rennen um das Präsidentenamt in ihrem Land versprochen.
Der interventionistische Zeitgeist liegt zudem in der massiven Zunahme des Einflusses der Schwellenländer im Exekutivrat begründet.
Nicht auf die Institution spielen
Bei aller inhaltlicher Kritik möchte ich allerdings festhalten, dass es angesichts der Komplexität der weltwirtschaftlichen Herausforderungen den IWF mehr braucht denn je. Gerade kleine Länder wie die Schweiz werden durch supranationale Institutionen und internationale Richtlinien gut geschützt.
Wir haben jüngst schmerzhafte Erfahrungen im bilateralen Verhältnis mit den Launen von grossen Ländern gemacht. Die Schweiz tut deshalb gut daran, nun nicht auf die Institution spielen, sondern die sichere Pistenwahl aufzeigen. Denn die häufigsten Stürze ereignen sich bei den Spitzkehren.